Siska van Roosemal. Hendrik Conscience

Siska van Roosemal - Hendrik Conscience


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glänzenden Weltfirnis zu überziehen auf Kosten ihrer Gottesfurcht und Sittsamkeit; wo die Lehrerinnen eifrig zusammenwirken und unablässig wachen, um das Gift der Verführung abzuwehren und Eitelkeit und Leichtsinn zu bekämpfen; wo man weiß, welche gute Eigenschaften in der flämischen Gesinnung ihre Wurzel haben, und wie gefährlich es ist, diesen reinen Boden fremden Einflüssen preiszugeben; mit einem Worte, wo man nicht beabsichtigt, modische Fräulein, sondern nützliche und würdige Hausmütter zu bilden. – Wollt Ihr nun Eure Siska in eine solche Erziehungsanstalt geben, so habe ich nichts dawider; weit entfernt, ich freue mich darüber. Alles hängt jedoch hier aber von der Wahl ab, die Ihr treffen werdet. Ich weiß es leider: die meisten französischen Pensionate sind Nester des Verderbens und der Entsittlichung; doch lassen sich auch die guten leicht finden, wenn man nur Suchen will. Wenn Ihr es wünscht, will ich Euch eine Solche Anstalt nennen; die von X . . . zum Beispiel.«

      »Ja, das Pensionat von X . . . ,« rief die Mutter, »ich dachte es wohl. Nein! dann kann unsere Siska auch wohl zu Hause bleiben. Seht die Anna van Straten an; die war in dieser Anstalt, und nach drei Jahren ist sie zurückgekommen wie Sie hingegangen war. Sie ist wohl brav und eingezogen, auch, wie ich höre, wohl unterrichtet und erfahren in allem, was zu einem guten Haushalte gehört; aber das kann man ja doch überall lernen; darum braucht man in keine Erziehungsanstalt zu gehen!«

      »Und zu welchem Ende Soll man denn hineingehen, Mutter van Roosemal? Ich verstehe Euch wohl: um verwelscht zu werden, nicht wahr? um, gleich Therese Spinal, Leichtsinn und Ausgelassenheit heimzubringen; um sich über seinen Stand kleiden und zu jedermanns Ärgernis die Modepuppe und den Leichtfuß Spielen zu lernen?«

      »Aber Doktor,« bemerkte Vater van Roosemal, »wenn die meisten Pensionate die Kinder verderben, wie kommt’s denn, daß alle reichen Leute, die doch auch nicht dumm sind, ihre Töchter dahin schicken?«

      »Versteht mich recht, meine Freunde,« fuhr der alte Pelkmann mit ruhigem Gemüt fort, »jeder Stand in der Gesellschaft hat seine Denkweise und Sitte. Was gut, anständig und nützlich sein mag für ein Edelmannskind, ist oft schlecht, unziemlich und schädlich für das Kind eines Krämers. Das Verderbliche der Erziehung, die man in solchen Anstalten den Mädchen gibt, liegt hauptsächlich darin, daß man den Töchtern eines Schusters oder Metzgers dieselben Lebensansichten und Gewohnheiten beibringt, wie denen eines Edelmanns oder reichen Gutsbesitzers; und die, welche zur Arbeit bestimmt sind, geradeso erzieht und hält wie diejenigen, welche nie etwas anders zu tun haben werden, als ihren Verstand zu gebrauchen, um sich im Wohlleben nicht zu langweilen. So verdirbt man die menschliche Gesellschaft von Grund auf; jedes Mädchen will Fräulein sein, und mit der Kleiderpracht kommt Faulheit, Geldverschwendung, Leichtsinn und noch Ärgeres. Man erzieht haufenweise französische Zierpuppen; aber flämische, arbeitsame, züchtige Hausfrauen? Nicht eine!« —

      Jetzt Stand Vater van Roosemal plötzlich von seinem Stuhle auf und sprach mit Nachdruck:

      »Genug, genug! Ihr Seid viel zu gut, Doktor, daß ihr darüber so viel Redens macht. Ihr habt vollkommen recht, und Siska soll entweder in das Pensionat von X. kommen oder sie soll zu Haus bleiben, wenn anders ich hier der Herr bin. Und du, Weib, mit deinem Französisch! Möchtest du sagen, wir hätten Not gelitten und wären den Krebsgang gegangen, bloß weil wir unsere Muttersprache reden? Ich Sage: gut ist gut; und wer gut besser machen will, den halte ich für einen dummen Esel. Und um es kurz zu machen: Siska bleibt zu Haus!«

