Fachdidaktik Englisch - Fokus Literaturvermittlung. Jürgen Bona Meyer
Jürgen Meyer
Fachdidaktik Englisch: Fokus Literaturvermittlung
Eine hermeneutische Analyse von Lehrwerken der gymnasialen Oberstufe
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Digitaler Anhang abrufbar unter
© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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ISSN 2367-3826
ISBN 978-3-8233-8519-6 (Print)
ISBN 978-3-8233-0335-0 (ePub)
Vorwort
In dieser Studie plädiere ich dafür, dem diskursiven, reflektierten Umgang mit Literatur einen neuen Ort im Fremdsprachenunterricht der Schule im Fach Englisch einzuräumen. Dies geschieht keineswegs, um die bewährte Kombination von affektiven und kognitiven Zugängen vollständig zu beseitigen oder die Arbeit mit neuen, digitalen Medien aus dem Unterricht auszuschließen; gleichwohl soll bewirkt werden, eine bessere Anschlussfähigkeit zwischen schulisch vermittelter literarischer Kompetenz und akademischen Methoden der Texterschließung herzustellen. Damit soll ein weniger starker Bruch zwischen Sekundar- und Tertiärbildung, zwischen dem schulischen Fremdsprachenunterricht Englisch und den Bereichen Literaturwissenschaft/Literaturdidaktik im Fach Anglistik ermöglicht werden.
Es wird hier darum gehen, vor allem zwei per se literaturaffinen Themen in Englisch-Lehrwerken für die gymnasiale Oberstufe besondere Geltung als Literatur zu verschaffen und an ihnen die spezifische Wirkung sprachlicher Kunstwerke erarbeiten zu lassen: „Science, Technology“ (inkl. Utopie und Dystopie) sowie „Shakespeare“. Mit diesen Unterrichtsthemen können zeitgenössische und klassische literarische Texte als ästhetische, historische und formale Diskursformationen zu Wort kommen und so zur Geltung gebracht werden, dass sie nach dem Übergang in die akademische Lernumgebung produktiv genutzt werden können. In anderen thematischen Zusammenhängen mit einem höheren Lebensweltbezug, wie z.B. in „Individual and Society“, „Identity“, „Media“ und „Globalization“, erscheint demgegenüber ein höherer Grad von didaktischer Plausibilität gegeben, wenn die Schüler:innen in ihrem Dialog mit literarischen Texten vermehrt auch eigene imaginäre Spielräume konstruieren.
Die Studie richtet sich an fortgeschrittene Studierende in den Lehramtsstudiengängen ebenso wie an Referendar:innen und (Hochschul-) Lehrer:innen. Die folgenden kurzen Hinweise mögen als Orientierung für die verschiedene Adressatengruppen dienen. Kapitel 1 und 3 richten sich vor allem an diejenigen Gruppen, die in die gymnasiale Lehramtsausbildung involviert sind: Angesprochen sind hier insbesondere anglistische und amerikanistische Literaturwissenschaftler und Literaturdidaktiker – ersteren sollen zum einen Hinweise gegeben werden, die ihnen bestimmte Dynamiken im gegenwärtigen Lehrbetrieb vieler Seminarveranstaltungen besser zu verstehen helfen; zum anderen soll ihnen hier ein Überblick darüber gegeben werden, mit welchen methodischen Verfahren im Oberstufenunterricht die englischsprachigen Literaturen an die zukünftigen Studierenden vermittelt werden. Die fachdidaktischen Kolleg:innen wiederum sind eingeladen, aus empirischer Sicht die hier beschriebenen Symptome in den schulischen Kursen zu evaluieren, sowie ggf. die Ursachen für die Krise im Umgang mit Literatur schärfer zu erfassen.
