Amerika Saga. Frederik Hetmann

Amerika Saga - Frederik Hetmann


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den Wanderer, der allen Gutes tat.

Holzschnitt

       Das abenteuerliche Leben des Davy Crockett

       Die Taten des Jägers, Kongressabgeordneten und Scouts Davy Crockett sind nicht die Erfindung einer üppigen, wild ausschweifenden Phantasie. Davy Crockett hat gelebt, und seine Lebensgeschichte, aus der wir im folgenden einige Episoden wiedergeben, liest sich erregender als jene Produkte späterer Wild-West-Autoren, die sich von dieser faszinierenden Gestalt mit der Skunkschwanzmütze inspiriert fühlten. Er war das Urbild jener etwas ungehobelten, aber doch gutmütigen Hinterwäldlerburschen, die die »Grenze« über die Appalachen nach Westen verschoben. Hart, hemdsärmlig, bärbeißig, mit einem trockenen Humor und einem natürlichen Sinn für Gerechtigkeit begabt, immer zu einem prahlenden Wortgefecht, zu einer Kraftprobe, einem Jagdabenteuer oder zu einem Ritt gegen die Indianer bereit, wurde er zum Idol der amerikanischen Jugend zu Beginn des Neunzehnten Jahrhunderts.

      Mit dem Bericht über sein Leben und seine Taten, wie sie sich in seinen Büchern »A Narrative of David Crockett of the State of Tennessee«, »An Account of Colonel Crockett's Tour to the North and Down East« sowie »Colonel Crocketts Exploits and Adventures in Texas« darstellen, erfahren wir zugleich auch ein gutes Stück amerikanischer Kulturgeschichte dieser Epoche.

       – Das abenteuerliche Leben des Davy Crockett –

       Meine Kindheit und Jugend

      Da manche Menschen offenbar einiges Interesse an der Geschichte eines so unbedeutenden Individuums, wie ich es nun einmal bin, zu haben scheinen, und da schließlich meine Abenteuer niemandem so genau bekannt sein können wie gerade mir, habe ich mich auf das Drängen meiner Freunde und Bekannten hin nun entschlossen, sie niederzuschreiben und somit der Welt eine Darstellung dieser Ereignisse zu hinterlassen, die den Vorteil hat, wahr und echt zu sein. Ich schiebe also alle speichelleckerischen Entschuldigungen beiseite und erinnere mich meines alten Wahlspruchs, der da lautet: nur zu!

      Mein Vater hieß John Crockett. Er war irischer Abstammung. Entweder kam er drüben in Irland zur Welt oder, wo nicht, so doch auf der Überfahrt. Er verbrachte die ersten Lebensjahre im schönen Staate Pennsylvania und wurde später Farmer. Der Name meiner Mutter lautet Rebecca Hawkins. Sie war eine gebürtige Amerikanerin aus Maryland und erblickte das Licht dieser Welt irgendwo zwischen den beiden Siedlungen York und Baltimore. Sicherlich wird man mir irgendwann auch einmal erzählt haben, wann meine Eltern heirateten, allein, ich habe es vergessen. Indessen bin ich ganz sicher, dass dieses Ereignis stattgefunden hat, denn andernfalls würde sich heute die Öffentlichkeit kaum mit der Geschichte ihres Sohnes, David Crockett, befassen müssen.

      Mein Vater nahm am Unabhängigkeitskrieg teil, kämpfte gegen die Engländer in der Schlacht am Kings Mountain und ließ sich dann im östlichen Tennessee nieder.

      Er siedelte dort unter recht gefährlichen Umständen für sich wie für seine Familie, denn es lebten damals noch Indianer in dieser Gegend, die den Weißen feindlich gesinnt waren. Mein Großvater und meine Großmutter wurden in ihrem eigenen Haus von Indianern ermordet. Etwa um dieselbe Zeit geriet der Bruder meines Vaters, dem eine Kugel den Arm gebrochen hatte, in indianische Gefangenschaft. Da er von klein auf taubstumm war, fiel es ihm schwer zu entfliehen. Siebzehn Jahre und neun Monate lebte er bei den Indianern, bis ihn schließlich der älteste Bruder meines Vaters entdeckte und ihn bei einem indianischen Händler freikaufte.

      Meine Eltern hatten sechs Söhne und drei Töchter. Ich wurde als fünfter Sohn geboren. Schade, dass ich nicht der siebente Sohn war. Dann nämlich wäre ich durch Gemeindebeschluss zum Doktor bestimmt worden, wie das damals üblich war. Aber ich war nicht der siebente Sohn, und zudem war mein Vater arm, und wir lebten weit ab unter den Hinterwäldlern, und so erlaubten es ihm seine spärlichen Mittel nicht, seinen Kindern eine Erziehung zuteilwerden zu lassen.

