Kreisläufe des Klimawandels. Dalai Lama
Hinzusehen erfordert Mut. Würden wir tief in die Bedrohungen unseres einzigen Zuhauses schauen und sie wirklich begreifen, wäre es unsere einzige Option, uns sofort grundlegend und weitreichend zu verändern.
Die Reaktion der Erde auf die globale Erwärmung durch die Emissionen fossiler Brennstoffe beschleunigt dramatisch den Anstieg der Temperatur in Zyklen, die drohen, außer Kontrolle zu geraten. Das ist das Problem. Die Lösung? Wenn wir mit Dringlichkeit und Intelligenz zusammenarbeiten, können wir Emissionen reduzieren und dazu beitragen, die besten Technologien der Natur zu erneuern, um Kohlenstoff dort zu speichern, wo er hingehört: im Boden.
Eine historische Begegnung: Seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama und Greta Thunberg
Die Moderatorin eröffnete das Programm mit einer persönlichen Begrüßung des Dalai Lama. Viele Jahre waren vergangen, seit sie sich die beiden zum ersten Mal begegnet waren, in den USA und in Dharamsala sowie in Mundgod, der tibetischen Siedlung im Süden Indiens. Zusammen mit dem Mind & Life Institute veranstaltet Seine Heiligkeit schon seit Jahrzehnten Dialoge zwischen Wissenschafts- und Weisheitstraditionen. Und manchmal erzählt er seine Geschichte. Wie er 1959 aus seiner Heimat Tibet vertrieben wurde und seither sein Volk im Exil führt. Ein Flüchtling, der alles zurücklassen musste, was er kannte, so wie es jetzt Klimaflüchtlinge tun müssen. Vierzig Millionen Menschen mussten bereits ihre Heimat verlassen, weil sie zur Wüste wurde, und bis 2050 könnten es bis zu eine Milliarde sein. Die Geschichte, die Seine Heiligkeit erzählt und die er mit Mut und Anmut gelebt hat, kann uns viel darüber beibringen, wie wir einander unterstützen können und wie wir unsere Menschlichkeit, auch in Zeiten der Dunkelheit, des Traumas und der Verzweiflung, bewahren können.
Für das von ihm vermittelte Bewusstsein der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen dem Menschen und allen Lebewesen erhielt der Dalai Lama 1989 den Friedensnobelpreis. Er war der erste Preisträger, dessen Erkenntnisse die Arbeit zum Schutz der Umwelt hervorhoben. Das Nobelpreiskomitee betonte, dass er »seine buddhistische Friedensphilosophie auf der Ehrfurcht vor allen Lebewesen und der Idee einer universellen Verantwortung gründet, die Mensch und Natur umfasst«. Diese und verwandte Themen sind nun allgegenwärtige Lehren und Schriften, die sich auf der ganzen Welt verbreitet haben.
Bei der Veranstaltung im Januar 2021 betraf unsere erste Frage an Seine Heiligkeit seinen Brief, den er vor einiger Zeit an Greta geschickt hatte, und den Sie im folgenden Kapitel nachlesen können. Was hat ihn dazu inspiriert, Greta zu schreiben? Warum wollte er mit ihr in Kontakt treten, sie kennenlernen und wie sieht er die Bedeutung ihrer Arbeit für die Zukunft?
Nach seiner herzerwärmenden Reaktion begrüßten wir Greta mit Dank für ihr Engagement, ihre Arbeit und die Zeit, die sie sich genommen hatte, um bei uns zu sein. Mitten in der Nacht. Greta hatte kurz davor, am 3. Januar, ihren 18. Geburtstag gefeiert und würde am darauffolgenden Montag nach langer Abwesenheit wieder zur Schule gehen. In öffentlichen Interviews und Statements macht sie oft deutlich, dass sie viel lieber zur Schule gehen würde, statt ihre Ausbildung und ihre Kindheit zu opfern, um »Erwachsene aufzuwecken«. Sie sollen, verlangt sie, »nicht zu uns sagen, was Sie in der von Ihnen geschaffenen Gesellschaft für politisch möglich halten, (…) sondern Ihre Differenzen beilegen und anfangen, sich so zu verhalten, wie man es in einer Krise tun würde. Wir Kinder tun das, weil wir unsere Hoffnungen und Träume zurückhaben wollen«.
Nach dem Austausch zwischen den beiden neuen Freunden war es Zeit, uns den wissenschaftlichen Grundlagen der Feedback-Loops zu widmen. Denn wir müssen tun, worauf sowohl der Dalai Lama als auch Greta Thunberg bestehen: auf die Wissenschaft hören. Gerade in Anbetracht der Klarheit, mit der sie der Menschheit die Herausforderung zeigt.
