So sind wir. Christian Hafenecker

So sind wir - Christian Hafenecker


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ihren Koalitionspartner unter Druck zu setzen, und kritisierte die FPÖ öffentlich, beipielsweise im Zuge der „Liederbuch-Affäre“ oder des „Rattengedichtes“. Von einer partnerschaftlichen Arbeit auf Augenhöhe war nur noch wenig übrig geblieben.

      Am 17. Mai 2019 um 18.00 Uhr veröffentlichen die beiden deutschen Medien „Der Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ einen siebenminütigen Zusammenschnitt des besagten Bildmaterials.

       „Genug ist genug!“ – „So sind wir nicht!“

      Danach überschlagen sich die Ereignisse. Strache tritt am 18. Mai 2019 um 12 Uhr zurück. Eine unmittelbar danach angekündigte Erklärung von Bundeskanzler Kurz wird immer wieder verschoben. Anstatt der, gegenüber der FPÖ versprochenen, Fortführung der türkis-blauen Koalition, lässt Kurz am Abend – zur besten Sendezeit um 19.45 Uhr – die Regierung platzen, denn: „Genug ist genug!“

      Nur wenig später – um 20.30 Uhr – tritt auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen im ORF-Fernsehen auf und kritisiert ein Sittenbild, „das unserem Land nicht gerecht wird“. „So sind wir nicht“, wird er wenige Tage später betonen.

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      Abbildung 2: Rücktrittsrede von Vizekanzler H. C. Strache am Vormittag des 18. Mai 2019

      FPÖ-Politiker haben in zahlreichen Interviews den Ablauf dieser Tage detailliert geschildert. Kurz und Van der Bellen hingegen geben sich bis heute sehr zugeknöpft. Sie wollen sichtlich den Eindruck vermitteln, von den Vorgängen überrascht, ja geradezu überrumpelt worden zu sein – und dann blitzschnell und staatsmännisch reagiert zu haben.

       Rätselraten um Doppelgänger von Strache

      Erstmals stürzen ausländische Journalisten eine österreichische Regierung

      Als am Abend des 17. Mai 2019 das „Ibiza-Video“ zeitgleich um 18 Uhr von der „Süddeutschen Zeitung“ und vom „Spiegel“ auf ihren Webseiten veröffentlicht wird, passiert Einmaliges: Zum ersten Mal stürzen ausländische Journalisten eine österreichische Regierung, mit einem entsprechend zusammengeschnittenen Video. Aus einem Material von sieben Stunden werden sieben Minuten herausgepickt.

      Einer der verantwortlichen Redakteure der Video-Veröffentlichung war der Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, Oliver Das Gupta. Fragen zu Hintermännern, Personen, die die Aufnahmen übergaben, und ob für das Video Geld bezahlt wurde, wollte er nicht beantworten. Das Gupta teilte dem Online-Medium “Unzensuriert“ schriftlich mit:

       „Wie schon telefonisch erwähnt, werde ich über redaktionelle Interna sowie die Quellen – und darauf zielen manche Ihrer Fragen ab – aus naheliegenden und oft kommunizierten Gründen nicht antworten. Etwa die Frage, ob wir Geld für den Erhalt des Materials gezahlt hätten, ist nun doch wirklich oft genug beantwortet worden.“

      Von allen Seiten wurde stets bestritten, dass für die Bereitstellung des Videomaterials und diesbezügliche Informationen Geld geflossen sei. Diese Aussagen widersprechen aber einer Chat-Nachricht des Detektivs Julian Hessenthaler an seinen Bekannten, dem er Geld schuldete und dem er schrieb:

       „Anfang März 19. Sollten v spiegel mitte jan ausgezahlt werden. Somit problemlos.“47

      und weiter:

       „laut spiegel ist mit 3 / 4 feb woche mit geld zu rechnen.“48

      Wie soll man diese Chat-Nachricht interpretieren, die von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf dem Mobiltelefon eines der „Ibiza“-Drahtzieher gefunden und die dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss vorgelegt wurde?

