Glaube. Группа авторов

Glaube - Группа авторов


Скачать книгу

      

      Glaube

      Friedrich W. Horn

      Mohr Siebeck GmbH & Co. KG

       [Zum Inhalt]

      |1|Einführung

      Friedrich W. Horn

      Glaube in sieben theologischen Disziplinen

      Das Stichwort Glaube benennt nicht ein Thema der Theologie neben vielen anderen, sondern umgreift das Ganze der christlichen Theologie und des christlichen Glaubens. Christen werden daher auch einfach Glaubende bzw. Gläubige genannt. Der Glaube gehört grundlegend zum Kennzeichen ihrer Religion oder, auf den Einzelnen bezogen, zu seinem religiösen Selbstverständnis. Was das Wesen des Christentums und der Theologie ist, kann vom Stichwort Glaube her erschlossen werden.

      Dennoch kann es in diesem Band nicht darum gehen, das Ganze des christlichen Glaubens als christliche Glaubenslehre darzustellen, so wie Friedrich Schleiermacher dies in seiner Glaubenslehre, ausgehend von einer Theorie des religiösen unmittelbaren Selbstbewusstseins, getan hat. Der Anlage der Reihe Themen der Theologie folgend soll in die einzelnen Disziplinen der Theologie, die sich im Laufe der letzten 150 Jahre herausgebildet haben, geschaut werden, um genauer wahrzunehmen, wie Glaube in ihnen zur Sprache kommt. Dass hierbei neben den biblischen Disziplinen Altes und Neues Testament, der Kirchengeschichte, der Systematischen Theologie und der Praktischen Theologie jetzt auch Religionswissenschaft und Judaistik aufgenommen werden, entspricht einerseits der jüngeren weiteren Ausdifferenzierung der theologischen Fächer, ist andererseits aber von der Sache her auch unumgänglich. Evangelische Theologie darf nicht darauf verzichten, das eigene Profil gerade im Gespräch mit Judaistik und Religionswissenschaft oder mit Interkultureller Theologie zu schärfen. Im Geleitwort des neuen Grundlagentextes des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aus dem Jahr 2015 heißt es: »Der vorliegende Grundlagentext erläutert diese Haltung des christlichen Glaubens in evangelischer Perspektive und schreibt die theologischen Leitlinien aus dem Jahr 2003 |2|(»Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen« EKD-Texte 77) in Richtung einer Theorie des Pluralismus fort.« Und wenn der interreligiöse Dialog zum Grundbestand moderner Gesellschaften gehört, ist die Klärung dessen, was Gegenstand des Dialogs sein soll, unabkömmlich. Es wäre auch reizvoll gewesen, das Thema Glaube direkt einem Islamwissenschaftler, einem Ethiker, einem Religionssoziologen, einem Pädagogen oder einem Religionspsychologen vorzulegen. Doch hat die Konzentration auf die im Studium der Evangelischen Theologie direkt begegnenden Disziplinen die Auswahl hier gesteuert und begrenzt. Immerhin bietet Daniel Cyranka in seinem Artikel einen Exkurs zu Glaube in Religionssoziologie und Religionspsychologie.

      Eine erste Einsicht im Gespräch mit allen Beiträgern des Bandes lautete: das Thema Glaube ist in den verschiedenen theologischen Disziplinen in äußerst unterschiedlicher Gewichtigkeit präsent. Sei es zum einen, dass wie im Alten Testament der quellensprachliche Befund und die Dichte des Vorkommens weitaus geringer sind als oftmals behauptet. Sei es zum anderen, dass das Thema Glaube, wie innerhalb der Religionswissenschaft, bislang nicht wirklich thematisiert, ja gelegentlich sogar ausgegrenzt wird bzw., wie innerhalb der Praktischen Theologie, eigentlich erst in jüngerer Zeit, hier dann aber prägnant, in den Fokus der Betrachtung tritt. In den Disziplinen Neues Testament, Kirchengeschichte und Systematische Theologie hingegen war das Stichwort Glaube immer gegenwärtig, was sich auch bis heute an einer Vielzahl von Monographien zum Thema ablesen lässt.

      Von Glaube ist im Alten Testament nicht häufig die Rede. Für haeʾaemîn finden sich nur 28 Belege, die teilweise noch untereinander vernetzt sind. Nach gegenwärtiger Forschung kann nicht mehr Jes 7,9b als Aussage des Propheten Jesaja im 8. Jahrhundert als Ausgangspunkt des Glaubensbegriffs im Alten Testament gelten. Christoph Levin zeigt, dass die meisten Belege erst nachträglich in diesen Kontext von Jes 7 und ebenso in andere alttestamentliche Kontexte gekommen sind, so dass haeʾaemîn als ein theologischer Schlüsselbegriff aus der Spätzeit des Alten Testaments aufgenommen wird. Levin datiert sein Vorkommen zeitlich noch nach deuteronomistischen und priesterschriftlichen Texten in die hellenistische Zeit. Glaube beschreibt eine Gottesbeziehung, deren Besonderheit im Unterschied zu anderen Arten der Gottesbeziehung darin liegt, dass der Glaube stets auf die vorausgehende Zuwendung Jahwes, auf Verheißungen und Wunder antwortet. Levin formuliert daher: Glaube, wie er im Alten Testament verstanden wird, ist seinem Wesen nach Antwort. Der Unglaube hingegen schlägt diese |3|Zuwendung Gottes aus und gilt daher als schweres Vergehen. Glaube gewinnt hierbei eine personale Dimension. Er überschreitet das Festmachen an Verheißungen und Wundern hin zu einer personalen Beziehung und begegnet dann als Glaube an Gott.

