Nice Girls. Louise Boije af Gennäs

Nice Girls - Louise Boije af Gennäs


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      Louise Boije af Gennäs

      Nice Girls

      Roman

      Aus dem Schwedischen

      von Gisela Kosubek

      Saga

      Für Sofie von Stapelmohr

      Ann-Marie Ödling

      Cecilia Stafsing

      Ihr gebt meinem Leben Sinn.

      And for Florence Yoo

      Kim Simon

      Robin Mackey

      »Keep on rockin’, girls ...

      Yeah, keep on rockin’ ...«

      ›Rose Garden‹

      »I could promise you things like big diamond rings

      But you won’t find roses growing in stocks of clover

      So you’d better think it over«

      1.

      Ein zerkratztes Exemplar der Greatest Hits von Stan Getz drehte sich auf dem Plattenteller und breitete einen behaglichen, romantischen Klangteppich um sie aus. Irgendwann, ganz woanders und vor ziemlich langer Zeit hatte eine von ihnen gesagt, zu dieser Platte lasse es sich besonders gut lieben. Jetzt ging es zwar nicht um Sex; aber dennoch.

      Es knallte und dampfte leicht um die geöffnete Champagnerflasche, als Stella den rauhen, widerspenstigen Korken endlich in der Hand hielt. Wie immer, wenn ihr etwas gelungen war, lief ihr das Wasser im Mund zusammen – ob es nun Korken in Flaschen, Pickel im Gesicht oder Splitter in braungebrannten Sommerfüßen betraf. Das Entscheidende war, etwas in den Griff zu kriegen, zu gewinnen, die Elemente zu besiegen.

      Sie zu besiegen.

      Es war ein rein physischer Genuß. Sie schluckte den Speichel hinunter.

      »Her mit den Gläsern«, schrie sie fröhlich, und sofort streckten ihr drei willige Hände hauchdünne, hohe Kristallgläser entgegen. Schäumend floß der Champagner hinein und drohte über den Rand zu gehen, doch Stella wußte genau, wie man es zu machen hatte.

      Schon als kleines Mädchen hatte sie es gelernt.

      »Wie geschlagenes Sperma«, sagte Catta mit ihrer heiseren Stimme und betrachtete leicht angeekelt den Schaum.

      Ein süßlicher Geruch hing über dem Tisch.

      »Du bist nicht normal«, sagte Lizzie ein wenig sauer, als sei der Kommentar eine Beleidigung an sie persönlich. »Zum Kuckuck, das ist immerhin Dom Perignon!«

      »Ach so, Domp, na dann«, erwiderte Catta ironisch.

      Immer wieder reagierte Catta genervt, wenn Lizzie solche Ausdrückte verwendete. »Zum Kuckuck.« »Um Himmels willen.« »Gott behüte.« »Donnerschlag.« Es war bäurisch und beknackt und zeugte von Lizzies fehlender sozialer Zugehörigkeit. Das konnte Catta die Wände hochgehen lassen. Zugleich schämte sie sich ihrer heftigen Reaktion.

      Woher rührte die, wenn nicht aus eigener Unsicherheit?

      Sie wehrte den Gedanken ebenso plötzlich ab, wie er gekommen war.

      »Nein, es gibt wohl keinen, der Domp im Schwanz hat«, fuhr sie statt dessen fort, sehr wohl wissend, wie niedrig Lizzies Toleranzniveau bei sogenannten unanständigen Wörtern war. »Nicht mal Frank oder Charlie, stimmt’s?«

      Lizzie gab keine Antwort. Sie lehnte sich nur auf dem Sofa zurück und betrachtete das Glas mit der hellgelben Flüssigkeit, betrachtete es intensiv. Es beschlug bereits. Die Flasche war gutgekühlt, fast aufgedunsen vor Kälte gewesen, als sie sie aus der Gefriertruhe genommen hatte, wo sie zwischen den sorgfältig geschnittenen und ebenso sorgfältig eingepackten Kalbfilets und Entrecotescheiben gelegen hatte. Lizzie öffnete ihre Gefriertruhe stets mit einem wohligen Gefühl; da drinnen gab es so viel Geborgenheit, so viele Verheißungen angenehmen Zusammenseins und der Gemeinsamkeit, so viele vorbereitete Gerichte, die zu zubereiteten Gerichten werden konnten, sobald sie es wünschte.

      Cattas Kommentar kümmerte sie nicht, solche Anwandlungen hatte Catta schon immer gehabt. Es war sinnlos, ihr zu antworten, wenn sie in der Stimmung war; vermutlich mußte sie sich selbst etwas beweisen. Anscheinend wollte sie gern aufrührerisch sein, wollte unanständige Wörter in den Mund nehmen können, trotz ihrer feinen Erziehung. Außerdem war schließlich Catta das Geburtstagskind, also hieß es, sich zusammenzureißen und den Ärger nicht anmerken zu lassen.

