Eisejuaz. Sara Gallardo
Die argentinische Originalausgabe erschien 1971 unter dem Titel Eisejuaz bei Editorial Sudamericana in Buenos Aires.
Der Übersetzer dankt dem Deutschen Übersetzerfonds für die Förderung seiner Arbeit am vorliegenden Text.
Dieses Werk wurde im Rahmen des SUR-Programms zur Förderung von Übersetzungen des Außenministeriums der Republik Argentinien verlegt.
Obra editada en el marco del Programa SUR de Apoyo a las Traducciones del Ministerio de Relaciones Exteriores, Comercio Internacional y Culto de la Repùblica Argentina.
Die Übersetzung aus dem argentinischen Spanisch wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amtes unterstützt durch die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V. (litprom).
E-Book-Ausgabe 2020
© Herederos de Sara Gallardo
© 2017 für die deutsche Ausgabe:
Verlag Klaus Wagenbach, Emser Straße 40/41, 10719 Berlin
Covergestaltung Julie August.
Datenkonvertierung bei Zeilenwert, Rudolstadt.
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ISBN: 978 3 8031 4298 6
Auch in gedruckter Form erhältlich: 978 3 8031 3285 7
Die Begegnung
Ich hab zu dem Paqui gesagt:
»Sieh zu, dass du nicht stirbst. Am Abend komm ich und helf dir.«
In den Tagen hatte es viel geregnet, und die Lastwagen kamen nicht bis ins Dorf. Die Fahrer haben geflucht wegen dem Regen, sie haben geflucht wegen dem vielen Wasser.
Den Paqui kannte ich nicht. Ich hab geglaubt, er ist tot, so wie er im Schlamm lag.
Aber er hat gesagt:
»Dir könnte es auch mal so gehen.«
Ich bin nach Hause gegangen, auf die andere Seite vom Sägewerk von Pedro López Segura, da war ich Maschinist, als ich die Träume gehabt hab. Ich hab den Dampfkessel bedient, in der Zeit der Träume, lang ist das her. Ich bin nach Haus und hab mir gesagt: ›Ob das der ist, auf den ich warte?‹
Darum bin ich zurück:
»Sieh zu, dass du nicht stirbst. Am Abend komm ich und helf dir.«
Da hat ein Lastwagenfahrer gesagt:
»Unkraut vergeht nicht.«
Von ihm kam nichts. Wie tot hat er dagelegen. In all dem Dreck. Und ich bin nach Hause gekommen und habe zum Herrn gesagt: »Wenn es der ist, lass es mich wissen.« Drei-, zehn-, zwanzigmal hab ich gesagt: »Bitte, wenn es der ist, dann will ich es wissen.« Aber nichts ist passiert. Und der Regen hat auch nicht aufgehört. Ich hab den Fisch in den Topf gelegt, und nichts ist passiert. Ich musste schnell eine Arbeit machen, das hab ich getan. Dann bin ich den Paqui holen gegangen.
Die Fahrer standen vor dem Laden von Gómez, haben gewartet, dass der Regen vergeht. »Da kommt der Vega.« Ein anderer: »Suchst du ’n Schatz?« Nichts hab ich gesagt. Die Hängematte hatte ich mitgenommen, um ihn einzuwickeln, denn er konnte nicht gehen.
»Lebst du noch? Ich bin gekommen, um dir zu helfen.«
Nichts hat er gesagt.
»Lebst du noch? Ich bin gekommen, wie ich gesagt hab.«
Nichts hat er gesagt. Da hab ich gedacht, ich hab mich getäuscht, das ist nicht der, den der Herr schickt. ›Umso besser‹, hab ich zu mir gesagt, ›ist mir recht so.‹ Ich wollt mich schon freuen. Aber da hab ich gesehen, dass er ein Auge aufmacht, und dann hat er es wieder geschlossen. Da hab ich ihn in die Matte gewickelt und mir auf den Rücken geladen.
