¡PARAGUAY, MI AMOR!. Wiebke Groth

¡PARAGUAY, MI AMOR! - Wiebke Groth


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Seufzer in die warmen Fluten sinken.

      Nach circa zehn Minuten schrecke ich aus meiner Wohlfühlzeit auf.

      Die Klinke der Badezimmertür bewegt sich – jemand drückt sie nach unten!

      Verdammt, ich habe nicht abgeschlossen!

      Ich versuche, schnell aufzustehen und nach dem Handtuch zu angeln, das auf einem Ständer neben der Wanne hängt. Doch in dem Moment, wo ich hoch aufgerichtet und wie Gott mich schuf in der Wanne stehe, öffnet sich die Tür ganz und ein junger Mann mit kurzen, dichten und sehr dunklen Haaren – nur mit einem Handtuch bekleidet – erscheint in der Tür.

      Starr vor Schreck bleibe ich stehen.

      Der Fremde fängt sich zuerst und sagt: „Lo siento señorita. ¡No sabía que esta ocupado!“

      Dabei grinst er mich unverschämt an und seine dunkelbraunen Augen mustern unverhältnismäßig langsam mein ganzes Erscheinungsbild.

      Endlich gelingt es mir, ein Handtuch zu schnappen und es mir einigermaßen würdevoll umzuhängen.

      Der dreiste Kerl senkt während dieser gefühlten Ewigkeit nicht einmal den Blick und wendet sich auch nicht höflich ab.

      „Sorry it‘s occupied, but I forgot to close the door!“ schnappe ich wütend auf Englisch.

      „Please go now and let me finish my bath!“

      „¡Disculpe, señorita!“

      Mit diesen Worten verschwindet er.

      Zitternd stehe ich in der Wanne. Was bildet der sich eigentlich ein?!

      Das war bestimmt einer von den Viehhirten. Ungehobelter Bursche!

      Aber der Typ wird noch sein blaues Wunder erleben, das lasse ich mir nicht gefallen!

      Ich werde Jost von dieser Belästigung erzählen! Jetzt weiß ich jedenfalls, was Jost mir in Bezug auf die Männer hier sagen wollte.

      Ich lasse das Handtuch auf den Fußboden vor der Wanne fallen, dann sinke ich wieder ins Wasser und schaffe es, mich noch einige Minuten zu entspannen.

      Zurück in meinem Zimmer setze ich mich im Bademantel auf das sehr bequeme Bett und krame mein Handy hervor. Seit wenigen Jahren besitzt Jan-Hugo eines dieser unheimlich praktischen Geräte und ich habe solange gebettelt, bis ich zum Abi schließlich eines geschenkt bekam.

      Am besten finde ich die SMS und natürlich die Möglichkeit auch von unterwegs zu telefonieren.

      Seit vier Jahren besitze ich immerhin eine eigene E-Mail-Adresse.

      Jan-Hugo ist nicht der schnellste beim technischen Fortschritt, aber er passt sich den Notwendigkeiten an.

      „Nun komm schon, du Mistding! Geh schon an!“, murmele ich verärgert.

      Das Display leuchtet auch auf, aber der Empfang ist nicht existent!

      „Was soll denn das? Ich fass es nicht!“, rufe ich wütend aus.

      Wollte ich doch meinen Freunden die neuesten Nachrichten aus Paraguay simsen.

      Fast wäre ich im Bademantel runtergelaufen, aber schnell ziehe ich mir Jeans, und ein rotes Top an und lege mir sogar Make-up auf.

      Es ist mittlerweile halb sieben, als ich ins Wohnzimmer trete.

      „Buenas tardes“, grüße ich unsicher in die Runde.

      Dann entdecke ich Jost, der entspannt in einem Sessel sitzend liest.

      „Ah, Valeska. Hattest du ein angenehmes Bad?“

      „Geht so“, meine ich säuerlich. „Ich vergaß, die Badezimmertür abzuschließen und bekam überraschend Besuch.“

      Ich berichte von dem aufdringlichen Kerl, der mich belästigt hat, als ich nackt im Bad war.