Die zentrale, vergleichende Lehrwerkanalyse (Kapitel 2) adressiert v.a. gymnasiale Lehrkräfte, die konstruktive Anregungen für den kritischen Einsatz der hier fokussierten Inhalte ‚ihrer‘ schulischen Lehrwerke suchen, wie auch Studierende mit praktischer Lehrerfahrung und Referendar:innen, die dies gerade erlernen. Sie sollen erkennen, dass sie die in Lehrwerken angebotenen Materialien für den Unterricht immer wieder analysieren, beurteilen und verändern bzw. anpassen müssen. Diese Zielgruppen finden jenseits der hier vorgestellten thematisch-methodisch fokussierten Darlegungen in einem digitalen Anhang zu diesem Buch Unterrichtsmaterialien mit Textpassagen, die den Lehrwerkstexten als (ihrerseits editierbare und also modifzierbare) Ergänzung zugeordnet sind. Das Ziel dieser Materialien ist es, die textnahe Unterrichtsarbeit mit dem jeweiligen literarischen Werk zu intensivieren. Die Anlage dieses digitalen Anhangs ist so gestaltet, dass ein dynamischer Vorrat an lehrwerksgebundenen Materialien geschaffen wird, der über die Verlags-Website abgerufen werden kann (www.meta.narr.de/9783823385196/digitaler_Anhang.zip).
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Entstanden ist die Idee zu dieser Studie in den Jahren meiner universitären Lehrtätigkeiten als Literaturwissenschaftler. Gestalt angenommen hat sie dann während meiner Professurvertretungen der Englischen Fachdidaktik an den Universitäten Paderborn (2014-16), Bielefeld (2016-19) und Vechta (2019/20). In dieser Zeit konnte ich mich, aus dem Arbeitsgebiet der Englischen Literatur- und Kulturwissenschaft kommend, kontinuierlich und systematisch mit den Inhalten der Englischen Literaturdidaktik auseinandersetzen.
Dem Reihen-Herausgeber, Prof. Dr. Engelbert Thaler (Universität Augsburg), danke ich vielmals für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe Studies in English Language Teaching. Prof. Dr. Michael Meyer (Universität Koblenz-Landau) war der erste Leser des Manuskripts und lieferte mir mit seinem kritisch-konstruktiven Feedback eine Fülle von wertvollen und sachdienlichen Hinweisen – ein herzlicher Dank geht auch an ihn. Frau Kathrin Heyng und besonders Frau Tina Kaiser vom Verlag Narr Francke Attempto waren für mich in der Phase der Druckeinrichtung stets erreichbare Ansprechpartnerinnen; sie trugen wesentlich dazu bei, dass der Band eine ansehnliche Form erhalten hat. Selbstredend gehen alle verbliebenen Fehler und Unzulänglichkeiten zulasten des Autors.
Meine innigste Dankbarkeit gilt meiner Familie: Tess und Laura. Sie haben den langwierigen und anhaltenden Prozess der fachlichen und persönlichen Horizonterweiterung mit manchen Ermahnungen, vielen Ermunterungen und unzähligen Ermutigungen geduldig begleitet und mir alle erdenkliche Unterstützung zukommen lassen. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.
Sennewitz, im Sommer 2021 Jürgen Meyer
1 Ausgangspunkte
1.1 Literaturvermittlung an Schule und Universität: „Zwei Galaxien“?1
Es ist mittlerweile ein Gemeinplatz zu sagen, dass die zunehmende Digitalisierung spätestens seit der Verbreitung des Internet in den 1990er und der sozialen Medien in den 2000er Jahren die Gesellschaft in allen Bereichen – Arbeit, Freizeit, Bildung – stark verändert habe.2 Einen mindestens ebenso einflussreichen Faktor im Bildungssektor stellt der pädagogische Paradigmenwechsel von einem wissensbasierten, stark lehrerzentrierten und input-orientierten zu einem kompetenzorientierten (Fremdsprachen-)Unterricht mit einem Akzent auf den Ergebnissen und Produkten der Lernenden dar, der sich im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts vollzogen hat – mit einer lernerorientierten Beschreibung von Kompetenzen, die auf Sprachenebene europaweit (CEFR 2001) und auf Bundesebene durch die Festlegung von Bildungsstandards definiert wurden (zuletzt KMK 2012). In diesem Zusammenhang veränderte sich auch der fremdsprachliche Literaturunterricht