Manipulative Werbetexte. Roth Jay Timothy
section>
Manipulative Werbetexte
Ein praktischer Ratgeber zur Erkennung und Benennung von beeinflussenden Methoden
von Roth Jay Timothy
Kapitel 1
Einleitung
Die industrialisierte Welt, in der wir 2020 leben, wird immer häufiger von Werbebotschaften durchzogen, die darauf ausgelegt sind, sich subtil an das Unterbewusstsein der Konsumenten und Konsumentinnen zu richten. Befeuert vom Wunsch nach geldwertem Eigentum schießen Startups wie Pilze aus dem Boden. Oftmals verschleudern Firmen ihre Werbebudgets in astronomischen Größen. Gleichzeitig wird jedoch die Methodik bei vielen Unternehmen auch immer ausgefeilter und tiefgründiger. Das Wissen über Optimierungsprozesse wächst und hierdurch entwickelte sich mit der Zeit auch eine anhaltende Offenheit für mehr Automation und so wurde der Wunsch danach, die sich wiederholenden Arbeitsschritte durch Maschinen und Algorithmen zu ersetzen, bereits vielerorts in die Tat umgesetzt. Eine dieser sich wiederholenden Maßnahmen ist das Schreiben von Werbetexten. Eigentlich gilt das Schreiben von Werbebotschaften als ein recht kreativer Prozess mit vielen Freiheiten. Gleichzeitig ist das Schreiben von Werbetexten sehr zeitintensiv. Ebenfalls ist es kostspielig, spezielle Texte für viele unterschiedliche Zielgruppen zu schreiben (oder von einer Werbeagentur schreiben zu lassen) und damit eine passgerechte Streuung einer Kampagne zu erhalten. Durch die digitalen Medien, Internet of Things (IoT) und Erkenntnisse aus Studien der Forschung eröffnen sich seit relativ kurzer Zeit nun Mittel und Wege, persönliche Ansprachen Zielgruppen-gerecht zu erstellen und automatisch Inhalte zu generieren. In dieser Niederschrift wird es weniger darum gehen wie die Prozesse technisch umgesetzt werden können. Stattdessen werden einige Verfahren beschrieben mit denen Werbung in psychologischer Hinsicht an Zielgruppensegmente angepasst wird. Mögen die in diesem Buch aufgezeigten Techniken auch zur Verfassung von neuen Texten führen, ist es dennoch mein Ziel alle unmündigen Bürger*innen darüber aufzuklären, wie Werbung auf uns als Konsumenten zugeschnitten wird um zu gewünschten Handlungen zu überzeugen. In den meisten Fällen soll durch Werbung wohl zum Kauf animiert werden; es gibt jedoch auch politische Gründe, die zum Einsatz der hier besprochenen Methoden führen können. Im täglichen Leben erreichen uns eine Vielzahl an Marketing-Cues. Solche Botschaften können verschiedene Formen annehmen (Video, Bild, Ton). Um nicht zu weit auszuschweifen soll der Fokus im Folgenden auf textlichen Botschaften liegen.
Wie bereits festgestellt leben wir also alle mit der permanenten Beeinflussung. Dennoch sind die Methoden, die in der Werbung angewandt werden, den meisten Menschen kaum bekannt. Meist setzt es ein Studium voraus, um sich mit der Materie zu befassen und die gezielte Manipulation zu verstehen. Dabei werden die Techniken recht universell eingesetzt und sind damit für einen Großteil der Bevölkerung der industrialisierten Welt von Belang. Sollten Sie also dieses Buch begonnen haben und denken "das ist für mich sowieso nicht relevant", dann schenken Sie mir einfach den Glauben daran, dass Sie systematisch in ihrem Denken beeinflusst werden und lassen Sie es darauf ankommen.
Die Beeinflussung möglicher Kunden durch die Werbung ist der Treiber vieler globaler Konzerne und aller derjenigen, die ihre Werbebotschaften zu professionalisieren vermögen. Die Unternehmen sind davon abgerückt sich nur noch auf die Bäuche der Manager*innen zu verlassen. "Daten seien das neue Gold" heißt es in den Meetings des Alltags immer wieder. Und so stellt man die Verbraucher*innen in den Mittelpunkt und schafft ganze Welten für sie, damit sie sich preisgeben und Gewohnheiten entwickeln. So werden Kunden an die Marken gebunden und entwickeln aus sich heraus immer wieder den Wunsch danach, sich über Neuigkeiten ihrer favorisierten Brands zu informieren.
