Das Wunderjahr (1566). Hendrik Conscience

Das Wunderjahr (1566) - Hendrik Conscience


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richtete sich der junge Lodewyk auf.

      »Ja,« antwortete er, »ich verstehe Euch ganz wohl, und wenn ich nicht des Gehorsams gedachte, den ich Godmaert schuldig bin, so würde ich alsogleich Rechenschaft für Euer Lästerwort verlangen.«

      »Seid Ihr von Adel?« schrie der rasende Schuermans und faßte seinen Dolch.

      »Adliger als Ihr selbst,« sprach Lodewyk, »weil Ihr den Namen Eurer Ahnen durch ein Betragen befleckt, dessen ein Sackträger sich schämen würde.«

      »Der Schimpf soll Euch das Leben kosten, Junker!« rief Schuermans und sprang über den Tisch, »da, Milchgesicht!« und stieß seinen Dolch gegen Lodewyks wogende Brust. Doch ehe er das Fleisch erreichte, hatte der Jüngling, durch geschickte Abwehr, die Spitze seitwärts gelenkt.

      Zwanzig Dolche blitzten nun zugleich im Zimmer. Manche, beschwichtigende Stimme mengte sich mit den wiederhallenden Streichen, welche die zwei kämpfenden Edlen sich beibrachten. Schuermans schäumte vor verzehrender Wuth, und suchte mit hartnäckigem Grimme den Weg, seinen Dolch in Lodewyks Herz zu stoßen. Alle Umstehenden wollten sich zugleich zwischen die zwei edlen Streiter werfen: Einer stieß den Andern zurück; von allen Seiten Geschrei; die Becher rollten im Getümmel von der Tafel, die Stühle lagen umgestürzt da;; so arg ward die Verwirrung, daß Keiner mehr den Andern verstand.

      Das alte Weib schrie unter bitteren Thränen, die Stadtwache komme; sie sprach vom Gefängniß, vom Galgen, aber Alles umsonst.

      Schuermans wollte mit aller Gewalt den jungen Mann tödten; doch dieser sich so in Lebensgefahr sehend, zog seinen Degen aus der Scheide.

      Auf einmal sprang ein Blutstrahl gegen die Wand und der unglückliche Schuermans fiel ohnmächtig auf den Boden nieder.

      Lodewyk hatte die Spitze seines Rapieres aus der Wunde gezogen und blickte mit Bekümmerniß zur Erde.

      Schuermans wurde mit theilnehmender Sorgfalt seiner Kleider entledigt, und so viel als möglich das Blut seiner Wunden zu stillen gesucht, als plötzlich dreimal an das Thor geklopft wurde.

      »Ach Gott!« rief die Alte, »da sind sie.«

      »Wer?« frug De Rydt.

      »Nun die Waffenbrüder!« antwortete Mutter Schrikkel.

      »Haltet Euch Alle still,« sagte Konrad, »ich will gehen und nachsehen. »Wer ist da?« rief er am Thore.

      »Dolch und Bettelsack,« antwortete eine tiefe Stimme. Und der greise Godmaert trat nach einigen Augenblicken in das blutbefleckte Gemach. Verwundert blieb er am Eingang stehen, und starrte mit zornigem Blicke den regungslosen Körper des verwundeten Schuermans an.

      »Was geht hier vor?«»frug er mit ernster Stimme, »habt Ihr den Eid vergessen einander treu zu seyn bis ins den Tod, und Eure Dolche mit keinem andern, als Spanischem Blute zu färben? Wehe dem, der seinem Eide zuwider, Geusenblut vergossen hat!«

      Alle schwiegen still und standen beklommen und wehmüthig vor dem Greise, den sie sich zum Haupt erkoren hatten.

      »Wer hat diese unbesonnene That begangen?« frug er.

      Nun erzählte Van der Voort ihm die ganze Sache, die Godmaert, nicht ohne vor Zorn und tiefer Weymuth zu beben, anhörte. Erst heftete er seine Augen auf den niedergeschlagenen Lodewyk, dann wandte er sich zu dem Verwundeten und rief mit donnender Stimme:

      »Schuermans!«

      Dieser, auf den Ruf seines Freundes und Meisters, öffnete seine Augen, wie wenn er aus tiefem Schlafe erwachte.

