Vergiftete Hoffnung. Mara Pfeiffer

Vergiftete Hoffnung - Mara Pfeiffer


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Danach gehen Sie ins Home-Office?“

      „Das. Äh. War die Idee. Ist das ein Problem?“

      „Sagen wir es so, Ihren Kollegen fällt schon auf, wie oft Sie daheim arbeiten. Das kennen die so nicht. Und viele Ihrer Regelungen im Lokalen liefen ja mehr so auf der persönlichen Ebene.“

      Jo spürt die Hitze in ihre Wangen schießen, während sie mit ihrem Vorgesetzten in den Aufzug steigt, um in den zweiten Stock zu fahren. Schneider betrachtet sie von der Seite. Fast scheint es, als ob ihm seine kleine Rede bereits leidtäte.

      „Ich will Sie gar nicht unnötig stressen, Frau Zinn. Sie dürfen gern Home-Office-Tage nehmen. Wir legen Familien da keine Steine in den Weg. Aber schauen Sie einfach, dass Sie eben auch hier sind – und ansprechbar für die Kollegen. Die sollen ja nicht denken, Sie hätten bei uns Sonderrechte, d’accord?“

      Er blinzelt wohlwollend, dann betreten sie Schulter an Schulter den Konferenzraum. Unter den Blicken der 18 Kolleg*innen, die, von ihrem gemeinsamen Auftritt überrascht, neugierig tuscheln, sucht Jo mit gesenktem Kopf nach einem Platz in der Runde. Der einzige freie Stuhl ist neben Steffen. Der Polizeireporter grinst breit, als sie so geräuschlos wie möglich neben ihn gleitet.

      „Zinnchen, Zinnchen. Den Schneider? Das hätte ich nicht von dir erwartet. Hat der nicht auch schon längst Rost angesetzt an seinen tieferliegenden Leitungen?“ Jo macht sich nicht mal die Mühe, ihm einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Als die sich ewig ziehende Konferenz endlich ein Ende nimmt, stürmt sie ohne ein Wort an Freund und Feind vorbei in die Sportredaktion.

      „Dave?“

      „Hi, Jo, schön, dass du wieder da bist. Wie waren die Tage daheim mit Mann und Kind?“

      Jo beißt sich auf die Unterlippe. Langsam müsste sie mal einen Plan aufzeichnen, wem sie über die zurückliegende Woche welche Lüge aufgetischt hat. „Gut, danke.“

      „Freut mich. Was kann ich für dich tun?“

      „Wofür hast du mich denn vorgesehen diese Woche?“

      „Schon mal Richtung kommendes Heimspiel. Um die Nationalelf kümmern sich Fred und Jakob, Thorsten ist wie immer mit dem NLZ beschäftigt und Gabi hat diese Woche frei.“

      „Hat der Verein einen Spieler vorgeschlagen fürs Interview?“

      „Ja, Adler. Wenig überraschend. Heute um zwei. Schaffst du das?“

      „Klar. Und passt es für dich, wenn ich versuche, auch noch Latza zu kriegen?“ Jo weiß sehr wohl, dass Dave neben dem Spieler, dessen Aussagen vor einer Partie in sämtlichen Medien zu lesen sind, gerne noch eine Story exklusiv hat. Sie will ihm zeigen, dass sie mitdenkt.

      „Wieso ausgerechnet Latza?“

      „Der hat im letzten Heimspiel gegen den HSV im Dezember doch die drei Tore geschossen, erinnerst du dich?“

      „Richtig, da war was. Unangenehm.“

      „Aber nur, wenn man’s mit Hamburg hält.“

      „Was soll ich machen? Hättest du 1983 als Siebenjährige gesehen, wie Felix Magath im Pokalfinale der Landesmeister das Siegtor gegen Juve schießt, würde es dir genauso gehen.“

      „Nur, dass ich da erst ein Jahr alt war und mein einziges Interesse an Bällen darin bestand, sie abzulecken.“

      „Den Ball, mit dem Magath das Tor geschossen hat, hätte ich auch sofort abgeleckt.“

      „Ist ja widerlich.“ Jo grinst.

