Madame empfängt. Ursula Neeb

Madame empfängt - Ursula Neeb


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      Titel

      Ursula Neeb

      Madame empfängt

      Historischer Roman

      Impressum

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      Alle Rechte vorbehalten

      1. Auflage 2010

      Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

      Herstellung: Katja Ernst

      Korrekturen: Doreen Fröhlich, Katja Ernst, Sven Lang

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung des Bildes

      »Louise de Broglie, Contesse d’Haussonville«

      von Jean-Auguste-Dominique Ingres,

       http://www.wikipedia.org

      ISBN 978-3-8392-3472-3

      Widmung

      Für Markus und Mocho.

      »Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag: Sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigene Sprache; das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker.«

      (Georg Büchner ›Der Hessische Landbote‹,

      Darmstadt 1834)

      Prolog

      Vor einigen Jahren noch eine malerische Gartenlandschaft, lediglich durchsetzt von den einfachen Behausungen der Erwerbsgärtner, war das Frankfurter Westend längst zu einem begehrten Wohnquartier der Wohlhabenden geworden. Schmucke Sommerhäuser verdrängten nach und nach die Katen der Gärtner und entwickelten sich rasch zu prachtvollen Wohnpalästen, die von ihren Eigentümern dauerhaft genutzt wurden.

      Die Innenstadt, und erst recht die Altstadt, war für die besseren Leute keine Wohngegend mehr. Dort waren die Straßen oft sehr schmutzig, an manchen Stellen konnte man keinen Schritt tun, ohne sich die Hosen oder den Rocksaum mit Kot zu beschmutzen, und es stank barbarisch. Die Einwohnerzahl Frankfurts stieg beständig, in bestimmten Bezirken der Altstadt lebten nur noch arme Leute mit vielen greinenden Plagen, und der Lärmpegel war entsprechend.

      Hier draußen im Grünen dagegen konnte man frische Landluft atmen, und die Nachbarschaft hatte klangvolle Namen wie Rothschild, Gontard, Passavant und Brentano. In den Häusern pflegte man die gehobene Gastlichkeit in Form von exquisiten Diners, vornehmen Soireen und glanzvollen Bällen. Und bei aller Pracht durfte die Behaglichkeit des Biedermeiers nicht fehlen, der man im privaten Kreis der Familie und enger Freunde bei Hausmusik huldigte.

      In diesem Geiste fand sich am Abend des 20. Juli 1832, in einer Villa in der Bockenheimer Chaussee Nummer 14, unweit des Palais Rothschild, eine kleine Abendgesellschaft zusammen. Prachtvolle Equipagen fuhren über die gewundene, weiß gekieste Auffahrt bis vor ein in blassem Pistaziengrün gehaltenes Gebäude im klassizistischen Stil. Damen und Herren in Abendrobe begaben sich über eine marmorne Freitreppe zum Portal, wo sie von Dienstboten empfangen und zur Gartenterrasse geleitet wurden. Zu beiden Seiten der ovalen Terrasse luden Arkaden mit duftenden Kletterrosen zum Lustwandeln ein. Vor der Veranda befand sich ein Springbrunnen aus milchblauem Carrarischem Marmor mit einer Nachbildung der auf einem Panther ruhenden Ariadne. Der weitläufige englische Garten verfügte über alten Baumbestand.

      Die hohen Fenster im Erdgeschoss waren vom Gaslicht der Kristalllüster hell erleuchtet. Die gläserne Flügeltür des Salons war weit geöffnet, weiße Chiffongardinen bauschten sich im Abendwind. In dem quadratischen Raum mit glänzendem Parkett war alles in einem Weiß gehalten, das ins Graue ging. Das Mobiliar war gediegen, kühl und vornehm. Auf verschiedenen Kommoden und zierlichen Tischen von schlichter Eleganz standen Blumenvasen mit duftenden Rosenbuketts. Im Halbkreis um einen Klavierflügel waren Stühle im Biedermeierstil angeordnet.

      Ein Dutzend Damen und Herren, auch einige Kinder und Jugendliche, hielten sich im angrenzenden Garten und auf der Terrasse auf. Die Damen trugen Abendkleider aus schillernden Seidenstoffen mit voluminösen, ballonartigen Ärmeln in allen erdenklichen Varianten. Die Frisuren waren kunstvoll mit Bändern und Schleifen geschmückt. Manche weibliche Gäste hielten, obgleich ihre Häupter von Hauben ähnlichen Hüten bedeckt waren, zierliche Sonnenschirme in den Händen. Die Herren trugen Frack und Zylinder und trotz der sommerlichen Temperatur enggeschnürte Hemdkragen mit dunklen Krawatten. Viele hatten Oberlippen- oder Kinnbärte und lange Koteletten.

      Die Erwachsenen tranken Champagner und Erdbeerbowle, die Kinder Waldmeisterlimonade, und alle genossen den lauschigen Sommerabend inmitten der idyllischen Umgebung. Überall im Garten blühten Rosen und verströmten einen zauberhaften Duft.

      Nach einer Weile unterbrach die Gastgeberin die angeregte Konversation der Anwesenden durch ein Händeklatschen und forderte die Gäste damit höflich auf, sie in den Salon zu begleiten. Die kleine Abendgesellschaft war bereits in bester Champagnerlaune. Das Motto des Abends, von der Dame des Hauses mit wohlgesetzten Worten verkündet und passend zur Jahreszeit der Rose gewidmet, wurde mit freudigem Applaus begrüßt. Nachdem verschiedene junge Leute vor das Publikum getreten waren, um ausgewählte Rosengedichte berühmter Dichter vorzutragen, erhob sich die Gastgeberin von ihrem Stuhl, verbeugte sich vor der Runde und begab sich an den Flügel, um, wie sie einleitend bemerkte, sich selbst beim Vortrag des vertonten Gedichts ›Unsterblich verliebt‹ der Frankfurter Dichterin Sidonie Weiß zu begleiten:

      »In weiter Ferne,

      dem Blick fast verborgen,

      ein Wetterleuchten, verhalten nur blitzt es

      in den Augen des Veilchens

      beim Anblick der Rose,

      was ihm oft so fremd, sie besitzt es.

      Sie vergisst alle Pose,

      möchte nur noch verweilen

      bei ihm, wird ganz sanft, fast bescheiden

      und öffnet sich schimmernd, doch übersieht,

      dass blaue Blumen sich verschließen,

      wenn eine Rose für sie blüht.

      Sie bleiben sich fern

      und sind doch so verwoben,

      eine seltsame Hochzeit, die sich hier hat vollzogen:

      Von denen, die sich schätzen

      und sich liebgewonnen

      und trotzdem nie zusammenkommen.

      Ein Zauber bleibt, der sie stets umhüllt,

      weil nichts vergehen und welken kann,

      was sich nie erfüllt.1«

      Mit ihrem zarten Porzellanteint und den silberblonden, schlicht im Nacken zusammengesteckten Haaren war die Gastgeberin eine Dame von klassischer Schönheit. Ihre angenehme Altstimme und das wohltönende Klavierspiel waren von ungekünstelter Eleganz. Kurz vor dem Ende ihrer Darbietung jedoch begann die Dame wild mit den blassblauen Augen zu rollen, die immer größer zu werden, ihr fast schon aus den Augenhöhlen zu quellen schienen und sich zunehmend verdunkelten. Was


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