      »Schuermans!« sprach er zu ihm, »warum seid Ihr meinem Gebote nicht nachgekommen? Ich sehe mit Schrecken, wie wenige von Euch den wahren Weg zu dem Ziele erkennen, das wir zu erreichen trachten – Warum habt Ihr den jungen Lodewyk verhöhnt?«

      Schuermans, der jetzt durch den Blutverlust nüchtern geworden war und nachdem er eine Weile seine Gedanken gesammelt hatte, antwortete mit schwacher, aber vernehmlicher Stimme:

      »Der«Trunk hat mir das Blut aufgeregt, Godmaert. Darin habe ich Unrecht, daß ich gegen Euern Befehl es diesen Junker nicht habe in seinem Winkel träumen lassen. Ich verzeihe ihm gerne die Wunde, die er mir beigebracht hat, und die, Gott sei’s gedankt, nicht tödtlich ist – aber Eines schwöre ich: daß, so lange dieser Lodewyk nicht auf die Gesundheit der Geusen einen Humpen leert, ich ihn als einen Spanier ansehen und daher in unserer Gesellschaft nicht dulden werde.«

      »Lodewyk! Lodewyk!« rief Godmaert, »wisset Ihr nicht, unbesonnener Jüngling, daß man für sein Vaterland seine Eigenliebe und seine persönlichen Gefühle verleugnen, muß? Kommt her an den Tisch und leert auf mein Geheiß diese Schale.«

      Er reichte ihm das gefüllte Gefäß, und Lodewyk nahm es bebend und widerwillig an.

      »Wohlan,« sprach der betroffene Junker, »auf aller Vaterlandsfreunde Gesundheit!« und brachte den Napf an seine Lippen. Doch Godmaert hielt seinen Arm mit solcher Kraft zurück, daß der Wein aus dem Gefäße über des jungen Mannes schöne Kleider herabfloß.

      »Auf der Geusen Gesundheit!« rief Godmaert, »der Geusen; so heißen die Vaterlandsfreunde.«

      Lodewyk, bleich vor Gram, sah das Trinkgefäß in Verzweiflung an.

      »Godmaert,« rief er mit Macht, »wozu wollt Ihr mich zwingen? Soll ich trinken auf die Gesundheit der Feinde meines Glaubens?« O, erspart mir diesen Verrath!«

      Ueber Godmaert’s Antlitz verbreitete sich ein Zug von Verdruß und Zorn. Ihm mißfiel es höchlich. bei Lodewyk Widerstand zu finden.

      »Wer sagt Euch,« frug er bitter den Jüngling, »wer sagt Euch, daß die Geusen Feinde des Glaubens sind?«

      »O, daß sie es nicht wären!« sprach der Jüngling begeistert. »Mit Aufopferung meiner selbst wollte ich an ihren Unternehmungen Theil nehmen; denn auch ich, ich würde die Spanier hassen, wenn sie nicht die einzigen Vertheidiger des Glaubens wären.«

      »Er liebt die Spanier,« riefen die Geusen entrüstet.

      »Ausgestoßen, verbannt, der Verräther!«

      »Ich liebe die Spanier nicht! « widersprach Lodewyk mit Nachdruck. »Vernehmet es wohl, Ihr Herren, ich liebe sie nicht. Mein Haus hat ihnen seinen Untergang vorzuwerfen. Aber ich sehe in ihnen den einzigen, festen Damm, der noch den Neuerungen und Angriffen gegen unseres Kirche zu widerstehen vermag. Bedenkt es wohl, so Ihr die Spanier verjaget, öffnet ihr Niederland den Ketzern, den Bilderstürmern und schlechtem Troß aus fremden Landen, der bereit ist, einem Schwarme gleich, unsern Boden zu überströmen und den Glauben unsrer Väter zu nichte zu machen.«

      Godmaert’s Angesicht veränderte plötzlich seinen Ausdruck; er ward ruhig und sanft. Er sprach zu dem Jüngling:

      »Ich gewahre mit Stolz, Lodewyk, daß ihr so fest an dem Glauben Eurer Väter hängt; Ihr wißt, daß ich selbst dieß Gefühl in Euch genährt habe, und daß ich Euch den frömmsten der Priester zum Führer gegeben; aber es mag geschehen, daß Pater Franziskus, der sich wenig um die Geschäfte der Welt kümmert, sich über unser Ziel und Treiben irrt. So auch täuscht Ihr Euch jetzt in Eurer Meinung von uns. Unser Kampf gilt nur den Feinden unsers Vaterlandes Ihr müßt und werdet uns helfen. Es ist mein Wille; hört auf die Worte eines Mannes, der älter ist, als Ihr, und der von Eurem Vater Gewalt empfing, über Euch zu verfügen.«

      Lodewyk ließ betrübt sein Haupt auf seine Brust sinken und antwortete seufzend:

      »Es ist wahr, ich werde mich irren. Wohl denn, was i gebietet Ihr?«

      »Trinkt auf der Geusen Wohl!«

      Der Jüngling nahm den Becher, schlug die Augen gen Himmel und rief:

      »O mein Gott, vergib mir diese Sünde, wenn ich eine Sünde thue. – Auf die Gesundheit der Geusen!«

      Alle, selbst Godmaert, jauchzten vor Freude, als ob sie über den Feind triumphierten. Hie und da erhob sich ein Lachen über Lodewyks Furchtsamkeit. Nur Von Halen blieb ernst: Lodewyks Worte hatten Eindruck auf sein Herz gemacht und ihn in tiefes Nachdenken versenkt.

      »Meine Herren,« rief er, » lacht nicht über die Rede des Junkers. Er allein


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