Alles war voll Schlamm. Ich bin hingefallen. Da hat der Mann sich beschwert. Und ich bin noch mal hingefallen. Da hat er sich nochmal beschwert. Da war ich voll Schlamm, voller Dreck. Als wir vor dem Laden von Gómez vorbei sind, haben die Lastwagenfahrer gesagt: »Da ist der Vega. Er hat sein’ Schatz gefunden.« Und zu Paqui: »Du Aas, fährst dahin wie ’n feiner Herr.«
Ich hab einen großen Umweg gemacht, damit ich nicht durchs Sägewerk musste, ich bin nach Haus gekommen, hab den Paqui abgesetzt, in die Ecke gelegt, die Fischsuppe gewärmt und dann mit dem Herrn gesprochen. Ich hab nicht gewusst, was ich sagen soll, ich hab bloß gesagt: »Hier bin ich, hier bin ich.«
In den Nächten hat es viel geregnet, die ganzen Tage hat es geregnet, keine trockenen Kleider gab’s mehr, gar nichts mehr hat es gegeben.
Paqui war kaputt, lahm und krank. Wie er heißt, hab ich nicht gewusst. Die Kleider hab ich ihm ausgezogen und sie ans Feuer gelegt. Die Kleider hab ich mir ausgezogen und sie ans Feuer gelegt. Aber durch die Tür ist Wasser ins Haus geflossen.
Er hat gesagt:
»Dir könnte es auch mal so gehen.«
Ich hab gesagt:
»Schmutzig bin ich geworden, jetzt bin ich nackt. Was willst du noch?«
Er hat gesagt:
»Schmutzig und nackt seid ihr alle. Wegen mir kannst du stocksteif hier liegen und dich vollmachen, Hunger haben und Staub fressen und dir einbilden, du besteigst eine Frau. Hörst du? So kann’s dir von mir aus ruhig gehen. Ja, so will ich dich sehen.«
»Hier bin ich, hier bin ich.« Ich hab dem Mann die Suppe gegeben, dann hat er in seiner Ecke geschlafen. Geschlafen, in seiner Ecke.
Und ich hab zum Herrn gesagt: »Lass nicht zu, dass ich es mir anders überlege.«
Am nächsten Tag sind die Lastwagen ins Sägewerk gekommen. Sie haben Zedernstämme gebracht und Quebracho, Lapacho, Palo santo, Pacará, Palo amarillo, Palo blanco, Maulbeerbaum, Johannisbrotbaum und Weihrauchbaum. Sie haben Bretter geladen und sind nach Salta gefahren.
An dem Tag schien die Sonne, und Mauricia Suárez ist mit den anderen Frauen zur Wasserstelle gekommen. Ich war schon da, um meinen Krug zu füllen. Da hat sie zu mir gesagt:
»Schlecht steht’s bei uns. Wann kommst du zurück?«
»Ich komm nicht zurück, Mauricia, das weißt du. Sag deinem Mann, er soll sich kümmern.«
»Mein Mann, der taugt nichts. Wann kommst du zurück?«
»Du weißt, ich kann nicht zurück. In das Lager geh ich niemals zurück. In die Mission geh ich niemals zurück.«
»Mir sterben alle, wenn du nicht wiederkommst.«
Ich hab mir die Ohren zugehalten und bin mit dem Wasser davon. Die Frauen haben gelacht. Da hab ich zum Herrn gesagt: »So viel böses Blut, wie lang soll das gehen? Wie lang noch?« Das habe ich wegen meinen Leuten gesagt, wegen dem Elend und mir und dem Schmerz.
Und Paqui in seiner Ecke, der hat bloß geschlafen. Ich hab mich gefragt: ›Hab ich den nicht schon mal irgendwo gesehen?‹
Ich bin Eisejuaz, Dieser Hier Auch, der, den der Herr gekauft hat, der mit dem langen Weg. Als ich mit dem Bus nach Orán bin, hab ich rausgeguckt und ich hab mir gesagt: ›Hier haben wir Rast gemacht, hier haben wir geruht.‹ Mein Vater, der gute Mann, meine Mutter, die muntere Frau, das Kind auf dem Rücken, hier sind wir vorbei, viele Kilometer zu Fuß, vom Pilcomayo her, wegen dem, was der Missionar gesagt hat. Auch meine zwei Brüder. Und ich, Eisejuaz, Dieser Hier Auch, der Stärkste von allen. Ich seh raus und sage: ›Hier haben wir Rast gemacht, hier haben wir geruht.‹ Einen Namen hatten die Orte damals noch nicht.
Doch ich hab diese Orte gesehen, als ich mit dem Bus nach Orán bin, um zum ersten Mal Rat zu erbitten, in der Zeit der Träume. Eines Tages aber bin ich nirgends mehr