      Ehe ich nun von meinen eigenen Sorgen und Freuden rede, möchte ich doch zunächst den geschätzten Leser darüber ins Bild setzen, dass ich wie andere Leute auch geboren wurde. Nach alledem, was ich über dieses Ereignis in Erfahrung bringen konnte, geschah dies am 17. August des Jahres 1786. Zu dieser Zeit lebte mein Vater an der Mündung des Lime-Stone-Flusses in den Nolachucky.

      Ein Ereignis aus meiner frühen Kindheit ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben. Ich weiß nicht, wie alt ich damals gewesen sein mag. Jedenfalls trug ich noch keine Kniehosen, muss also noch ein rechter Dreikäsehoch gewesen sein. Was geschah, war Folgendes:

      Meine vier älteren Brüder und ein hochaufgeschossener Junge von fünfzehn Jahren, der Campbell hieß, spielten mit mir am Ufer des Flusses. Sie bestiegen das Kanu meines Vaters, das auf den Strand gezogen lag, brachten es zu Wasser und ruderten davon, ohne mich mitzunehmen.

      Etwas unterhalb der Siedlung lag ein Wasserfall. Meine Brüder waren trotz ihres Alters schon geübte Kanufahrer und das Boot gehorchte ihnen, aber Campbell gab ihnen die Ruder nicht, sondern behielt sie selbst. Nach dem, wie er damit umging, musste man annehmen, dass er nie ein Boot gesehen, geschweige denn eines gerudert hatte, denn es trieb überall dorthin, wohin er es nicht haben wollte. Er ruderte und ruderte, verlor mehr und mehr die Gewalt über das Boot, bis plötzlich vor dem Bug der Wasserfall auftauchte. Nicht etwa weil ich um das Leben der fünf Bootsinsassen fürchtete, sondern weil ich wütend war, dass man mich zurückgelassen hatte, schrie ich wie am Spieß. Ein Mann namens Kendall, der auf einem Feld nahe des Ufers arbeitete, hörte mich und sah das Boot schon nahe am Abgrund. Er lief herbei, warf Hemd und Jacke von sich und sprang, nur mit ein paar Kniehosen bekleidet, in den Fluss. Watend und schwimmend erreichte er das Kanu etwa.drei Meter vor dem Fall und musste all seine Kraft aufbieten, um es aus den Strudeln heraus ins ruhigere Wasser zu.schieben.

      Kurz nach diesem Vorfall zogen meine Eltern aus dieser Gegend fort und siedelten zehn Meilen vor Greenville. Dort trug sich ein anderes Ereignis zu, das, obwohl ich noch ein kleines Kind war, einen bleibenden Eindruck in meinem Gedächtnis hinterließ. Joseph Hawkins, der Bruder meiner Mutter, war in den Wald gegangen, um ein Reh zu schießen. Er kam an einem Gebüsch vorbei, in dem ein Nachbar von uns Trauben pflückte, denn es war Herbst. Der Körper des Mannes war durch die Büsche verborgen. Von Zeit zu Zeit wurde lediglich seine Hand sichtbar, die Trauben aus dem Dickicht herausreichte.

      Da solche Gebüsche oft das Versteck von Wild waren und mein Onkel wirklich nicht ahnen konnte, dass Menschen darin herumkrochen, ließ ihn seine Einbildungskraft die Bewegung der Hand für das Wackeln eines Rehohrs halten. Er drückte ab und, der Teufel wollte es, traf den Mann im Gebüsch durch den Leib. Ich erinnere mich daran, dass mein Vater durch den Durchschuss ein weißes Taschentuch zog. Nach einiger Zeit heilte die Wunde tatsächlich zu. Was später aus dem Mann geworden ist, weiß ich nicht zu sagen. Doch ist anzunehmen, dass er in Zukunft wenig Gefallen daran gefunden haben mag, in Gebüschen Trauben zu pflücken.

      Der nächste Umzug meiner Eltern führte uns an die Mündung des Cove Creeks, wo mein Vater zusammen mit einem Mann namens Thomas Galbreath eine Mühle bauten Sie kamen damit ganz gut voran, und der Bau war schon fast fertig, als eines Tages eine zweite Sintflut einsetzte, die Mühle; Munition, Schlösser und Vorräte fortschwemmte. Nach diesem Unglück entschloss sich mein Vater, dem Mühlengewerbe den Rücken zu kehren. Er zog wieder weiter und ließ sich in Jefferson County im Staate Tennessee nieder, wo er an der Straße zwischen Abbingdon und Knoxville ein Gasthaus eröffnete. Es war ein kleines Gasthaus, denn mein Vater war ein armer Mann. Hier blieb ich bis zu meinem zwölften Lebensjahr. Und in diesem Alter machte ich, wie jedem Yankee und Hinterwäldler klar sein wird, meine ersten Erfahrungen mit dem Ernst des Lebens.

       – Das abenteuerliche Leben des Davy Crockett –

       Der Ernst des Lebens

      Ein alter Holländer mit Namen Jacob Siler, der von Knox nach Rockbridge im Staat Virginia reiste, übernachtete im Haus meines Vaters. Er führte eine Rinderherde mit sich, für die er einen Treiber suchte. Mein Vater war damals


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