Nachrichten aus der Wissenschaft
Zwei renommierte Wissenschaftler, die ihr Leben dem Problem des Klimawandels gewidmet haben, waren vor Ort, um uns die Dringlichkeit unserer Situation vor Augen zu führen. Dr. Susan Natali ist eine Inspiration dank ihres Fachwissens, ihres Engagements und ihres Mitgefühls, das sie antreibt. Sie arbeitet derzeit im vielleicht herausforderndsten Gebiet der Welt, der schmelzenden Arktis. Herausfordernd ist das sowohl auf körperlicher, als auch auf intellektueller und emotionaler Ebene. Am Woodwell Climate Research Center in Falmouth, Massachusetts, leitet sie das Arctic Program, ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlern, das die Triebkräfte und Folgen des schnellen arktischen Wandels untersucht. Dr. Natali untersucht die Auswirkungen von auftauenden Permafrostböden und Bränden auf die Speicherung oder Freisetzung von Kohlenstoff und damit auf das globale Klima. Ihre Arbeit umfasst, auf lokaler und globaler Ebene, prozessorientierte Feldforschung, Fernerkundung und computergestützte Modellierung. Wir wollten unbedingt mehr von ihr lernen.
Bill Moomaw hat bahnbrechende Beiträge zu vielen Umweltstudien verfasst. Es geht um nachhaltige Entwicklung, erneuerbare Energien, politische Auswirkungen auf den Klimawandel und vieles mehr. Heute ist er emeritierter Professor für Internationale Umweltpolitik an der Fletcher School of Law and Diplomacy der Tufts University und war unter anderem koordinierender Hauptautor des Kapitels des Weltklimarates (IPCC) von 2001 über Treibhausgasemissionen und Hauptautor von drei weiteren IPCC-Berichten (1995, 2005 und 2007). Die Arbeit des IPCC wurde 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Diese beiden hochrangigen Wissenschaftler, Sue und Bill, diskutierten während des Zusammentreffens als Beispiele für Feedback-Loops zwei Arten von natürlichen Ökosystemen: Wälder und Permafrost in der Arktis und wie sie interagieren. Bill sprach darüber, wie das Schicksal der Wälder auf der ganzen Welt das Schicksal der Arktis beeinflusst und umgekehrt. Und das Schicksal der Menschen. Wir müssen die Arktis wieder einfrieren, um sie zu retten, sagte er. Um die Arktis wieder einzufrieren, müssen wir die Erde abkühlen. Um die Erde abzukühlen, müssen wir die Feedbacks stoppen und dafür müssen wir die bereits in der Atmosphäre vorhandenen wärmespeichernden Gase reduzieren.
Jüngste Studien zeigen, dass, wenn wir unserer Wälder wieder wachsen lassen, sie das Potenzial haben, doppelt so viel Kohlenstoff zu speichern wie heute. Wir müssen uns die Tatsache zunutze machen, dass größere Bäume den meisten Kohlenstoff ansammeln und speichern. Wir müssen Bäume weiterwachsen lassen, damit sie den Kohlenstoff speichern können, der so dringend gespeichert werden muss. Das Pflanzen neuer Bäume ist hilfreich, aber es dauert lang, bis das bedeutende Auswirkungen hat.
Wir müssen handeln
Wir sehen, dass wir einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt sind, die mit der Art und Weise zusammenhängt, wie wir Menschen unsere Industriegesellschaft, unsere Wachstumswirtschaft, unsere Landwirtschafts- und Verkehrssysteme, unsere Glaubenssysteme und unsere Lebensweise organisiert haben. Das spüren die meisten von uns schon lange. Nachdem wir diese Realität erkannt haben, können wir nicht anders, als uns zu fragen: Was müssen wir tun? Wer müssen wir sein? Wie leben wir mit diesem Wissen heute und morgen und für den Rest unserer Tage?
Es ist eine positive Entwicklung, wie der Dalai Lama und Greta Thunberg betont haben, dass junge Aktivisten von Politikern fordern, gegen den Klimawandel vorzugehen, auch im Zusammenhang mit mehr sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit. Das ist der einzige Weg. Und so liegt es nun an uns, diesen Weg ebenfalls zu gehen. Nicht einmal zu handeln, sondern immer wieder.
Wir müssen handeln, um unserer selbst willen und für alle, die wir kennen und lieben und jemals gekannt haben, für alle, die wir nicht kennen, von denen wir wenig oder nichts wissen, wir müssen es zum Wohle aller Menschen und aller Lebewesen tun, für eine gemeinsame Zukunft, in der unsere Schicksale miteinander verbunden sind.
Wachen Sie morgens auf und fragen Sie sich: Was werde ich heute gegen den Klimawandel tun? Gehen Sie ins Bett undfragen Sie sich: Was habe ich heute gegen den Klimawandel getan und was werde ich morgen tun? Wie kann ich anderen helfen, zu sehen, was ich sehe und was ich nicht länger ignorieren kann? Wen kann ich dabei als meinen Partner finden, und wen können wir beide gewinnen, um sich uns anzuschließen, bis wir eine Menge bilden?
Wenn wir unsere Arbeit gut machen, können wir hoffen, einen positiven sozialen Feedback-Loop