Amerika Saga. Frederik Hetmann

Amerika Saga - Frederik Hetmann


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was denn los sei. Er meldete, dass ein Bote der Kriegspartei eingetroffen sei. Die Rotstöcke waren am Tag bei den Zehn Inseln über den Coosa-Fluß gesetzt und rückten nun weiter vor, um die Freiwilligen-Armee anzugreifen. Diese Nachricht ängstigte die uns freundlich gesinnten Indianer des Dorfes so sehr, dass sie in wilder Flucht in die Wälder davonrannten. Innerhalb kürzester Frist war kein Mensch mehr zu sehen.

      Ich selbst fühlte mich verpflichtet, diese Information so schnell wie möglich an die Armee weiterzugeben. So warfen wir uns auf unsere Pferde und brachen zu einem Gewaltritt auf. Bis Ditto Landing waren es fünfundsechzig Meilen. Das Cherokesendorf, das wir auf unserem Hinweg besucht hatten, fanden wir verlassen vor. Auch Radcliff war mit seiner Familie geflohen.

      All dies war nicht gerade dazu angetan, uns freudig zu stimmen. Es bedurfte keiner übertriebenen Einbildungskraft, um sich vorzustellen, dass es im Bereich des Möglichen lag, dem Gros der indianischen Streitmacht zu begegnen, dem gegenüber fünf Männer bei aller Tapferkeit wenig hätten ausrichten können. Wir ritten zu und erreichten beim ersten Hahnenschrei die Farm des alten Brown. Von dort aus waren es nur noch 30 Meilen bis zum Lager der Armee. In aller Eile tränkten und fütterten wir die Pferde, schlangen selbst ein paar Bissen hinunter und brachen sofort wieder auf.

      Gegen zehn Uhr morgens erreichten wir das Lager und ich erstattete Oberst Coffee Bericht. Der Offizier zeigte sich über meine Mitteilung wenig beeindruckt, und das machte mich wütend. Doch ich unterdrückte meinen Zorn, denn ich wusste, dass mir keine Kritik an meinen Vorgesetzten zustand, aber innerlich glühte es in mir, und ich wundere mich, dass der Rauch davon nicht durch meine Kopflöcher flog. Major Gibson war noch nicht zurückgekehrt, und wir waren auf das Schlimmste gefasst.

      In dieser Nacht wurden Doppelposten aufgestellt. Am anderen Tag kam der Major zurück und brachte schlimme Nachrichten. Er bestätigte meine Meldung. Nun sah der Oberst endlich ein, dass es ernst wurde. Mir aber wurde eine der vielen Ungerechtigkeiten auf dieser Welt nur zu deutlich vor Augen gerückt. Als ich meine Meldung machte, glaubte man mir nicht, weil ich kein Offizier war. Ich war kein großer Mann, nur ein gemeiner Soldat. Als aber Major Gibson dieselbe Nachricht brachte, war sie plötzlich wahr wie das Amen in der Kirche. Dem Major glaubte der Oberst jedes Wort, denn sogleich ließ er Schanzwerk errichten und schickte einen Kurier ab, der Verstärkungen erbitten sollte.

       Davy Crockett nahm an dem Feldzug gegen die Creeks bis zu seinem erfolgreichen Ende teil. Nach der Schlacht bei New Orleans kehrte er zu seiner Familie zurück. Kurz darauf starb seine Frau. Sein jüngerer Bruder und dessen Frau zogen zu ihm, und »obwohl sie sich in jeder Beziehung wie mein Bruder und meine Schwester betrugen, fehlte mir doch eine Frau. Sie sorgten gut für die Kinder, und doch konnten sie ihnen nicht die Mutter ersetzen. So kam ich zu der Erkenntnis, dass ich wieder heiraten müsse.«

       Seine zweite Frau war »eine Kriegerwitwe aus der Nachbarschaft« mit zwei kleinen Kindern. Sie brachte ihm eine kleine Farm mit in die Ehe, aber sein unruhiges Blut ließ Crockett schon wieder neue Abenteuer suchen. Er unternahm mit Nachbarn eine Erkundungsreise in das Gebiet der Creeks. Nach einer schweren Krankheit siedelte er mit seiner Familie nach Shoal Creeks über. In diesem Ort wurde er zuerst zum ehrenamtlichen Rechtspfleger, später zum Richter ernannt. Hier begann auch seine politische Karriere, die schließlich als Senator des amerikanischen Kongresses endete.

       – Das abenteuerliche Leben des Davy Crockett –

       Die Wahl und das Waschbärfell

      Da wir gerade von Wahlen reden, möchte ich eine kleine Anekdote erzählen, die den Leuten im Osten klarmachen soll, wie wir solche Dinge im Grenzland handhaben. Das war, als ich zum ersten Mal für den Kongress kandidierte. In meinem Jägerhemd und mit meiner Büchse über der Schulter machte ich mich auf, um an den Wegkreuzungen zu reden. Viele Wähler versammelten sich dort, um einen Eindruck von der dem rednerischen Talent ihrer Kandidaten zu bekommen.

