Die Verzauberten. Roland Betsch

Die Verzauberten - Roland Betsch


Скачать книгу
Ohrfeige im Gesicht, und so turbulent, daß ich Funken sehe.

      Ich will sie packen und in den Brunnen tauchen, da posaunt Schluckebiers Stimme über den Platz.

      »Brigitte! Lumpenaas! Flicklappen!«

      »Hört nur den Kater!«

      Sie wedelt davon; hinüber zum Wagen wedelt sie; das Hinterteil ist schnippisch bewegt. Das gelbe, verwaschene Fähnlein flattert.

      »Ist dir je ein so frecher Spatz begegnet?«

      »Mein Lieber, die hat der Esel im Galopp verloren.«

      Es kommt jetzt ganz anders als ich denke. Nämlich Herr Xaver Schluckebier, der die Porzellanbrigitte vorübergehend mit dem Verkauf betraut hat, macht Anstalten, zu uns herüberzuwatscheln.

      »Man ist verraten, meine Herren, wenn man ein solches Lumpenstück von Tochter hat. Keinen Geschäftsgeist, keinen Funken Dispositionstalent. Ganz wie ihre Mutter, Gott hab sie selig und schenke ihr die – – Donnerkeil, was sehe ich? Harras! Du dreimal elende Hundeseele!«

      Der Hund duckt sich an meine Seite und versucht, sich unsichtbar zu machen.

      »Das Vieh geht seine eignen Wege. Wir sind ihm nicht vornehm genug. Am besten, man füllt ihn in Därme.«

      Herr Schluckebier, im übrigen dank des guten Geschäftes wohlgelaunt und in einer fettig derben Stimmung, begibt sich mit Hurrle ins Gasthaus zum Ochsen, und ich werde beauftragt, mit Brigitte beim Porzellan zu bleiben, um etwaige Kundschaft noch zu befriedigen.

      »Um sieben Uhr ist Ladenschluß,« setzt Herr Schluckebier vorm Abwatscheln noch fest, »dann kommt ihr alle in den Ochsen.«

      Das ist mir gerade recht. Ich sehe sie dort schon auf der Kiste hocken, sie hat die Beine übereinandergeschlagen und pfeift wie eine Schwarzamsel. Da gehe ich also hinüber und Lohengrin kommt mit; er legt sich längelang unter den Wagen ins Packmaterial und gähnt.

      »Schöne Schwarzamseln gibt's hier,« spotte ich sie an.

      »An Galgenvögeln fehlt's auch nicht.«

      »Ich soll hier helfen, Porzellan verkaufen.«

      »Da werden wir bald reiche Leute sein.«

      Es kommt nur eine alte Frau, gafft und zieht manchmal die Nase hoch.

      »Taschentücher gibt's hier keine,« sagt die freche Porzellanbrigitte und wippt mit den Beinen.

      Dann leert sich allmählich der Marktplatz. Rauch steigt aus den Schornsteinen. Kühe und Schweine werden eingetrieben. Bauernfuhrwerke mit müden, fliegengeplagten Kühen und Pferden rumpeln nach Hause.

      »Brigitte, es wird Abend.«

      »Du merkst aber auch alles. Komm, wir hocken uns in den Wagen. Im Wagen sind Heu und Schatten. Komm in den Wagen, dort kannst du mir was vorschwindeln.«

      Wir kriechen bei Gott in den Wagen hinein; sie voran und so, daß ich ihre Beine sehe und feststellen muß, daß sie ein Loch im Strumpf hat. Aber seidene Strümpfe müssen es sein, auch wenn sie verlöchert sind. Oh, du liebe höllische Schlampe du!

      Es ist zum Kranklachen, wie wir hier im Wagen hocken, eng beisammen und bei einer warmen Heutemperatur. Um uns sind Porzellanwaren gestapelt, Teller und Tassen und Töpfe, verstaubt und mit Verkaufspreisen beschmiert, eine zerbrechliche Gesellschaft, die bei jeder Bewegung klappert und klirrt.

      »Setz dich nur näher zu mir, ich habe keine Angst vor solchen Hasen, wie du einer bist.«

      »Du hast übrigens ein sichtbares Loch im Strumpf,« entgegne ich.