Jahrzehnte lang setzten sich diejenigen Unternehmen durch, die viel Erfahrung hatten und ihren Markt und Kundschaft gut kannten oder auch Feedback eingesammelt haben, um ihre Produkte und Services ständig zu verbessern. Hierdurch wurden Wertschöpfungsketten geschaffen, die für Millionen von Arbeitnehmer*innen die spätere Rente bedeuten und die nicht zuletzt darum zumeist nicht durchleuchtet oder gar öffentlich gemacht werden. Nun hat sich gleichermaßen zur Digitalisierung aber auch eine unbeschreibliche Gläsernheit der Verbraucher*innen ergeben. Die Konzerne sammeln Daten und segmentieren ihre Kundschaft in erheblichem Maße und das ebenfalls zumeist unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Was vor zehn Jahren noch mit dem Begriff "Persona" gelöst wurde ("wir haben da so eine bestimmte Vorstellung von unseren Kunden und stellen uns vor, dass sie Peter und Susi heißen"), wird jetzt aus dem Live-Datensatz abgelesen und in Real-Time-Dashboards veranschaulicht. Auf diese Weise lassen sich Potentiale errechnen und Mehrwerte durch fokussierte Marketinginvestitionen erzielen. So gelingt eine Monetarisierung der Daten, indem die Persönlichkeitsmerkmale der Kunden als Segmente umgesetzt werden und im Anschluss mit bestimmten Botschaften erreicht werden können. Das Marketing-Budget wird anschließend sehr viel gezielter eingesetzt. Man ist also den Weg von der allgemeinen Persona hin zur Personalisierung gegangen. Millionen von Verbraucher*innen haben von alledem jedoch nichts mitbekommen. Hin und wieder hört man in Gesprächen "mir wurde das heute Abend auf dem Handy angezeigt – dabei habe ich mich erst heute Morgen darüber unterhalten?! Die müssen wissen was ich gesagt habe". Die anderen sagen: „Perfekt! Jetzt werden mir nur noch Sachen angezeigt, die ich mag!“ Wie oft und wo wir unsere Interessen verraten, ist den allermeisten Menschen aber nicht bewusst. Zugegeben: es mag auch niemand dazu in der Lage sein zu jedem Zeitpunkt reflektiert und bedacht seine Außenerscheinung und Wahrnehmung durch andere zu kontrollieren. Dennoch ist es gut hin und wieder inne zu halten und die Meta-Ebene zu betreten. Dazu beschreiben die folgenden Seiten, welcher Zündstoff in der neuen Maschinerie steckt und wie die Automatisierung der Techniken gezielt und großflächig umgesetzt werden. Die hier niedergeschriebenen Darstellungen und Konstrukte basieren zumeist auf der persönlichen Erfahrung des Autors. Es handelt sich um Informationen aus der Praxis und dem beruflichen Umfeld. Daher werden Akademiker unter Umständen die Niederschrift detailliert hinterfragen können. Generell möchte ich Sie jedoch mit diesem Buch auch dazu aufrufen, die Welt zu hinterfragen, in der Sie leben. Prüfen Sie also genau ob die Inhalte dieses kurzen Buches mit ihren eigenen Vorstellungen und Erfahrungen übereinstimmen. Falls nicht, teilen Sie ihre Meinung zu diesem Buch, denn hierdurch wird der öffentliche Diskurs zu diesem Thema angeregt und vertieft.
Tauchen wir ein...
Kapitel 2
Von Kultur und Charaktereigenschaften
Menschen sind durch Kultur geprägt. Die Kultur definiert uns, unsere Epoche, unsere Generation. Sie ist es, die uns von den Tieren zu unterscheiden vermag. Aber wie manifestiert sich die Kultur bei uns Menschen? Eine spannende Frage mit vielen Antworten. Und die meisten Antworten, die ich in den letzten 30 Jahren gehört habe, haben diese Gemeinsamkeit: die Kultur der Menschen ist erlernt. Sie wird uns zumeist von unseren Eltern oder Erziehungsberechtigten vermittelt und ist kaum angeboren. "Die Füße kommen nicht auf den Tisch!" Die Kinder auf unserer Welt probieren alles aus, was sie nur können. Das gehört zu unserem Dasein dazu. Man könnte es auch ein immer wiederkehrendes Lernen nennen. Wir probieren etwas aus und schauen mal was passiert. Passiert es immer wieder auf die gleiche Weise, werden wir uns "sicherer", dass es auch wieder so passieren wird. Wir fangen an die Geschehnisse vorherzusagen. Das geschieht bereits, wenn wir etwas eigentlich noch gar nicht so oft getestet oder probiert haben. Fasst man als Kind an die heiße Heizung und es entsteht ein Schmerz, so wird dies sehr schnell zur Sicherheit führen, dass mit dieser Handlung ein Schmerz verbunden sein wird, wenn wir es denn wieder tun würden. Und die Häufigkeit der Versuche wird bei jedem Menschen unterschiedlich sein. Nun frage ich Sie nach einer komplizierten Handlung: Können Sie bitte dieses Wissen auf alle Erfahrungen abstrahieren, die Sie als Kind gemacht haben? Ich will erklären was ich meine. Es geht nicht nur darum, sich an die heiße Heizung zu erinnern und damit "zu verstehen" was das Konzept "heiß" bedeutet. Es geht darum alle ihre erlernten Konzepte zu aktivieren und sich kurz in Erinnerung zu rufen, dass in jeder Sekunde die erlernten Muster zu Entscheidungen führen. Legen Sie das Konzept "Backofen" auf den Tisch, und das Konzept "Kühlschrank". Wie viele Male haben wir als Kind eine Tür "auf" und "zu" gemacht? So oft, bis sich ein Konzept daraus entwickelt hat. Eine Sicherheit, die uns dazu in die Lage versetzt zu sagen: "Ja, die Tür ist gerade offen! Da bin ich mir sicher." Oder auch: "Wenn du mit der Hand an die Heizung fasst, so wirst du dir wehtun!" Tatsächlich tragen wir alle sehr viele Konzepte mit