Die kleine Fadette. George Sand

Die kleine Fadette - George Sand


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      Klappentext

      Franziska, die ›kleine Fadette‹, wie man sie nennt, ist ein 16-jähriges, burschikoses und etwas verwahrlostes Mädchen, das bei seiner Großmutter aufwächst, einer ›Kräuterhexe‹, wie die Leute im Dorf sagen. Fadette hat, wie es scheint, nicht viel zu bieten, denn die meisten unterschätzen ihren scharfen Verstand und ihr Einfühlungsvermögen in andere Menschen. Währenddessen wachsen, nicht weit entfernt, zwei Bauernburschen, Zwillinge, heran, die trotz allem an der Kleinen Interesse finden und schließlich sogar um sie konkurrieren. Wer der Sieger ist, steht bald außer Frage. Aber das Erstaunliche ist, was mit Fadette in dieser Zeit des Erwachsenwerdens geschieht: Aus ihrem etwas schmuddeligen unscheinbaren Leben steigt sie auf zur begehrenswerten jungen Frau. © Redaktion eClassica, 2020

      Über die Autorin: George Sand (1804–1876), eigentlich Amandine Aurore Lucile Dupin de Francueil, ist eine der bekanntesten und profiliertesten französischen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Sie heiratete schon sehr jung (mit 18 Jahren), doch ihr Mann behandelte sie autoritär und herablassend. Sie trennte sich und wurde im Jahre 1836 geschieden. Künftig tat sie alles dafür, nie wieder von einem einzelnen Mann abhängig zu werden. Die Liste ihrer temporären Lebensgefährten liest sich wie das ›Who is Who‹ der künstlerischen Elite Frankreichs im 19. Jahrhundert. – Die Vielschreiberin war Zeit ihres Lebens ihren männlichen Kollegen (und Liebhabern) an literarischer Produktivität überlegen. Schon in jungen Jahren war ihr ein eigener Lexikoneintrag (hier im eBook enthalten) gewidmet. George Sand gilt wegen ihres unorthodoxen Lebensstils und ihrer einschlägigen Werke als Vorreiterin und Ikone der Frauenbewegung.

      Lesen Sie mehr über den Autor im Anhang

      Erstes Kapitel

      Der Vater Barbeau in la Cosse war ein Mann, der sich keineswegs in schlechten Verhältnissen befand; und dass er Mitglied des Munizipalrates in seinem Ort war, mag als Beweis dafür dienen. Er besaß zwei Grundstücke, deren Ertrag ihn und seine Familie ernährte, und noch darüber hinaus einen Überschuss lieferte. Von seinen Wiesen erntete er tüchtige Fuder Heu, und ausgenommen von derjenigen, welche an den Ufern des Baches lag und durch die Binsen ein wenig beeinträchtigt wurde, war dies Heu als eins von der besten Sorte in der ganzen Gegend bekannt.

      Das Haus des Vaters Barbeau war von solidem Bau und mit Ziegeln gedeckt. Es stand in gesunder Lage auf einem Hügel und war mit einem Garten von reichlichem Ertrag und mit einem Weinberg von sechs Tagewerken verbunden. Schließlich befand sich hinter der Scheune noch ein Baumgarten, wie man bei uns zu sagen pflegt, der einen Überfluss von Früchten lieferte, sowohl an Pflaumen und süßen Kirschen, wie auch an Birnen und Vogelbeeren. Sogar die Nussbäume längs der Umzäunungen waren die ältesten und größten auf zwei Meilen weit in der Runde.

      Vater Barbeau war ein Mann von tüchtiger Sinnesart, ein sorglicher Familienvater, ohne Neid und Missgunst, ohne seinen Nachbarn und Ortsgenossen je zu nahe zu treten.

      Er hatte schon drei Kinder, als die Mutter Barbeau, – jedenfalls, weil sie der Meinung war, dass sie genug hätten, um deren fünf zu ernähren, vielleicht auch, weil es galt sich zu beeilen, da ihr das Alter näher rückte, – sich’s einfallen ließ, ihren Mann mit einem Zwillingspaar, zwei schönen Knaben, zu beschenken. Da die beiden sich einander ähnlich sahen, dass man sie kaum zu unterscheiden vermochte, waren sie auf den ersten Blick als Zwillinge zu erkennen. Die Mutter Sagette, welche sie bei ihrem Eintritt in die Welt in ihrer Schürze auffing, vergaß nicht dem zuerst Geborenen mit ihrer Nadel ein kleines Kreuzchen auf dem Arme zu punktieren. Sie war der Meinung, dass ein als Erkennungszeichen umschlungenes Band oder Halskettchen, leicht verwechselt werden könnte, und so das Recht der Erstgeburt in Gefahr gerate, verloren zu gehen. Wenn das Kind kräftiger geworden sei, müsse man es mit einem Zeichen versehen, das sich nie verwischen lasse, und man verfehlte nicht dies zu tun.

      Der Ältere erhielt den Namen Sylvain, woraus man bald Sylvinet machte, um ihn von seinem ältesten Bruder zu unterscheiden, den man ihm als Taufpaten gegeben hatte. Der jüngere Zwilling wurde Landry genannt, und diesen Namen ließ man ihm unverändert, wie er ihn in der Taufe erhalten hatte, weil sein Onkel, der ihm als Pate gedient hatte, von frühester Jugend auf Landriche genannt worden war.