      »Loch? Wo?«

      »Überm Knie am rechten Bein.«

      Sie streift den gelben Flitsch hoch und fahndet nach dem Loch.

      »Hier!« sage ich und deute mit dem Finger darauf.

      »Hände weg.«

      Mit dem Zeigefinger bohrt sie in das Loch und macht es noch größer.

      »Sonst sind es wirklich feine Strümpfe. Richtige Porzellanbrigittenstrümpfe.«

      »Du Narr! Ich will dir mal was sagen: du siehst gar nicht aus wie ein Chausseehase.«

      »Wieso, bitte?«

      »Ganz anders siehst du aus. Laß dich mal richtig angucken. Na, übertrieben schön bist du ja nicht – –«

      »Du auch nicht.«

      »Das war jetzt geistreich. Und schmeichelhaft; du bist ein Kavalier.«

      »Wieso ich kein Chausseehase bin, willst du mir sagen.«

      »Weil du nicht gerissen bist. Dich möchte ich doch an allen Ecken und Enden übers Ohr hauen.«

      »Na, na!«

      »O was glaubst du! Ich kann dir das schnell beweisen.«

      »Bitte!«

      »Hol' mal deine Wanderpapiere vor.«

      »Fällt mir nicht ein.«

      »Du sollst sie mal zeigen. Nimm an, ich sei ein Blechkopp.«

      »Fällt mir nicht ein, sage ich!«

      »Weil du gar keine hast! Ha ha ha ha!«

      »Keine habe? Da bist du verdammt im Irrtum.«

      »Du hast keine Fleppe, sage ich dir!«

      »Warum soll ich keine Fleppe haben?«

      »Weil ich sie dir vor zwei Minuten aus der Tasche gestohlen habe, und du hast's gar nicht gemerkt. Ho ho hoo!«

      Sie greift ins Heu, zieht meine Papiere hervor und wedelt mir damit vor der Nase herum. Beim Neungeschwänzten, sie hat mir die Papiere geklaut, und ich habe es nicht gemerkt. Dieses Rabenaas; dieser Teufelsbraten. Das Feuer springt ihr buchstäblich aus den Augen.

      »Hab' ich dir nicht gesagt, daß ich dich spielend übers Ohr haue? Wetten, daß ich dir 's Hemd ausziehe, ohne daß du's merkst. Du Äffchen, du kleines, liebes.«

      Sie beißt die Zähne aufeinander und faucht mich an. Ich denke, es ist Zeit, daß du zupackst und sie zur Vernunft oder Unvernunft zwingst. Greife nach ihr und will sie ein wenig in die Arme nehmen, da ist sie schon unter mir fortgeschlüpft, nimmt einen bemalten Topf und stülpt ihn mir auf den Kopf.

      »Das wär' grad ein Hut für dich.«

      Ich will natürlich den schönen Suppentopf nicht zerschlagen, und so sitze ich eine Weile mit dieser zweifelhaften Kopfbedeckung da, und der liederliche Fetzen lacht, daß die Teller zittern.

      »Nimm mir das Gefäß vom Kopf!« befehle ich.

      Sie zerrt ihn herunter, jongliert damit in der Luft herum und wirft ihn ins Heu.

      »Zertrampeln könnte ich ihn; zertrampeln. Weil er auf deinem dummen Kopf war.«

      »Wenn du mich beleidigst, suche ich das Weite.«

      Sie beugt sich jetzt nahe zu mir, betrachtet mich genau und lacht mir mit einer furchtbaren Frechheit ins Gesicht. Dann wird sie auf einmal viel stiller, lehnt sich gegen die Wagenwand und bläst die verzottelten Haare aus dem Gesicht.

      »Wo bist du mir nur begegnet, Brigitte?«

      »Im Mond!«

      »Vielleicht in einem Traum.«

      »Gewäsche.«

      »Ich muß es herausfinden.«

      Da führt sie den Zeigefinger zum Mund und sagte leise: »Daß du's nur weißt: um mich ist ein Geheimnis.«

      Sie lehnt sich zurück ins Heu und schließt die Augen. Eine prachtvolle Gelegenheit, denke ich, eine wirklich prachtvolle Gelegenheit, um sie zu küssen. Aber die Augen sind schon wieder offen.

      »Sympathisch bist du mir nicht,« sagt sie und zieht die Knie an den Leib.


Скачать книгу