      „Kannst du deine Mitarbeiter bitte vom Haupthaus fernhalten, wenn sie sich jungen Frauen gegenüber nicht benehmen können! Der soll sich ordentlich bei mir entschuldigen dieses Schwein!“

      „Valeska, beruhige dich!“, Jost schaut mich besorgt, aber auch irritiert an.

      „Schatz, die Mitarbeiter haben ihr eigenes Bad im Angestelltenhaus. Wenn hier tatsächlich einer von ihnen halb nackt vor unserer Badezimmertür herumlungert und dich oder, Gott bewahre, Juanita belästigt, dann bekommt er eine saftige Abmahnung!“ Jost sieht nun nicht mehr so entspannt aus. Juanita, die ihren Namen gehört hat und von ihrem Videospiel aufschaut, bemerkt lässig: „Papa, für mich klingt das nicht nach einem unserer Angestellten, sondern nach ...“

      Ein fröhliches „¡Buenas tardes, familia!“ unterbricht ihre Ausführungen.

      Ich drehe mich nach der angenehmen männlichen Stimme um und erstarre.

      „Jost, das ist er!!“, bringe ich schließlich hervor.

      „¡Oh, la chica del baño!“, ruft er erfreut aus und schiebt noch etwas Erklärendes für seine Familie nach.

      „Ramón, te presento Valeska, nuestra media hermana de Alemania“, erklärt Juanita ihrem Halbbruder grinsend. „Es tu hermanastra!“

      Meine rudimentären Sprachkenntnisse reichen aus, um zu verstehen, wie Juanita ihrem großen Bruder genüsslich die Verwandtschaftsverhältnisse darlegt.

      Immerhin hat mein Stiefbruder den Anstand, bei dieser Erklärung leicht zu erröten und etwas auf Spanisch zu stammeln.

      „Haha!“, lacht Juanita und erklärt mir: „Er dachte, du wärest meine deutsche Austauschpartnerin! Die kommt aber erst in den Frühjahrsferien im Oktober!“

      „¡Estúpido!“, sagt sie zu ihrem großen Bruder.

      Jost und Isabella flüstern halblaut auf Spanisch miteinander.

      Schließlich hebt Jost die Stimme und sagt ein paar harsche Worte zu Ramón.

      Dieser errötet noch etwas mehr und murmelt auf Spanisch etwas von „Schlüssel“ und „abschließen.“

      Dann stellt er sich aber vor mich hin und sagt auf Deutsch:

      „Fräulein, es tut mir sehr leid!“

      Ich grinse ihn an und sage auf Englisch: „Its okay, but please call me Valeska.“ Ich ergreife seine Hand, die er mir hinstreckt, dabei sagt er:

      „We will start again, okay?“

      „¡De acuerdo!“, bekräftige ich.

      „¡Oh, hablas espagñol!“

      „No, not at all! Just some words. Please lets continue in English!“

      Seine Hand, die immer noch meine hält, ist angenehm warm.

      „¡Perdon, Valeska!“

      „Alright! I was silly too! Can we have dinner now?“

      Jorge und Juanita grinsen und auch der Rest der Familie muss lächeln, dann brechen alle wie auf Kommando in schallendes Gelächter aus.

      „Ramón, wie er leibt und lebt!“, japst Jost schließlich. „Aber deine Einlage mit dem spannernden Angestellten, die war auch großartig.“

      Ich wische mir die Tränen aus den Augen, während sich meine neue Familie langsam auch wieder sammelt und sich gen Abendbrottisch begibt.

      Jorge und Juanita feixen, dann aber unterhalten sie sich angeregt mit Ramón auf Spanisch, der nun endlich auch von seiner Mutter und Jost angemessen begrüßt werden kann.

      Wir genießen ein außergewöhnliches paraguayisches Mahl – mit vielen Spezialitäten zubereitet von Carmen, der langjährigen Haushälterin und Köchin der Familie.

      Ramón erweist sich als hervorragender Unterhalter. Er erzählt Anekdoten aus seinem letzten Semester – über Partys, die er besucht hat und über das Sezieren von Leichenteilen sowie seine Praktika in den verschiedenen Krankenhäusern der Stadt und erste


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