      Der Vater Barbeau war ein wenig erstaunt, als er bei seiner Heimkehr vom Markt zwei kleine Köpfe in der Wiege erblickte. »Oh! oh!« sagte er, »da seht einmal, die Wiege ist zu klein. Morgen früh muss ich daran, sie etwas größer zu machen.« Er verstand sich ein wenig auf das Handwerk des Zimmermanns, ohne es erlernt zu haben, und die Hälfte seiner Möbel war von ihm selbst verfertigt. Er wunderte sich nicht weiter, sondern wandte sich lieber seiner Frau zu, die ein großes Glas Glühwein trank, nach dessen Genuss sie sich um so besser befand. – »Du bist so gut im Zuge, Frau,« sprach der Mann zu ihr, »dass ich wirklich meine Kräfte zusammen nehmen muss. Es gilt jetzt zwei Kinder mehr zu ernähren, die wir gerade nicht nötig gehabt hätten. Das will soviel sagen, als dass ich nun ohne Rast noch Ruhe auf unseren Äckern und bei unserem Vieh im Stalle schaffen muss. Aber, sei nur ruhig, Frau; ich werde mit der Arbeit schon fertig werden, wenn du das nächste Jahr nur nicht mit Drillingen heran kommst; das wäre des Guten zu viel!«

      Die Mutter Barbeau war dem Weinen nahe, worüber ihr Mann sehr bekümmert wurde. – »Ruhig, ruhig! liebe Frau«, sagte er; »lass dich’s nicht verdrießen. Ich sagte dir’s ja nicht um dir einen Vorwurf zu machen, sondern ganz im Gegenteil, um dir meinen Dank auszusprechen; diese beiden Kinder sind gesund und wohlgestaltet; am ganzen Körper haben sie nicht einen einzigen Fehler, und ich freue mich darüber.«

      »Ach Gott«, sagte die Frau, ich weiß recht gut, dass du mir keine Vorwürfe machen willst; aber ich selbst bin voller Sorgen, da es in der Welt nichts Lästigeres und Unsicheres geben soll, als ein Paar Zwillinge aufzuziehen. Der eine beeinträchtigt den anderen, und fast immer muss einer von ihnen zu Grunde gehen, damit der andere gedeihen kann!«

      »Ei, was!« sagte der Vater, »sollte das wirklich so sein? Diese da sind in meinem Leben die ersten Zwillinge, die ich sehe; dergleichen kommt nicht oft vor. Aber, da haben wir ja die Mutter Sagette, die sich darauf verstehen muss, und die uns sagen kann, was man davon zu halten hat.«

      Die Mutter Sagette, die sich in dieser Weise dazu aufgefordert sah, erwiderte: – »Lasst’s euch von mir gesagt sein: Diese beiden Zwillinge werden schön und gut gedeihen, und mit Krankheiten nicht mehr zu schaffen haben, als andere Kinder auch. Seit fünfzig Jahren betreibe ich mein Geschäft als Hebamme, und sehe alle Kinder, die im Bezirk geboren werden, leben oder sterben. Es ist also auch nicht das erste Mal, dass ich dabei bin, wenn Zwillinge geboren werden. Zunächst tut’s ihrer Gesundheit keinen Schaden, dass sie einander ähnlich sehen. Es gibt aber auch Zwillinge, die sich ebensowenig gleichen, wie ihr und ich, oft kommt’s auch vor, dass einer von ihnen kräftig und der andere schwach ist: dann geschieht’s, dass der eine lebt und der andere stirbt. Nun betrachtet aber einmal die eurigen! Seht! wie sie beide gleich schön und richtig gebaut sind; als ob sie jeder ein einziger Sohn wären. Im Schoße ihrer Mutter haben sie sich also keinerlei Schaden zugefügt; der eine wie der andere sind sie leicht zur Welt gekommen, ohne ihrer Mutter, oder sich selbst viele Schmerzen verursacht zu haben. Sie sind wunderniedlich und haben kein anderes Verlangen als zu leben. Tröstet euch also, Mutter Barbeau; es wird euch großes Vergnügen machen, wenn ihr seht, wie sie gedeihen. Wenn sie so bleiben, wie sie da sind, wird es außer euch und denjenigen, die sie täglich vor Augen haben, kaum jemanden geben, der sie voneinander unterscheiden könnte, denn noch nie habe ich zwei so vollkommen gleiche Zwillinge gesehen. Man könnte sagen: sie sind wie zwei Feldhühner, die aus demselben Ei gekrochen sind. Da ist alles so niedlich und so gleichartig, dass niemand als die Mama Feldhuhn sie voneinander unterscheiden kann.«

      »Das wäre!« ließ sich der Vater Barbeau vernehmen, indem er sich den Kopf kraute; »ich hörte aber sagen, dass Zwillinge mit der Zeit aneinander hängen sollen, dass sie nicht mehr leben können, wenn sie voneinander getrennt werden; dass wenigstens einer von ihnen sich vor Kummer verzehren würde, bis er daran gestorben sei.«

      »Das ist die reine Wahrheit«, bestätigte die Mutter Sagette; »aber merkt euch, was eine Frau von Erfahrung euch sagen


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