      „Mach mal. Mit Latza. Schöne Idee.“

      „Danke. Und Dave?“

      „Hm?“

      „Okay, wenn ich nach dem Interview mit Adler heute Nachmittag von zuhause schreibe?“

      Der Sportchef dreht sich zu ihr um, schiebt seine Brille zurück in die langen Locken und betrachtet Jo nachdenklich. „Wenn du erst die Termine für die Interviews ausmachst, von mir aus. Aber dann schau bitte, dass du Donnerstag und Freitag hier sichtbar bist. Ich führe jetzt keine Stechuhren ein, aber ich will auch keine Meuterei auf der Bounty, weil die Kollegen denken, du liegst den ganzen Tag mit Kokosnüssen unter Palmen.“

      Die Runde mit René Adler im Mediencontainer der 05er hinter dem alten Bruchwegstadion verläuft absolut angenehm. Insgesamt 13 Journalist*innen quetschen sich in den Raum. Meistens sitzen sie hier in kleinerer Runde zusammen, aber Gegner wie der HSV locken ein paar mehr Interessierte an. Zwischendurch steckt Sandro Schwarz kurz den Kopf durch die Tür und grüßt in die Runde, dann verschwindet er im Büro von Pressesprecherin Silke Bannick. Die wöchentliche Medienrunde, die meist am Dienstag stattfindet, ist aufgrund des Feiertages gestern ausgefallen. Auch die übliche Pressekonferenz wird es am Donnerstag wegen der Länderspiele nicht geben. Jo hat ihre Arbeitswochen gut zwischen den regelmäßigen Terminen eingerichtet und schätzt die Routine, die sich daraus ergibt. Ihre Tage in der Lokalredaktion waren viel weniger planbar. Aber sie vermisst Anda, ihre Plaudereien und die gemeinsamen Mittagspausen. Gerade sieht sie extrem wenig von ihrer Freundin, das muss sie dringend ändern.

      Jo steht, ins Gespräch mit Alexander Bonengel von sky vertieft, vor dem Mediencontainer, als der Coach hinter ihnen das langfristige bauliche Provisorium verlässt. Sie entschuldigt sich beim Kollegen und nimmt die wenigen Schritte zu Bannicks Büro.

      „Silke?“

      Die Pressesprecherin schaut vom Handy auf. „Hi, Jo. Zurück aus dem Urlaub? Hattest du eine schöne Auszeit?“

      „Ja, danke! Du, sag mal, gibt’s eine Chance, vor dem Heimspiel ein Interview mit Danny Latza zu bekommen?“

      „Das sollte gehen. Ich checke das und melde mich später, ja?“

      „Tausend Dank. Am liebsten ohne die anderen Kolleg*innen.“

      „Das habe ich schon verstanden.“

      Die Frauen grinsen sich an, dann klingelt Bannicks Telefon und Jo verlässt mit einem stummen Winken den Container.

      Halb vier. Höchste Zeit, ihr Versprechen bei Luca einzulösen.

      Kapitel 6

      Auf dem Weg zum Auto klingelt Jos Handy. Hans. Kurz überlegt sie, einfach nicht dranzugehen. So sehr sie sich nach der Rückkehr aus Barcelona gefreut hat, ihn wiederzusehen, so schnell ist er ihr in den Tagen danach auch auf den Wecker gegangen. Es ist nicht so, dass er sich blöd verhält oder etwas falsch macht. Sie kann nur seine permanente Anwesenheit in ihrer Wohnung nicht ertragen. Thematisiert sie das aber, fängt er wieder davon an, dass sie doch zusammenziehen könnten – aus diesem Kreislauf scheint es kein Entkommen zu geben. Jo atmet tief durch und geht ran.

      „Hi there, Sheriff.“

      „Du willst nicht ernsthaft noch eine zweite Katze in diese kleine Wohnung holen.“

      Sie spürt, wie etwas in ihrer Kehle heftig rumort. Es bringt sie auf die Palme, dass Hans, wenn er verärgert ist, keine Fragen stellt, sondern versucht, mit Ansagen Fakten zu schaffen.

      „Dir auch einen schönen guten Tag.“

      „Jo, was soll der Blödsinn?“

      „Sag du’s mir. Ich habe nicht angerufen.“

      „Was erzählt Luca mir da von einer neuen Katze?“

      „Wann hast du mit Luca gesprochen?“

      „Eben.“

      „Und warum?“

      „Ich wollte hören, was ihr heute noch vorhabt. Weil ich dich weder auf dem Handy noch im Büro erreichen konnte, habe ich bei Nonna angerufen und Luca gefragt.“

      Das, was da in Jos Kehle rumort, wächst bei Hans’ Worten in alle Richtungen. Es umschließt ihr Herz, verstopft ihre Kehle und beschwert ihre Zunge.

      „Jo?“

      „Das geht


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