      Allerdings nervte es etwas, daß Gunvor einfach nur dasaß und über Cattas Kommentar lachte. Sie lachte ihr glückliches, blubberndes Lachen, das in Wellen aus der Magengrube aufwallte, ihr Tränen in die Augen trieb und den ersten Schluck Champagner in den falschen Hals setzte, so daß Stella ihr auf den Rücken klopfen mußte.

      »Kleine Sünden straft Gott sofort«, sagte Lizzie in strengem Ton zu Gunvor. »Wir haben noch nicht mal angestoßen, Gunni. Keine Extrawurst. Sieh dir das Geburtstagskind an!«

      Alle blickten zu Catta hinüber, die mit Lizzies elfenbeinfarbenen Sofakissen im Rücken dasaß. Das blonde Haar fiel ihr weich auf die Schultern im sahnefarbenen Seidenpyjama herab, und in der Hand hielt sie ein noch gänzlich unberührtes Sektglas. Catta sah aus, als könne nichts in der Welt sie erschüttern, als könne nichts diese kühle Schönheit stören, und sie war sich des Eindrucks, den sie vermittelte, wohl bewußt.

      Nichts konnte jedoch falscher sein, aber das brauchte sie ja wohl keinem auf die Nase zu binden?

      Probleme waren dazu da, daß man sie für sich behielt. Das Trio hier mußte doch nicht wissen, daß sie nachts nicht schlafen konnte, aus Sorge, wie es mit ihr weitergehen sollte? Sie hatten doch nichts mit ihr und ihrem Vater zu tun? Oder mit ihrer Beziehung zu Charlie und dem Fakt, daß er seine Familie nie verlassen würde? Oder damit, daß sie nicht mehr malen konnte? Sie hatte schließlich mehr als ein Jahr lang mit keinem dieser Mädels hier ein ordentliches Wort gesprochen, also wäre es ja wohl merkwürdig, jetzt damit anzufangen. Eine Geburtstagsfeier, kombiniert mit einem Wiedersehen, war kaum die richtige Gelegenheit für Klagelieder. Statt dessen lächelte Catta ein kühles, korrektes Zelluloidlächeln.

      Der Unterschied zwischen Catta und der armen Gunvor neben ihr, in ihrem schmutziggrauen Flanellschlafanzug, der die bleichen Wülste zwischen Jacke und Hose kaum verdeckte, war gewaltig. Gunvor, die mollige, reizende und leicht kurzatmige Gunvor, bei der eigentlich kein Kleidungsstück saß, wie es sollte; sie hätte sich möglichst weit von Catta wegsetzen sollen, und sie wußte es. Statt dessen suchte sie ihre Nähe, wie ein Hund die seines Herrchens, mit liebevollen braunen Augen, wohl wissend, daß die anderen, wenn sie in der Stimmung waren, sie stets aufzogen.

      Es kümmerte sie nicht.

      Wenn man nicht zeigen durfte, daß man jemanden mochte, was hatte es dann für einen Sinn, überhaupt zusammenzusein? Und zusammenzusein war wichtig. Es war wichtig, weil alles andere so schwer zu ertragen war – das Fehlen eines Liebsten, der verhaßte Job, ihre Unfähigkeit, sich den Stockholmer Kreisen anzupassen.

      Das einzige, von dem Gunvor wußte, daß sie es beherrschte, waren Freundschaftsbeziehungen. Also waren sie wichtig, wichtiger als alles andere.

      Lizzie, auf dem Platz der Gastgeberin ihnen gegenüber, so dicht an der Küche, daß sie rasch aufstehen und hinausgehen konnte, trug Franks großen, weißen Frotteemorgenrock über einem höchst gewöhnlichen Schlafanzug. Sie hatte ihn sorgfältig ausgesucht, einen ganz normalen Schlafanzug, damit sich die anderen in ihrer Gesellschaft wohl fühlten. Der modischere Spitzenpyjama, den ihr Frank geschenkt hatte, blieb beispielsweise in der Schublade liegen, nur damit sich Catta heute abend als die Eleganteste fühlen konnte. Auch der verschlissene Calidapyjama war verworfen worden, obwohl er für eine Pyjamaparty eigentlich genau das richtige war – doch besaß schließlich Gunvor in dem Quartett das Patent, reizend, ein wenig abgewetzt und täppisch wie ein Welpe zu sein.

      Lizzies Rolle war, genau in der Mitte zu liegen, so normal wie nur möglich zu sein. Deshalb die Wahl dieses Pyjamas.

      Über Stella hatte


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