Schach von Wuthenow. Theodor Fontane

Schach von Wuthenow - Theodor Fontane


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      Theodor Fontane

      Schach von Wuthenow

      Erzählung aus der Zeit des Regiments Gensdarmes

      Covergestaltung: Olga Repp

      Illustrationen: Gunter Pirntke

      2017 andersseitig.de

      ISBN

      9783961182909 (ePub)

      9783961182916 (mobi)

      andersseitig Verlag

      Dresden

      www.andersseitig.de

      [email protected]

      (mehr unter Impressum-Kontakt)

      Inhalt

       Impressum

       Erstes Kapitel: Im Salon der Frau von Carayon

       Zweites Kapitel: »Die Weihe der Kraft«

       Drittes Kapitel: Bei Sala Tarone

       Viertes Kapitel: Im Tempelhof

       Fünftes Kapitel: Victoire von Carayon an Lisette von Perbandt

       Sechstes Kapitel: Bei Prinz Louis

       Siebentes Kapitel: Ein neuer Gast

       Achtes Kapitel: Schach und Victoire

       Neuntes Kapitel: Schach zieht sich zurück

       Zehntes Kapitel: »Es muß etwas geschehn«

       Elftes Kapitel: Die Schlittenfahrt

       Zwölftes Kapitel: Schach bei Frau von Carayon

       Dreizehntes Kapitel: »Le choix du Schach«

       Vierzehntes Kapitel: In Wuthenow am See

       Fünfzehntes Kapitel: Die Schachs und die Carayons

       Sechzehntes Kapitel: Frau von Carayon und der alte Köckritz

       Siebzehntes Kapitel: Schach in Charlottenburg

       Achtzehntes Kapitel: Fata Morgana

       Neunzehntes Kapitel: Die Hochzeit

       Zwanzigstes Kapitel: Bülow an Sander

       Einundzwanzigstes Kapitel: Victoire von Schach an Lisette von Perbandt

      In dem Salon der in der Behrenstraße wohnenden Frau von Carayon und ihrer Tochter Victoire waren an ihrem gewöhnlichen Empfangsabend einige Freunde versammelt, aber freilich wenige nur, da die große Hitze des Tages auch die treuesten Anhänger des Zirkels ins Freie gelockt hatte. Von den Offizieren des Regiments Gensdarmes, die selten an einem dieser Abende fehlten, war nur einer erschienen, ein Herr von Alvensleben, und hatte neben der schönen Frau vom Hause Platz genommen unter gleichzeitigem scherzhaftem Bedauern darüber, daß gerade der fehle, dem dieser Platz in Wahrheit gebühre.

      Beiden gegenüber, an der der Mitte des Zimmers zugekehrten Tischseite, saßen zwei Herren in Zivil, die, seit wenig Wochen erst heimisch in diesem Kreise, sich nichtsdestoweniger bereits eine dominierende Stellung innerhalb desselben errungen hatten. Am entschiedensten der um einige Jahre jüngere von beiden, ein ehemaliger Stabskapitän, der, nach einem abenteuernden Leben in England und den Unionsstaaten in die Heimat zurückgekehrt, allgemein als das Haupt jener militärischen Frondeurs angesehen wurde, die damals die politische Meinung der Hauptstadt machten, beziehungsweise terrorisierten. Sein Name war von Bülow. Nonchalance gehörte mit zur Genialität, und so focht er denn, beide Füße weit vorgestreckt und die linke Hand in der Hosentasche, mit seiner Rechten in der Luft umher, um durch lebhafte Gestikulationen seinem Kathedervortrage Nachdruck zu geben. Er konnte, wie seine Freunde sagten, nur sprechen, um Vortrag zu halten, und – er sprach eigentlich immer. Der starke Herr neben ihm war der Verleger seiner Schriften, Herr Daniel Sander, im übrigen aber sein vollkommener Widerpart, wenigstens in allem, was Erscheinung anging. Ein schwarzer Vollbart umrahmte sein Gesicht, das ebensoviel Behagen wie Sarkasmus ausdrückte, während ihm der in der Taille knapp anschließende Rock von niederländischem Tuche sein Embonpoint zusammenschnürte. Was den Gegensatz vollendete, war die feinste weiße Wäsche, worin Bülow keineswegs exzellierte.

      Das Gespräch, das eben geführt wurde, schien sich um die kurz vorher beendete Haugwitzsche Mission zu drehen, die, nach Bülows Ansicht, nicht nur ein wünschenswertes Einvernehmen zwischen Preußen und Frankreich wiederhergestellt, sondern uns auch den Besitz von Hannover noch als »Morgengabe« mit eingetragen habe. Frau von Carayon aber bemängelte diese »Morgengabe«, weil man nicht gut geben oder verschenken könne, was man nicht habe, bei welchem Worte die bis dahin unbemerkt am Teetisch beschäftigt gewesene Tochter Victoire der Mutter einen zärtlichen Blick zuwarf, während Alvensleben der schönen Frau die Hand küßte.

      »Ihrer Zustimmung, lieber Alvensleben«, nahm Frau von Carayon das Wort, »war ich sicher. Aber sehen Sie, wie minos- und rhadamantusartig unser Freund Bülow dasitzt. Er brütet mal wieder Sturm. Victoire, reiche Herrn von Bülow von den Karlsbader Oblaten. Es ist, glaub ich, das einzige, was er von Österreich gelten läßt. Inzwischen unterhält uns Herr Sander von unseren Fortschritten in der neuen Provinz. Ich fürchte nur, daß sie nicht groß sind.«

      »Oder sagen wir lieber, gar nicht existieren«, erwiderte Sander. »Alles, was zum welfischen Löwen oder zum springenden Roß hält, will sich nicht preußisch regieren lassen. Und ich verdenk es keinem. Für die Polen reichten wir allenfalls aus. Aber die Hannoveraner sind feine Leute.«

      »Ja, das sind sie«, bestätigte Frau von Carayon, während sie gleich danach hinzufügte: »Vielleicht auch etwas hochmütig.«

      »Etwas!« lachte Bülow. »Oh, meine Gnädigste, wer doch allezeit einer ähnlichen Milde begegnete. Glauben Sie mir, ich kenne die Hannoveraner seit lange, hab ihnen in meiner Altmärker-Eigenschaft sozusagen von Jugend auf über den Zaun gekuckt und darf Ihnen danach versichern, daß alles das, was mir England so zuwider macht, in diesem welfischen Stammlande doppelt anzutreffen ist. Ich gönn ihnen deshalb die Zuchtrute, die wir ihnen bringen. Unsere preußische Wirtschaft ist erbärmlich, und Mirabeau hatte recht, den gepriesenen Staat Friedrichs des Großen mit einer Frucht zu vergleichen,


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