"Ich schaffs!" in Aktion. Ben Furman


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das Kind dazu, die neue Fähigkeit einem anderen Kind beizubringen.

      15. Einigen Sie sich mit dem Kind darüber, welche nächste Fähigkeit es erlernen möchte.

      Wir wollen uns die Schritte nun etwas detaillierter ansehen.

       1. Probleme in Fähigkeiten verwandeln

      Die Grundidee von »Ich schaffs« besagt, dass man Probleme auch als noch zu lernende Fähigkeiten betrachten kann. Das mag zunächst wie Haarspalterei erscheinen – denn schließlich ist es doch das Gleiche, ob man aufhört zu fluchen oder ob man lernt, sich adäquat zu äußern. Aber das Umschalten vom Sprechen über Probleme hin zum Sprechen über Fähigkeiten ist keine bloße Formalie. Denn sobald wir an Fähigkeiten statt an Probleme denken, sehen wir, dass es viel einfacher wird, konstruktiv über die Dinge zu sprechen – sowohl für Kinder als auch für Eltern. Kinder sind – wie die meisten Menschen – nicht gerade begeistert davon, ihre Probleme anzusprechen, wohingegen sie die Herausforderung neu zu erlernender Fähigkeiten genießen. Auch Eltern finden es oft schwierig, über die Probleme ihrer Kinder zu sprechen, und sind viel eher bereit, darüber ins Gespräch zu kommen, welche Fähigkeiten ihre Kinder noch verbessern müssen.

      Wenn Kinder Probleme haben, beginnen Sie am besten damit herauszufinden, welche Fähigkeit sie lernen oder verbessern müssen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Wenn ein Kind z. B. häufig schreit oder zu laut spricht, würde die zu erlernende Fähigkeit lauten, leise oder ruhig zu sprechen. Ähnlich ist es, wenn es mit dem Essen herumspielt – hier bestünde die korrespondierende Fähigkeit darin, ordentlich zu essen.

      Dies sind einfache Beispiele, bei denen das Benennen einer Fähigkeit, die das Problem beseitigen könnte, auf der Hand liegt. In der Realität kann es allerdings ziemlich knifflig sein herauszubekommen, welche spezifische Fähigkeit ein Kind bei einem bestimmten Problem erlernen soll.

      Erstens haben Kinder häufig mehrere Probleme auf einmal. Ein Kind kann z. B. gleichzeitig den Drang verspüren, immer der Erste sein zu wollen, dazu neigen, Erwachsene zu unterbrechen, und auch noch Schwierigkeiten damit haben, sich auf eine einzige Sache zu konzentrieren. In einem solchen Fall können Sie eine Liste mit all diesen Problemen erstellen und diese dann eins nach dem anderen in Fähigkeiten verwandeln, die das Kind zur Problembewältigung erlernen müsste. So wird aus der Liste von Problemen eine Liste von Fähigkeiten, die als Grundlage für den Einsatz von »Ich schaffs« bei diesem Kind dienen kann.

      Zweitens ist es wichtig, die angestrebte Fähigkeit nicht als etwas zu definieren, was das Kind nicht tun sollte, also etwa »Ich soll nicht fluchen«, »Ich soll nicht schreien« oder »Ich soll keine anderen Kinder schlagen«. Das ist entscheidend, weil die Fähigkeit für das Funktionieren von »Ich schaffs« beobachtbar bzw. »übbar« sein muss. Es muss etwas sein, das das Kind zeigen und vormachen kann. Ein Kind kann nicht zeigen oder üben, »nicht zu fluchen«, »nicht zu schreien« oder »andere nicht zu schlagen«, aber es kann die korrespondierenden Fähigkeiten sowohl demonstrieren als auch üben: »sich freundlich ausdrücken«, »leise sprechen« oder »in aufreibenden Situationen ruhig bleiben«.

      Drittens bedeutet das Wissen um das Problem noch längst nicht, dass man auch weiß, welche Fähigkeit das Kind benötigt. Es kann z. B. sein, dass das eine Kind mit aggressivem Verhalten lernen muss, ein »Nein« zu akzeptieren, während ein anderes vielleicht lernen muss, seine Wut in Worten auszudrücken. Man muss den Hintergrund des Problems verstehen, wenn man daraus eine relevante Fähigkeit ableiten möchte.

      Es ist aber für das Herausarbeiten von Fähigkeiten, die Kinder erlernen sollen, gar nicht zwingend notwendig, ihre Probleme zu benennen. Nützliche Dinge, die man erlernen oder verbessern möchte, lassen sich auch einfach so finden, indem man die Kinder fragt, welche Fähigkeiten sie sich aneignen müssten, um zu Hause noch zufriedener zu sein, um mehr Freude an der Schule zu haben oder um mit anderen Kindern besser zurechtzukommen.

