Gesellschaftsspiele. Florian Malzacher

Gesellschaftsspiele - Florian Malzacher


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      Florian Malzacher, Gesellschaftsspiele

      Florian Malzacher ist Kurator, Autor und Dramaturg. 2006–2012 war er Leitender Dramaturg/Kurator des interdisziplinären Festivals steirischer herbst in Graz, 2013–2017 Künstlerischer Leiter des Impulse Theater Festivals. Er ist Herausgeber zahlreicher Publikationen zum Theater, zum Verhältnis von Kunst, Aktivismus und Politik sowie zum Kuratieren performativer Künste. Unter anderem erschienen von ihm (mit)herausgegebene Bücher zur Arbeit der Theaterkompanien Forced Entertainment, Rimini Protokoll und Nature Theater of Oklahoma sowie Truth is concrete. A Handbook for Artistic Strategies in Real Politics (2014), Not Just a Mirror. Looking for the Political Theatre of Today (2015) und Empty Stages, Crowded Flats. Performativity as Curatorial Strategy (2017).

      Florian Malzacher

      GESELLSCHAFTSSPIELE

      Politisches Theater heute

      Originalausgabe

      © by Alexander Verlag Berlin 2020

      Alexander Wewerka, Fredericiastr. 8, D–14050 Berlin

      www.alexander-verlag.com | [email protected]

      Alle Rechte vorbehalten.

      Schlussredaktion: Christin Heinrichs-Lauer

      Dank an Olivia Hotz und Carla Tiedt.

      Satz/Layout/Umschlag: Antje Wewerka

      ISBN 978-3-89581-531-7 (eBook)

      INHALT

       Prolog

       Repräsentation

       Krisen der Repräsentation

       Regietheater und frühes postdramatisches Theater

       Die Politik und das Politische

       Anthropozän, Animismus und Post-Humanismus

       Zitternde Androide, schwitzende Avatare

       Identitätspolitiken

       Begriffsunterwanderungen und Kleinstgruppenlobbies

       Privilegien und Sprechverbote

       Beleidigte Beleidiger

       Stolpern und Stottern

       Partizipation

       Konfrontation und Fürsorge

       Safe Spaces, Brave Spaces

       Teilhabe hinter den Kulissen

       Immersion: Partizipation als Unterwerfung

       Kunst und Aktivismus

       Mittel und Zweck

       Falsche Nachrichten

       Haltungsdruck

       Theater als Versammlung

       Performative Versammlungen

       Parlamente, Gipfeltreffen, Gerichtssäle

       Preenactments

       Wissen versammeln

       Wenn Realismus zur Realität wird

       Epilog

       Anmerkungen

       Namensliste

       Dank

      »Kunst ist kein Spiegel,

      den man der Wirklichkeit vorhält,

      sondern ein Hammer,

      mit dem man sie gestaltet.

      (Marx, Brecht oder Majakowski)1

      PROLOG

      Die einen schreien sich mit roten Gesichtern an, andere versuchen in eindringlichem Ton, die zahlreichen Zaungäste zu überzeugen: Ihr Land ist von Fremden überrannt, ihre Kultur in Gefahr, ihre Familien, ihre Identität. Ein alter Mann schwenkt mit feuchten Augen eine Zeitung, die seine Befürchtungen in Großbuchstaben zur Schlagzeile macht. Eine Handvoll koreanischer TouristInnen beobachtet ratlos das seltsame Spektakel: Das »kleine Österreich« gegen den Rest der Welt.

      Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Christoph Schlingensief seine längst legendäre Containerinszenierung Bitte liebt Österreich! (2000) mitten im Zentrum von Wien, direkt neben der Oper, landen ließ. Gerade erst hatte der konservative Kanzler Wolfgang Schüssel seinen Teufelspakt mit dem rechten Demagogen Jörg Haider und dessen FPÖ geschlossen. Die anderen EU-Länder diskutierten Sanktionen gegen den Mitgliedsstaat Österreich, und Österreich diskutierte über die Grenzen des Landes, die Grenzen der Demokratie und die Grenzen der Kunst. Die Welt schaute zu.

      Vor diesem Hintergrund und unter dem leuchtenden Banner »Ausländer raus!« inszenierte Schlingensief eine reality show mit realen Asylsuchenden. Sechs Tage lang beherbergten die Container eine Gruppe ImmigrantInnen, die mittels Überwachungskameras im Internet rund um die Uhr beim Leben beobachtet werden konnten, während die österreichische Bevölkerung eingeladen war, einen nach der anderen aus dem Land zu wählen.

      Der Skandal war enorm: Konservative fühlten sich durch die Parodie ihrer eigenen Argumente diffamiert; Linke waren verärgert über die aus ihrer Sicht zynische Zurschaustellung menschlichen Leids


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