Die Tyrannei des Geldes. Hans Peter Treichler

Die Tyrannei des Geldes - Hans Peter Treichler


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Hans Peter TreichlerDie Tyrannei des Geldes Henri-Frédéric Amiel über Besitz und Bürgertum

      HANS PETER TREICHLER

      Die Tyrannei des Geldes

      Henri-Frédéric Amiel über Besitz und Bürgertum

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      Autor und Verlag danken für die Förderung des Werks durch die

      STEO-STIFTUNG ZÜRICH

      Alle Rechte vorbehalten

      Nachdruck in jeder Form sowie die Wiedergabe durch Fernsehen, Rundfunk, Film, Bild- und Tonträger, die Speicherung und Verbreitung in elektronischen Medien oder Benutzung für Vorträge, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher und schriftlicher Genehmigung des Verlags

      1. Auflage 2012

      © Conzett Verlag by Sunflower Foundation, Zürich

      Satz und Gestaltung: Vreni Stoob, St. Gallen

      Bildbearbeitung: Meithal AG, Zürich

      ISBN 978-3-03760-011-5

      Weitere Informationen finden Sie unter

      www.conzettverlag.ch und www.sunflower.ch

      eBook-Herstellung und Auslieferung:

       Brockhaus Commission, Kornwestheim

       www.brocom.de

      Inhalt

       Vorwort

       KAPITEL 1 Ein Leben im Rückwärtsgehen

       KAPITEL 2 Genf – die magischen Jahre

       KAPITEL 3 Der Literat und das Geld oder La tyrannie de l’écu

       KAPITEL 4 Liebe und Mitgift

       KAPITEL 5 Standesgemäss leben

       KAPITEL 6 Les reflets de l’or: Psychologie des Geldes

       KAPITEL 7 Der Schweizer Franken: Patenkind des Elysées

       KAPITEL 8 Das Geld und die Zeit

       KAPITEL 9 Banken und Börsen

       KAPITEL 10 Gefahr des Versteinerns: das Bürgertum

       EPILOG Ein Liebhaber des Halbschattens

       Anhang

       Bibliografie

       Bildnachweise

       Textnachweise

       Jahr für Jahr – Zeittabelle

       Register

      Vorwort

      Genf im 19. Jahrhundert: Täglich schreibt der Philosoph Henri-Frédéric Amiel seine Eindrücke nieder und hinterlässt 16’900 Seiten gelebtes Leben. Ein Journal intime mit verblüffenden Gedanken und Ideen. Denn Amiel trifft 150 Jahre vorweg den Kern der Finanz- und Gesellschaftskrise des angehenden 21. Jahrhunderts.

      «Die bürgerliche Gesellschaft», mahnt Amiel im Tagebuch, «die sich auf das Geld gründet, geht durch das Geld unter, wenn das Symbol die Sache selbst ersetzt.»

      Das schreibt Amiel 1851. Es ist die Zeit der grossen Romane von Victor Hugo und Honoré de Balzac. In Paris. Auch im kleinen Genf sitzt einer, der sich Gedanken macht. Gedanken, die heute so aktuell sind wie damals.

      Was spricht Amiel hier an? Wer das Geld mit der Sache selbst verwechselt, erkennt die Beziehungen hinter dem Geld nicht. Alles wird materialisiert. Doch wenn wir auch die menschlichen Beziehungen materialisieren, geht die herkömmliche Gesellschaft unter. Wie ungeheuerlich wirkt seine Prophezeiung erst für eine Zeit, in der wir das Symbol, die Banknote, die Münze nicht mehr anfassen können? Eine neue Gesellschaftsform bahnt sich an.

      Gerne verfolgen wir Amiels Gedanken zu Geld, aber auch zu Liebe und Mitgift, zum Bürgertum, zum Genf seiner Zeit.

      Jürg Conzett

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      Henri-Frédéric Amiel in seinen ersten Jahren als Dozent an der Académie (Porträt von 1852). Viele Bekannte merkten seine Ähnlichkeit mit dem Freiheitshelden Garibaldi an. Der Poet und Philosoph Amiel ist aber alles andere als ein Kämpfer. Zurückgezogen lebend, führt er während Jahrzehnten ein Tagebuch voller tiefsinniger Einsichten über das Wesen des Menschen und der Gesellschaft.

      KAPITEL 1

      Ein Leben im Rückwärtsgehen

       Combien un peu d’or de plus ou de moins change la vie!

      Cela révolte la fierté de l’âme. La tyrannie de l’écu est avilissante.

      Il est ignoble de poursuivre la fortune; il est irritant

      de dépendre de Mammon.

      Ein paar Goldstücke mehr oder weniger – wie sehr verändern sie doch das Leben! Das empört die Seele in ihrem Stolz. Die Tyrannei des Geldes ist erniedrigend. Es ist würdelos, dem Reichtum nachzujagen; es ist irritierend, vom Mammon abhängig zu sein.

      Der Mann, der diese Sätze festhielt, brauchte nicht würdelos dem Geld nachzujagen. Henri-Frédéric Amiel (1821–1881) stammte aus einer gutsituierten Genfer Kaufmannsfamilie, erhielt schon mit 28 eine Professur für Ästhetik an der Genfer Académie und wurde in seinen Kreisen als geistreicher, liebenswürdiger Causeur geschätzt. Frauen liebten seinen sanften, ein wenig melancholischen Blick und seine einfühlende Art; er galt für manche Genfer Familien als begehrter Junggeselle. Zwar trug ihm die Stellung als Dozent nur ein bescheidenes Gehalt ein, aber Amiels Eltern hatten ihren Kindern ein ansehnliches Vermögen hinterlassen. Sowohl Vater wie Mutter verstarben früh; die Familie eines Onkels hatte den 13-jährigen Henri-Frédéric und die beiden Schwestern aufgenommen und ihnen eine «standesgemässe» Erziehung ermöglicht. Für Amiel bedeutete das: Ausbildung an der Académie, daran anschliessend lange Studienjahre im Ausland, vor allem in Berlin, Abschluss in Philosophie und Geistesgeschichte, die Berufung nach Genf.

      Trotzdem fand sich Amiel im mittleren Lebensalter in einer unbequemen Zwischenstellung. Zur aristokratisch getönten Genfer Oberschicht der Gelehrten und Bankiers mit Namen wie Pictet, Dufour und de Saussure, die er als «gutes altes Felsgestein» achtete, hielt er Abstand. Noch weniger behagten ihm die dynamischen Kaufleute und Unternehmer radikaler Prägung. Sie hatten in den Mittvierzigerjahren in


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