Ausgebombt. Heike Susanne Rogg
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Heike Susanne Rogg
Ausgebombt
Das Ende einer Kindheit
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Inhaltsverzeichnis
Ein neuer Lebensabschnitt
Christian –
Ende einer Kindheit
(Teil 1)
Wir schreiben das Jahr 1938.
Christian ist ein kleiner fünfjähriger Junge mit blonden Haaren und abstehenden Ohren. Eines Tages geschieht etwas Aufregendes: Seine Mutter entscheidet, dass sie umziehen. Sein Leben fand bis jetzt in einer kleinen Wohnung in Bettenhausen statt. So heißt ein Stadtteil von Kassel. Seine Mutter und er leben dort zusammen mit der Oma im ehemaligen Wohnhaus der Familie. Im Erdgeschoss befindet sich eine große Gastwirtschaft. Nachdem aber der Großvater gestorben war, musste diese verkauft werden. Nun wohnen sie dort zur Miete.
Der Schwarze Schwan (Foto: priv.)
Seiner Mutter gefällt das gar nicht.
Zum einen gilt Bettenhausen als Arbeiterviertel, in dem viele arme Menschen wohnen. Zum anderen ist der Weg zu ihrer Arbeitsstelle sehr weit. Auch sie muss sparsam leben, denn Christians Vater starb, als der Junge erst ein Jahr alt war.
Da bietet sich die Möglichkeit, näher an die Innenstadt von Kassel zu ziehen. Direkt an der Fulda liegt ein großes Doppelhaus. Dort kann sie eine Zwei-Zimmer-Wohnung bekommen.
Christian findet es toll, jetzt näher an der Stadt zu leben. Das Haus, in dem sie wohnen, gehört einem Ehepaar. Dieses führt im großen Garten einen Bootsverleih, denn gleich hinter dem Grundstück fließt die Fulda. Die Boote faszinieren den kleinen Jungen, und oft ›rudert‹ er auf dem Trockenen. Ins Wasser darf er nicht, denn er kann noch nicht schwimmen. Weil seine Mutter ständig Angst hat, ihm könne etwas passieren, wird er es auch lange Zeit nicht lernen.
Bootshaus Sinning von der Fuldaseite (Foto: priv.)
Das Muttersöhnchen
Im Frühjahr 1938 beschließt Christians Mutter, dass er in den Kindergarten in der Maulbeerplantage gehen soll. Christian sieht das ganz anders. Es gefällt ihm gar nicht, dass er dort, nicht wie zu Hause, als Hauptperson behandelt wird. Außerdem riecht es in den Räumen penetrant nach Desinfektionsmitteln. Lautstark äußert er sein Missfallen, das nicht ungehört bleibt. Nachdem er mal wieder, einen Morgen lang, den Kindergarten zusammengeschrien hat, wird die Mutter zu einem Gespräch gebeten. Wieder einmal gelingt es Christian, seinen Willen durchzusetzen. Er darf von da an zu Hause bleiben.
Weil er nun morgens zu Hause sitzt, nimmt ihn die Oma oftmals mit auf den Markt. Der findet auf dem Königsplatz statt. Christian findet es toll, wie die vielen Bauern aus dem Umland ihre Waren anbieten. Dort gibt es neben Obst, Gemüse und Fleisch auch Korbwaren und Geschirr. Oftmals fällt eine Kleinigkeit für ihn ab: Mal ein Apfel, oder eine Birne, aber am besten gefällt ihm, wenn er ein Stück ›Ahle Wurscht‹ geschenkt bekommt.
Einmal hilft ihm aber aller Trotz nichts. Mit acht Jahren muss er am Blinddarm operiert werden. Für das Muttersöhnchen eine schreckliche Zeit. Zwar besucht ihn seine Mutter jeden Tag, doch darf sie nur für eine Stunde bleiben. Außerdem muss sie dabei hinter einer Glastrennwand stehen. Wegen der Angst vor Bazillen und Viren durften die Eltern damals nicht einfach in die Krankenzimmer. Als Christian nach zehn Tagen endlich nach Hause darf, soll er sich noch eine Woche schonen. Mutter und Oma entschädigen ihn in dieser Zeit für den Krankenhausaufenthalt und verwöhnen ihn wo sie nur können.
In der Unterneustadt
In der Umgebung wohnen viele Kinder in seinem Alter. Schnell finden sie sich, um gemeinsam zu spielen und Unsinn zu treiben. Auf dem Grundstück seines Freundes Hans-Lothar steht eine große Eibe. Dort treffen sich die Jungen immer zum Spielen. Ab Herbst 1939 befindet sich Deutschland in der Anfangszeit des Zweiten Weltkrieges. Die Jungen sind natürlich sehr stolz auf die Erfolge der deutschen Soldaten