       2. Sich auf eine zu erlernende Fähigkeit einigen

      »Ich schaffs« funktioniert am besten, wenn Kinder von selbst auf die Fähigkeiten kommen, die sie erlernen möchten. Natürlich haben Eltern, Lehrer und andere Erwachsene ihre eigenen Vorstellungen davon, was das Kind eigentlich lernen sollte, aber der Erfolg ist am größten, wenn Kinder von der Notwendigkeit, eine neue Fähigkeit zu erlernen, selber überzeugt sind.

      Um sich mit einem Kind auf eine Fähigkeit zu einigen, können Sie es z. B. fragen: »Gibt es irgendetwas, das für dich schwierig ist, das du gerne lernen würdest oder worin du gerne besser werden würdest?« Und wenn Sie stattdessen lieber einen eigenen Vorschlag machen möchten, könnten Sie sagen: »Ich (oder wir) hätte gerne, dass du Folgendes lernst (oder darin besser wirst): …«

      Kindern ist in der Regel relativ gut bewusst, welche Schwächen sie haben, und sie wissen daher oft selbst, worin sie besser werden müssen: »Ich muss lernen, an meine Hausaufgaben zu denken« oder »Ich muss lernen, still zu sitzen«, könnte ein Schüler zu seinem Lehrer sagen, wenn dieser ihn fragt. Die Motivation, eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen, ist immer höher, wenn die Idee dazu von den Kindern kommt statt von den Erwachsenen.

      Auf der anderen Seite sprechen insbesondere kleinere Kinder ziemlich gut auf Vorschläge ihrer Eltern oder Lehrer an: »Schatz, deine Mama und dein Papa glauben, dass du groß genug bist zu lernen, die ganze Nacht über in deinem eigenen Bett zu schlafen. Wir hätten gerne, dass du das lernst, und das könntest du mit der Hilfe von »Ich schaffs« tun.« Eltern und Lehrer haben das Recht, den Kindern gegenüber ihre Erwartungen auszudrücken.

      Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie man die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, dass Kinder den Vorschlag akzeptieren, neue Fähigkeiten zu erlernen. Zum Beispiel kann man den Lernprozess zu einer Gemeinschaftsaktion machen, bei der sich alle Familienmitglieder oder alle Kinder einer Schulklasse neue Fähigkeiten vornehmen. Kinder haben in der Regel nichts dagegen, Fähigkeiten zu erlernen, wenn es ganz normal ist, dass auch alle anderen das tun. Außerdem nehmen Kinder manchmal eher Vorschläge an, die von mehreren geäußert werden, als solche von einer einzelnen Person. »Wir, deine Mutter, dein Vater und ich (der Lehrer des Kindes) haben uns über dich unterhalten und wir meinen, dass es für dich wichtig wäre, … zu lernen.« Man kann das Kind auch dadurch zu besserer Mitarbeit motivieren, dass man es bei der Auswahl der Fähigkeit mitbestimmen lässt: »Dies sind die Fähigkeiten, von denen wir glauben, dass du sie gut brauchen könntest. Was meinst du? Welche davon wäre für dich am wichtigsten zu erlernen? Oder gibt es vielleicht noch etwas ganz anderes, das deiner Meinung nach für dich sogar noch wichtiger wäre? Welche Fähigkeit würden deine Freunde als besonders wichtig für dich ansehen?«

       3. Den Nutzen der Fähigkeit herausfinden

      Eine der Hauptmotivationsquellen beim Erlernen von Fähigkeiten ist es, die Vorzüge der Fähigkeit zu erkennen: »Was hast du davon?«, »Warum ist es für dich wichtig, so etwas zu lernen?«, »Welchen Nutzen bringt es dir, so etwas zu können?«, »Warum meinen die Leute, dass du das lernen solltest?« sind einige der Fragen, die man mit Kindern erörtern kann, um ihnen beim Erkennen der Vorzüge zu helfen. Eltern, Freunde und andere Helfer können Kinder unterstützen, indem sie Vorteile herausarbeiten, an die die Kinder selbst noch gar nicht gedacht haben. Beim Auflisten der Vorzüge einer bestimmten Fähigkeit ist es wichtig, nicht nur an den Nutzen zu denken, der uns Erwachsenen ins Auge springt, sondern vor allem an den, der für die Kinder relevant sein könnte, wie z. B., bei den Freunden beliebter zu sein oder mehr Zeit für seine Hobbys zu haben.

      Um ein Kind zum Erlernen neuer Fähigkeiten zu motivieren, muss man es überzeugen, dass sich das Lernen auch auszahlt, dass also alle Beteiligten einen Nutzen daraus ziehen können, wenn es die Fähigkeit beherrscht. Alle Personen aus seinem Umfeld können ihm dabei helfen, solche Vorteile zu entdecken.

      


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