Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland

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an die Bordsteinkante und brach dort plötzlich ab. „Ein cremefarbener GM-Van, eine alte Schüssel ...‟ Ich wandte mich an Leslie, der schon am Funkgerät seines Dienstwagens hing. „Sie sollen nach einem cremefarbenen GM-Van suchen!‟

      55

      Etwa zweihundert Meter vor der Straße, in der die Wohnung der Verurteilten lag, sah Ismael eine junge Frau mit einem Kinderwagen. Sie mühte sich ab, das sperrige Ding eine Treppe hochzuziehen. „Ich helfe Ihnen, Ma′am.‟

      Ismael packte das Kopfteil des Wagens und half der Mutter. Die beäugte ihn zunächst misstrauisch. Dann glätteten sich ihre Züge. „Danke, vielen Dank.‟ Sie schloss die Haustür auf und zog den Wagen ins Treppenhaus. „Danke ...‟

      Ismael sah sich um. Kein Mensch beobachtete ihn. Er drängte sich ins Treppenhaus. Mit dem Kolben der Uzi schlug er auf die Frau ein. Solange, bis sie ohnmächtig zusammenbrach. Er riss sich den Mantel vom Leib und warf ihn auf die reglose Frau. Auch seinen Hut schleuderte er ins Treppenhaus.

      Dann steckte er die Uzi zu dem schlafenden Säugling in den Wagen und trug ihn zurück auf die Straße. Fünf Minuten später bog er um die Hausecke.

      Vor dem Haus, in dem die Verurteilte wohnte, sah er sie. Vier Männer vor offenen Wagentüren. Die Frau hockte auf der untersten Stufe der Vortreppe und verbarg ihr Gesicht in den Händen.

      Ismael verlangsamte seinen Schritt. Die Männer rückten näher. Einer saß im Wagen und sprach in ein Mikrophon. Einer wandte ihm den Rücken zu und stützte sich aufs Wagendach auf. Der Mann, mit dem die Verurteilte vorhin das Haus betreten hatten. Die anderen beiden unterhielten sich miteinander.

      Meter um Meter näherte sich Ismael der Gruppe. Der Mann, der ihm den Rücken zuwandte, stieß sich plötzlich vom Wagendach ab und drehte sich um. Ihre Blicke begegneten sich kurz. Ismael beugte sich über den Kinderwagen und griff nach der Uzi. Er murmelte ein islamisches Kindergebet und spitzte die Lippen, als würde er mit dem Kind reden. Der Säugling schlug die Augen auf.

      Der Mann hatte keinen Verdacht geschöpft. Er ging zu der Frau an der Treppe und beugte sich zu ihr hinunter. Zwanzig Schritte war Ismael noch von der Gruppe entfernt. Fünfzehn Schritte, zehn Schritte. Der Säugling fing an zu plärren. Ismael blieb stehen und beugte sich über den Wagen. Entschlossen griff er nach der Uzi ...

      56

      „Ich glaube, wenn das alles hier vorbei ist, brauche ich auch einen Shrink‟, seufzte Sharon.

      „Du brauchst keinen Psychoarzt, du brauchst Urlaub.‟ Ich ging vor ihr in die Hocke. „Ich fahr mit dir, wohin du willst. Ans Ende der Welt, wenn du darauf bestehst.‟ Zärtlich streichelte ich ihre Wangen. Ich wusste, dass meine Kollegen uns beobachteten. Es war mir egal. Außerdem war ich sicher, dass sie mich verstehen würden.

      Sharon nahm die Hände vom Gesicht und lächelte. „Das würdest du tun?‟

      „Das würde ich tun.‟ Hinter mir hörte ich Clives Stimme aus dem Funkgerät schnarren. Von fern näherten sich Polizeisirenen.

      „Schön‟, flüsterte Sharon. Sie küsste mich auf die Stirn. „Also – dann wünsche ich mir, dass wir nach ...‟ Sie unterbrach sich mitten im Satz. Ihre Augen weiteten sich. Und dann ging alles sehr schnell.

      Sharon schrie laut auf. Sie gab mir einen Stoß, der mich nach hinten auf den Bürgersteig schleuderte. Aus den Augenwinkeln sah ich Milo und Jay nach ihren Waffen greifen. Ein Schatten flog auf mich zu – bäuchlings prallte Sharon auf mich. Eine Schusssalve peitschte über die Straße, und danach drei einzelne Schüsse.

      Ich hörte Schuhsohlen über den Asphalt knallen, ich hörte Handschellen klicken. Als ich mein Gesicht von Sharons Haar befreit hatte und den Kopf nach hinten wenden konnte, sah ich Milo und Jay auf einem Mann knien. Ein Säugling schrie.

      „Geh runter, Sharon – es ist vorbei.‟ Sie antwortete nicht. „Sharon?‟ Meine Stimme zitterte plötzlich. Neben mir tauchte Leslie auf. Er ging vor uns in die Hocke und drehte Sharons Körper von mir herunter. „Sharon ...‟ Meine Stimme brach.

      „Jesse ...‟ Das helle T-Shirt über ihrer Brust war blutgetränkt.

      „Sharon!‟ Ich beugte mein Ohr zu ihren Lippen herunter.

      „Es ... es wäre ... schön gewesen ... Jesse, so schön ...‟ Ich presste sie an mich. Tränen drückten mir den Hals zu.

      Ich glaube, als Leslie ihr die Augen schloss, heulte ich wie ein kleiner Junge. „Sie hat dir das Leben gerettet, Jesse ...‟, krächzte Leslie.

      57

      Drei Tage später. Kaffeeduft hing über dem Konferenztisch des Chefzimmers. Wie aus einer anderen Welt kroch er in meine Nase. Auch die Stimmen der anderen schienen aus einem Film zu mir zu dringen. Ich hatte seit über sechzig Stunden kein Auge zugemacht.

      Von allen Seiten spürte ich die besorgten Blicke meiner Kollegen. Und meines Chefs.

      „Ein Schuss hat den Kinderwagen glatt durchschlagen‟, sagte Jonathan McKee. „Der Kleine muss einen Schutzengel gehabt haben. Seine Mutter ist heute aus der Klinik entlassen worden.‟

      „Und Mussa?‟ Milos Stimme neben mir. Ich sah, dass er eine Karte zwischen den Fingern drehte.

      „Wird noch ein paar Wochen in der Klinik verbringen müssen. Und den Rest seines Lebens hinter Gittern „, sagte der Chef. „Aber der Scheich in London ist gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt worden.‟

      „Wie geht es Ihnen, Jesse?‟ Ich sah auf und blickte in die bekümmerte Miene meines Chefs. Natürlich wusste er, was zwischen mir und Sharon gewesen war. Alle wussten es.

      „Ich kann die Frage nicht beantworten, Sir‟, sagte ich. „Ich fühle mich leer. Wie ausgebrannt.‟ Milo legte die Karte vor sich auf den Tisch.

      Der Chef nickte langsam.


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