      Im Neuen Testament steht Glaube im Vergleich mit dieser eher schmalen und vergleichsweise spät sich artikulierenden alttestamentlichen Vorgeschichte dominant im Mittelpunkt, was zunächst schon allein der statistische Befund in der Konkordanz anzeigt. Sowohl das Substantiv πίστις als auch das Verb πιστεύειν begegnen je 243-mal. Diese Steigerung ist einerseits verständlich vor dem Hintergrund, dass das Christentum an Vorgaben religiösen Sprachgebrauchs innerhalb des Hellenismus anknüpfen konnte. Andererseits aber wird der Begriff des Glaubens zu einer solchen Kategorie, die unterschiedliche Beziehungen und Dimensionen des Christseins umfasst und sich zu einer umfassenden Bestimmung des Christseins entfaltet. Ein Impuls Jesu, Glaube als die Haltung des unbedingten Vertrauens in Gottes Fürsorge zu verstehen, wird hierbei sicher aufgenommen. Dieser findet sich etwa in dem Wort des Berge versetzenden Glaubens, aber auch in der formelhaft verdichteten Rede vom rettenden Glauben, etwa im Kontext von Wundern Jesu.

      Doch sind es vor allem die neutestamentlichen Schriften und unter diesen vorrangig die Paulusbriefe und das Johannesevangelium, die dem Glauben eine Zentralstellung innerhalb ihrer theologischen Entwürfe zuweisen. Der Schriftbezug durch Zitat oder Anspielung auf Gen 15,6; Jes 28,16 und Hab 2,4 wird für Paulus wesentlich, da diese Vorgaben an Schaltstellen seiner Briefe (Röm 1,17; 4,3; 5,5; 9,33; 10,11; Gal 3,6.11) grundsätzlich aufgenommen und entfaltet werden, etwa zur Gerechtigkeit aus Glauben ohne Werke des Gesetzes. Darüber hinaus umgreift Glaube das gesamte christliche Leben, was etwa in der von Paulus gewählten Trias Glaube, Liebe, Hoffnung (1Thess 1,3; 1Kor 13,13) zum Ausdruck kommt. Glaube und Christsein werden nahezu synonym verwendet. Die Christen können als Glaubende angesprochen werden und die Rede von ›eurem Glauben‹ wird zu einem umfassenden Hinweis auf die neue Identität. Die sog. Pistisformeln halten wohl fest, worauf dieser Glaube sich bezieht und woran er sich hängt, jedoch stehen sie und auch die Haltung des doxastischen Fürwahrhaltens eher am Rand des Neuen Testaments. Dass im Johannesevangelium ausschließlich und reichlich nur vom Verb πιστεύειν Gebrauch gemacht wird, ist von der Christologie her einsichtig. Glaube gewinnt die Gestalt des Erkennens Jesu Christi und des Vertrauens in diesen als den von Gott Gesandten.

      |4|Die Darstellung des Glaubens in der Kirchengeschichte nimmt in diesem Buch den weitaus größten Raum ein, auch wenn es in Absprache mit der Systematischen Theologie noch eine einschränkende Begrenzung gegeben hat. Letztere setzt mit der Aufklärung und dem Neuprotestantismus ein, und der kirchengeschichtliche Beitrag führt in etwa bis zur altprotestantischen Orthodoxie. Hierbei wird von vornherein der Versuchung widerstanden, jeder theologischen Stimme in diesem Zeitraum einen gebührenden Ort einzuräumen. Vielmehr bietet der Beitrag von Martin Ohst eine fünffache Konzentration. Diese thematisiert in enger Bindung an die Quellen diejenigen Entwürfe, die für den Glaubensbegriff und das Glaubensverständnis der Kirche und in ihrer Geschichte bis heute irreversibel grundlegend geworden sind: a) die Anfänge (Neues Testament, Antikes Christentum); b) Augustinus; c) die Scholastik und der katholische Glaubensbegriff des Frühmittelalters; d) Martin Luther und die reformatorische Transformation des Glaubensbegriffs und e) die unmittelbar nachreformatorische Zeit. Gewisse Überschneidungen mit dem neutestamentlichen Teil sind unvermeidlich, auch wenn Martin Ohst teilweise andere Akzentuierungen als dieser setzt. Natürlich kommt der Darstellung des Glaubensbegriffs Martin Luthers eine zentrale Aufmerksamkeit zu, da er von einem erneuerten Verständnis von Gott und Mensch her neu erfasst wurde und so an einen neuen Ort in der Topographie der denkenden Rechenschaft vom christlichen Glauben rückte.


Скачать книгу