      „Spiegel“ und „Süddeutsche“ beharren dennoch darauf, kein Geld für das „Ibiza-Video“ bezahlt zu haben. Gegen anderslautende Meldungen wurde gerichtlich vorgegangen – so wurde eine diesbezügliche Behauptung des Nachrichtenportals „oe24.at“ in einem gerichtlichen Eilverfahren untersagt. Einen Revisionsrekurs der Beklagten wies der Oberste Gerichtshof (OGH) zurück, wie das Anwalts-Medium „juve.de“ am 17. Februar 2021 schrieb.49

       Über Geld und Informanten spricht man nicht

      So wird im Buch der beiden Autoren und „Süddeutsche“-Redakteure Frederik Obermaier und Bastian Obermayer mit dem Titel „Die Ibiza-Affäre“ immer nur von „Kontaktleuten“ gesprochen, ohne Namen zu nennen. „Das wollen wir in diesem Buch bewusst offen lassen, um unsere Quellen zu schützen“, heißt es da.50

      Verraten wird lediglich, dass eine mysteriöse Verabredung mit den „Kontaktleuten“ stattgefunden habe. Man akzeptierte, schließlich sei „die Quelle der König“. Ausgemacht wurde, dass diese Kontaktleute einen Tag nennen würden, am Vorabend dieses Tages dann eine bestimmte Stadt in Deutschland und schließlich vor Ort angekommen, würde man den investigativen Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ den Treffpunkt mitteilen – ein gut erreichbares Hotel.51

      Erst im Hotelzimmer wollen sie erfahren haben, dass es sich wirklich um eine „heiße Story“ handeln könnte und dass es dabei um den österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache geht, dem die „Kontaktleute“ (wie viele es waren, wird auch nicht verraten) eine Video-Falle gestellt hätten.52

      Interessant: Im Buch der Journalisten Obermaier und Obermayer halten die beiden fest, dass sie selbst niemals zu solchen Mitteln greifen würden, wie es die Fallen-Steller auf „Ibiza“ getan haben. Wörtlich heißt es:

       „Natürlich: Auch Journalisten setzen manchmal ähnliche Mittel ein, wenn sie undercover recherchieren. Allerdings ist die Haltung der SZ dazu sehr klar: Wir gehen nicht undercover. Wir filmen niemanden heimlich, wir legen niemanden herein und locken niemanden in eine Falle.“53

      Aber eines Materials, bei dem andere jemanden in eine Falle locken, bedient man sich offenbar schon. Es sei ja nicht verwerflich, undercover zu recherchieren, betonen Obermaier und Obermayer beinahe entschuldigend in ihrem Buch.

      In einem Hotel irgendwo in Deutschland bekommen die Journalisten im Sommer 2018 also erstmals das Video zu Gesicht. Der Ton ist miserabel, berichten sie. Und man zweifelt, ob es sich bei der gezeigten Person tatsächlich um Heinz-Christian Strache handeln würde. Es könnte ja auch ein Doppelgänger sein, und wer weiß, dachten sie sich, könnte das Video ja auch manipuliert worden sein. Aus diesem Grund war es auch notwendig, die gesamte, siebenstündige Aufzeichnung anzusehen.54

      Im Herbst 2018 dann die alarmierende Nachricht für die „SZ“-Aufdecker. Auch ein anderes Medium hat Wind davon bekommen, die „Quelle“ sei offenbar auch im Gespräch mit dem „Spiegel“, einem der größten Konkurrenten der „Süddeutschen Zeitung“, wenn es um investigativen Journalismus geht. Schnell können sich die „SZ“-Journalisten mit dem „Spiegel“-Mann, Martin Knobbe, der früher selbst für die „Süddeutsche“ schrieb, über eine Zusammenarbeit einigen. Gemeinsam wird recherchiert, auch die vermeintliche reiche Russin wurde im Doppelpack (SZ und Spiegel) getroffen – und zwar an einem abgelegenen Ort, schwer erreichbar und mit einer nächtlichen Zugfahrt verbunden, wie es im Buch beschrieben wird.55

      Am 15. Mai, also zwei Tage vor der Veröffentlichung des „Ibiza“-Videos, wandten sich die Redakteure per WhatsApp mit konkreten Fragen zu den Themen, die im „Ibiza-Video“ besprochen wurden, an Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus. Die Nachrichten wurden laut den Buchautoren um 14.31 Uhr abgeschickt. Normalerweise konfrontiere man die Gegenseite mit einer E-Mail, die man später den jeweiligen Pressesprechern


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