Die Väter haben Herlinge gegessen. Gustav Wied
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Die Väter haben Herlinge gegessen
Gustav Wied
Inhalt:
Gustav Wied – Biografie und Bibliografie
Die Väter haben Herlinge gegessen
Nacht. In der Villa Seemann.
Die Väter haben Herlinge gegessen, Gustav Wied
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849639846
www.jazzybee-verlag.de
Gustav Wied – Biografie und Bibliografie
Dänischer Schriftsteller, geboren am 6. März 1858 in Holmegaerd, Nakskov, verstorben am 24. Oktober 1914 in Roskilde. Wied war der Sohn eines wohlhabenden Gutsbesitzers, der sich in den verschiedensten Berufen versuchte, bis er sich 1890 als freischaffender Schriftsteller niederließ. Seine Erzählungen sind von skurrilem Humor aber auch ätzender Satire geprägt, mit denen er die Menschen seiner Heimat schilderte. Wied thematisierte in seinem Werk sein kritisches Verhältnis zur Gesellschaft, welches von einem tiefen Pessimismus begleitet wird. Am 24. Oktober 1914 tötete sich Gustav Johannes Wied in Roskilde.
Wichtige Werke:
Dansemus (1905)
Knagsted (1902)
Livsens ondskab (1899)
Slægten (1898)
Der Text ist unter der Lizenz „Creative Commons Attribution/Share Alike“ verfügbar; zusätzliche Bedingungen können anwendbar sein, und ist im Einzelnen zu finden unter http://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Wied
Die Väter haben Herlinge gegessen
Georg Brandes in Bewunderung und Freundschaft
Man füttere seine Karauschen
und mache seinen Whisky stärker
Auftakt
Grausamer Isidor, weshalb saßest Du die ganze Zeit bei Mutter und plaudertest mit ihr? Merktest Du nicht, daß ich die ganze Zeit vom Fenster aus zu Dir hinüberblickte und immer bleicher wurde, nur vor Sehnsucht, wie eine kleine, kranke Blume, die nach der Sonne verlangt? Ich liebe Dich, Vetter Isidor, ich liebe Dich, daß ich schreien könnte! Weißt Du, was ich des Abends tue, wenn ich ins Bett komme? Ich nehme das Taschentuch, das Du neulich draußen im Entré verlorest und nicht wiederfinden konntest und lege es über mein Gesicht und träume von Dir bis ich einschlafe, es riecht so wundervoll nach Deinem Parfüm, und nun habe ich mir beim Kolonialwarenhändler Ingerslev selbst eine Flasche Violette Russe gekauft.
Ach, kleiner süßer, lieber Vetter Isidor, wenn Du zu uns auf Besuch kommst, dann ist es als ob die Sonne schiene, und ich könnte ruhig die ganze Zeit auf einem Schemel zu Deinen Füßen sitzen und Dich ansehen, ohne müde zu werden; aber das darf ich ja nicht, da Du verheiratet bist. Die Mädels machen sich über mich lustig, weil ich so gern von Dir sprechen möchte, aber nun nenne ich Deinen Namen nie mehr und wenn ich es gar nicht lassen kann, dann gehe ich in eine Ecke und spreche ganz leise vor mich hin: "Isidor, ich liebe Dich!" Und manchmal, wenn Türk und ich unten in meinem Häuschen sind, dann spreche ich laut von Dir, und ich glaube, Türk versteht mich, denn er sieht mir betrübt in die Augen, und dann weine ich, und er leckt mich über das Gesicht; was mache ich mir daraus, ob ich Bandwürmer bekomme; ich würde gerne krank werden und sterben, denn dann würden Dir die andern wohl mein Tagebuch senden, und Du würdest mit Liebe an Deine kleine S. denken, deren Herz gebrochen ist. Aber um eines will ich Dich bitten, Isidor, und das ist, daß Du kein ulkiges Bild von mir zeichnest mit brennendem Herzen oder so etwas darauf, wie Du es immer tust, denn ich liebe Dich so treu, glaube mir, daß man sich darüber nicht lustig machen darf, und kannst Du es nicht lassen, mich zu zeichnen, Isidor, willst Du mir dann vor Gottes Angesicht geloben, es nicht den Schwestern zu zeigen? Ach wie gerne möchte ich doch richtig krank werden, denn dann würde Dir Rositta wohl erlauben, an meinem Bett zu sitzen und meine Hand zu halten, wenn ich sterben müßte, denn darauf kannst Du Dich verlassen, wenn Rositta krank würde und stürbe, und Du Dich dann mit mir verheiratest, dann würde ich Euren Kindern wohl eine gute Mutter sein und ich würde alle Tage mit ihnen auf den Kirchhof gehen und ihnen von ihr erzählen; aber unsere höchsten Wünsche werden ja hier in dieser traurigen Welt niemals erfüllt. Leb' wohl, süßer, kleiner, geliebter Vetter Isidor, nun wollen ich und Türk ein bißchen unten im Strandwald spazieren gehen.
Dein bis in den Tod
S.
Es ist wahr, als Du gegangen warst, legte Mutter die Karten, um zu sehen, ob ich den bekäme, den ich auf der ganzen Welt am liebsten hätte; aber ich bekam ihn nicht. Du kannst mir's glauben, ich habe was geweint!
Natürlich hatte es Mutter auf meine Bitte getan, denn sie weiß natürlich gar nichts.
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Es war auf dem Rittergute Havslundegaard an einem Spätnachmittag im September.
Die vier Schwestern standen oben im großen Schlafzimmer der Gnädigen im ersten Stock hinter den Gardinen verborgen und lugten hinaus:
"Er kann es nicht! Er tut es nicht!" sagte Anna, die gegen ihre Gewohnheit Feuer und Flamme war.
"Doch, paß' auf, er tut es!" nickte Charlotte.
"Ja, aber er kann es doch nicht ... Mutters wegen!"
"Pah!" pustete Frederikke. "Was glaubst du, macht der sich daraus."
Aber die kleine fünfzehnjährige Sophie, die jüngste, die im Gegensatz zu ihren schlanken blonden Schwestern schwarzhaarig und dunkel war, trat bleich vor Zorn einen Schritt ins Zimmer zurück; ihre Hände waren geballt, und ihre braunen Augen funkelten.
"Tut er das," sagte sie, "so betrachte ich ihn nicht mehr als meinen Vater!"
"Ha! das wird er wohl ertragen können!" lachte Frederikke.
In