      Job Snelling, ein eitler Yankee, den man irgendwo bei Plymouth-Bay wohl aus der See gefischt haben mochte, um ihn dann mit einer Ladung Kabeljau und Rum in den Westen zu schicken, hatte sich zu diesem Zweck extra einen Schuppen bauen lassen. Es hatte sich bereits eine beachtliche Menschenmenge eingefunden und mein Rivale hatte schon ein gutes Stück seiner Rede vom Stapel gelassen, als ich dazu kam. Ich schlenderte einen Büchsenschuss weit vom Lager umher und tat so, als ob mich das alles gar nichts anginge.

      »Da kommt Crockett«, sagte einer.

      »Wollen doch mal hören, was er zu sagen hat«, meinte ein anderer. Ich kletterte auf den Baumstumpf, der als Rednerpult diente, und hielt eine improvisierte Rede, eben so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Es dauerte nicht lange, da wurde die Menge so laut, dass ich meine eigene Stimme kaum noch hören konnte. Meine Wähler ließen mich wissen, dass es ihnen unmöglich sei, meinen Ausführungen über ein so trockenes Thema wie das Wohl der Nation länger zu folgen, ohne zuvor ihre Kehlen angefeuchtet zu haben. Ich sollte sie freihalten. Also stieg ich von meinem Sockel hinunter und führte sie zum Schuppen. Sie folgten mir und schrien: »Hussa für Crockett!«, und: »Crockett soll leben!«

      Als wir Jobs Schuppen betraten, schenkte der Mann fleißig aus, das Geschäft blühte. Ich verlangte ein Quart vom Besten, aber dieser gemeine Geizkragen wies als Antwort nur auf ein Schild über der Theke, auf dem mit Kreide geschrieben stand: Gezahlt wird heute – geborgt wird morgen! Das brachte mich in ziemliche Verlegenheit, und ich sah auch keinen Ausweg, denn bares Geld ist im Westen sehr rar, und mir ging es gerade zu dieser Zeit ganz ab.

      Als die Wähler meine Verlegenheit sahen, wechselten sie die Seiten, und ich stand allein da, so wie die Regierung, wenn sie keine Ämter mehr zu vergeben hat. Mir war sonnenklar, dass die öffentliche Meinung nun gegen mich war und dass, falls ich nicht auch irgend woher Rum beschaffen konnte, ich die Wahlen so sicher verlieren würde, wie es Schlangen in Virginia gibt. Und es musste schnell Rum her, sonst würde mich selbst dieses Feuerwasser nicht mehr retten. Popularität hängt wahrlich manchmal von sehr geringfügigen Kleinigkeiten ab, in diesem Fall von einem Quart Neu-England-Rum.

      Nun, das war eine Krise; also ging ich in den Wald mit meinem Gewehr über der Schulter, das in Zeiten der Not sich noch immer als mein bester Freund erwiesen hat. Ich war eine Viertelstunde gelaufen, da wollte es ein gütiges Geschick, dass ich einen fetten Waschbären sah, der gerade auf einen Baum kletterte. Ich drückte ab, und da lag er – tot. Ich zog ihm sein haariges Fell vom Leib und lenkte meine Schritte wieder zum Schuppen und ging zur Theke. Diesmal war ich nicht allein, ein halbes Dutzend Wähler folgten mir. Ich warf das Waschbärfell auf die Theke und verlangte ein Quart Rum, und Job, obwohl er mächtig damit beschäftigt war, auszuschenken, vergaß diesmal tatsächlich auf seine mit Kreide hingeschmierte Hausordnung zu deuten, denn er wusste sehr wohl, dass ein Waschbärenfell allemal ein Quart Rum wert ist, ob nun im Westen oder in New York.

      Meine Wähler drängten sich nun wieder um mich und riefen: »Hussa für Crockett! Crockett soll leben!« Als ich merkte, dass die Stimmung wieder umgeschlagen war, erzählte ich ihnen ein paar Schnurren, um sie bei guter Laune zu halten, und bestieg, nachdem ich mich hinreichend über den Wert von Waschbären ausgelassen hätte, wieder draußen den Holzstoß, um ihnen von oben herab zu erklären, was ich, falls sie mich wählten, für das Wohl der Nation zu tun gedächte. Aber ehe ich auch nur die Hälfte meiner Rede hinter mich gebracht hatte, wurden Stimmen laut, die verlangten, man sollte sich nun erst einmal an den Extrakten aus Maiskolben und Melasse in Job Snellingers Schuppen laben. Also zogen wir wieder an die Bar, und unterwegs stellte ich meine Betrachtungen darüber an, in wie starkem Maße das Wohl und Wehe unseres Staates von der Tatsache abhängig sei, ob es einem gelingt, einen Waschbären zu erlegen oder nicht.

      Als ich so vor der Theke stand und recht verlegen wurde, da mich Jobs Hausordnung in blasser Kreideschrift tückisch anstarrte, entdeckte ich einen Fetzen Waschbärenfell zwischen den Stangen, die die Bar trugen. Job hatte mein Fell in aller Eile dorthin gestopft. Mit einem raschen Griff zog ich daran und warf es mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt auf die Theke. Job, der sich nicht träumen ließ, was hier gespielt wurde, schob mir eine zweite Flasche herüber, die meine Wähler in übermütiger Stimmung eilig leerten, denn einige hatten meinen Trick bemerkt. Als die Flasche leer


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