      Allein der brave Mann hatte ohne den Wirt oder besser ohne seine Frau gerechnet. Diese rief voll Ärger:

      »Oho, nicht so vorschnell, van Roosemal! Es scheint, daß du heute gar viele Noten zu deinem Sang hast. Setz dich nur nieder, Mann, und mach dir kein böses Blut. – Doktor, Sagt einmal, welch große Sünde sollte es denn sein, wenn unsre Siska so wohlerzogen wäre und so gut Französisch könnte wie ein Edelmannskind? Oder sollte sie deshalb um ein Haar schlechter sein?«

      Aus dieser Frage verstand der Doktor, daß er gegen einen gefaßten Entschluß und gegen weiblichen Eigensinn zu kämpfen habe; darum änderte er seinen Ton, gab seiner Stimme mehr Nachdruck und antwortete:

      »Keineswegs, wenn Sie in dem Pensionat, das Ihr im Auge habt, nur Wohlgezogenheit und nützliche Kenntnisse erlangte; aber Ihr wißt nicht, Mutter, was die Mädchen in solchen Anstalten von ihren Lehrerinnen und voneinander alles lernen. Soll ich es Euch Sagen? So horcht denn; es Sind traurige Wahrheiten. Man lernt dort Französisch, ja; aber mit der französischen Sprache lernt man auch französische Manieren, zum Beispiel, wie man die Äuglein drehen, das Gesichtchen glätten, das Mündchen spitzen müsse, um reizend und liebenswürdig zu erscheinen; wie man zugunsten einer romantischen, das heißt heimlichen Liebe seine Eltern betrügen; wie man sich den Kopf mit Geist und Leib verderbendenBildern der Leidenschaften anfüllen; wie man sich mit Pomaden von allerlei Gerüchen einreiben, das Haar à la neige, en tire-bouchons oder à la chinoise5 kräuseln, sich en négligé, en robe de ville und en costume de bal6 kleiden; wie man sich verbeugen und neigen müsse nach dem Stande der Menschen: tief vor einem Reichen, beinahe nicht vor einem Bürger und ganz und gar nicht vor einem geringen Menschen. Man lernt dort französische Liebeslieder, die unter dem Namen von Romanzen die geschlechtlichen Triebe zu früh wecken und Stacheln und einem unwissenden Kinde Worte und Dinge lehren, die es nicht wissen soll; mit einem Worte Lieder, die unter gleißender Hülle nur Sittenverderb, Gift und Verführungen für junge Mädchen sind . . . Sind das Kenntnisse, die einem Christenkinde, einer Bürgerstochter geziemen?«

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      1

       Peter Pott, ein Edelmann, Stiftete zu Antwerpen im Jahre 1433 das St. Salvator-Kloster, das gemeiniglich Peter-Potts-Kloster hieß und 1575 durch die Bilder-Stürmer bis auf den Grund abgebrannt ward. Die zahlreichen Nachkommen dieses Edelmanns, jetzt meistens geringe Bürger, heißen noch die Potten.

      2

       Flämisch: verfranschen, französisches Wesen annehmen.

      3

       Ratten werden in Belgien fremde Schwindler und Glücksritter genannt.

      4

       Ein Vergnügungsort bei Antwerpen.

1

 Peter Pott, ein Edelmann, Stiftete zu Antwerpen im Jahre 1433 das St. Salvator-Kloster, das gemeiniglich Peter-Potts-Kloster hieß und 1575 durch die Bilder-Stürmer bis auf den Grund abgebrannt ward. Die zahlreichen Nachkommen dieses Edelmanns, jetzt meistens geringe Bürger, heißen noch die Potten.

2

 Flämisch: verfranschen, französisches Wesen annehmen.

3

 Ratten werden in Belgien fremde Schwindler und Glücksritter genannt.

4

 Ein Vergnügungsort bei Antwerpen.

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<p>5</p>

 Verschiedene Arten des Haarputzes: Schneeisch, korkzieherisch, chinesisch.

<p>6</p>

 Verschiedene Kleidungsweisen: Morgenkleid, Besuchkleid, Ballkleid.