Müde Mütter - fitte Väter. Sibylle Stillhart
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Sibylle Stillhart, geboren 1973, arbeitete als Journalistin und Redaktorin für diverse Zeitungen und Zeitschriften sowie als Pressesprecherin in der Bundesverwaltung. Sie ist verheiratet, hat zwei Söhne und schreibt heute als freischaffende Journalistin und Autorin.
Sibylle Stillhart
Müde Mütter – fitte Väter
Warum Frauen immer mehr arbeiten und es trotzdem nirgendwohin bringen
Mit Gesprächen mit Barbara Hochstrasser, Remo Largo,
Roland A. Müller und Mariam Tazi-Preve
Limmat Verlag
Zürich
Mein Leben als berufstätige Mutter
Auf der Suche nach gleichberechtigten Paaren
Auf der Suche nach den «neuen Vätern»
«Väter machen vom Vaterschaftsurlaub nur wenig Gebrauch»
Ein Gespräch mit Mariam Tazi-Preve
Theorie und Praxis der sogenannten Vereinbarkeit
«Man macht sich wohl schon Illusionen, was Kinder betrifft»
Ein Gespräch mit Barbara Hochstrasser
Von der herzlosen zur fürsorglichen Mama
Kleine Kulturgeschichte der «Mutterliebe»
Auf der Suche nach Hoffnung
Ein Gespräch mit Roland A. Müller
Ein Gespräch mit Remo Largo
Prolog
Kürzlich habe ich mich mit einem Freund unterhalten. Er meinte, dass es heute doch problemlos möglich sei für Frauen, Karriere zu machen und gleichzeitig Kinder zu haben. Vor fünf Jahren war ich auch dieser Meinung. Seither habe ich zwei Kinder auf die Welt gebracht, daneben gearbeitet, gleichzeitig die Kinder versorgt und den Haushalt geschmissen. In dieser Zeit war mein Mann aus beruflichen Gründen ziemlich oft abwesend, derweil ich von der Kita ins Büro und vom Büro wieder in die Kita hetzte und in der Nacht dreimal aufstand, um eines der Kinder zu beruhigen. «Ich glaube nicht, dass es möglich ist», entgegnete ich meinem Freund. «Es sei denn, die Frau hat einen Hausmann zu Hause.»
Der Freund blickte mich erstaunt an. Er meinte, dass doch heute die Männer zu Hause mit anpacken würden, gerne einmal auch den Kochlöffel schwängen. Und weil sie die besseren Väter sein möchten, als es ihre waren, würden sie sich auch lieber mit ihren Kindern abgeben. Er nannte mir Beispiele aus seinem Bekanntenkreis und zählte auf, wie problemlos diese Paare Beruf und Familie nebeneinander auf die Reihe kriegten. Auch meinte er, gäbe es doch moderne Arbeitgeber, die etwa Kader-Teilzeitstellen auch männlichen Angestellten ermöglichten.
Ich weiss nicht, ob mein Freund recht hat, ob es wirklich so problemlos ist, wie er schilderte. Meine eigenen Erfahrungen, Job und Familie unter einen Hut zu bringen, brachten mich an den Rand meiner Belastbarkeit. Möglicherweise liegt das ja nur an mir. Kann gut sein. Es gibt Leute, die sagen, ich hätte den falschen Mann geheiratet, weil er angeblich zu viel arbeite. Ich hingegen zweifle, ob das alles so einfach ist und es mit einem anderen Mann besser wäre. Und doch staune ich, wenn ich mein Umfeld betrachte, wie Frauen – es sind praktisch nur Frauen – heute ihren Beruf an den Kindern vorbeijonglieren, während ihre Männer Vollzeit arbeiten. Sie sind enorm beschäftigt, haben kaum Zeit, aber klagen höre ich sie kaum. Manchmal sagt eine, sie sei ein bisschen erschöpft, aber das sei nicht weiter schlimm.
Ich fragte meinen Freund: Wie war das denn damals bei deiner Mutter – war sie ausgelastet mit dir und deinem Bruder, dem Haushalt? «Klar war sie mit uns ausgelastet», erwiderte er. «Sogar mehr als das.» Obwohl sie, wie damals üblich, keinen Job nebenher gehabt hat. Sich «nur» um die Familie gekümmert habe. Er sagte «nur» und machte das Anführungszeichen mit den Fingern in die Luft.
Was ja heute undenkbar wäre. Eine Frau, die heute «nur» wegen ihrer Kinder den Beruf an den Nagel hängt, ist gesellschaftlich verpönt. Dummerweise hat sich aber viel weniger verändert, als es scheint – selbst wenn man auf dem Papier von Gleichberechtigung spricht. Das merkt man aber erst dann, wenn ein Kind auf der Welt ist. Mütter stehen – trotz guter Ausbildung – nach wie vor am Herd. Auch dann, wenn sie wieder einer Erwerbsarbeit nachgehen. Zugleich zählen in der Arbeitswelt immer noch dieselben starren Mechanismen wie vor fünfzig Jahren: Noch immer gilt als produktiv, wer von frühmorgens bis spätabends an seinem Arbeitsplatz ausharrt, egal wie effizient er tatsächlich ist. «Karriere in Deutschland», hat der Trendforscher Matthias Horx einmal geschrieben, «ist ein Wettbewerb um Anwesenheitszeiten, um kommunikative Präsenz. Wer führt, muss nach dem Acht-Stunden-Tag noch für Meetings und Absprachen an der Bar zur Verfügung stehen. Kann sein Wochenende vergessen. Muss immer erreichbar sein.»1 In der Schweiz ist das nicht anders.
Ich kenne keine Mutter mit kleinen Kindern, die es sich zeitlich leisten kann, zwölf Stunden bei der Arbeit zu sein oder am Feierabend mit ihren Kollegen an einer Bar abzuhängen. Auch traf ich während meiner beruflichen Laufbahn kaum auf flexible Arbeitsstrukturen. Eher erntete ich feindliche Blicke, wenn ich meinen Arbeitsplatz erst nach neun Uhr erreichte oder die «Frechheit» besass, um fünf Uhr auszustempeln, um in die Kita zu eilen. Für mich würden familienfreundliche Strukturen aber bedeuten, dass die Arbeitstage kürzer wären, die Möglichkeit für Home-Office bestünde oder projektbezogene Arbeiten zu Hause ausgeführt werden könnten, was in vielen Dienstleistungsberufen problemlos möglich ist. Mein Chef jedoch hielt nichts von diesen Ideen, offenbar war ihm meine Anwesenheit im Betrieb mehr wert als mein Output.
Ebenfalls herrscht eine Doppelmoral, was Kinder betrifft. Einerseits werden sie heute wie Prinzen und Prinzessinnen auf Händen getragen, und es wird penibel darauf geachtet, dass dem Nachwuchs sämtliche Steine aus dem Weg geräumt werden. Andererseits sollten Kinder heute möglichst in eine Kita abgeschoben werden, am besten gleich drei Monate nach der Geburt, damit die Mutter ihre Karriere nahtlos weiterverfolgen kann. «Normal» aber müsste sein, dass erwerbstätige Mütter von zeitraubenden Haushaltspflichten befreit werden und Familienväter tatsächlich Teilzeit arbeiten.
Niemand will zurück in die steife Zweigeschlechterwelt,