Bienenbuch für Anfänger. Johannes Aisch
BIENENBUCH FÜR ANFÄNGER
MIT 50 ABBILDUNGEN
VON PFARRER JOHANNES AISCH
Ursprüngliche Veröffentlichung: Königl. Hofbuchdruckerei Trowitsch & Sohn, Frankfurt/ Oder, 1913
Bearbeitung und Titelgestaltung: Julia Evers, Ratingen, 2015
Alle Ausführungen sind auf dem wissenschaftlich-technischen Stand von 1913.
Dies Büchlein will keine neuen Forschungen oder Systeme bringen.
Dem Anfänger will es die Tür zur Imkerei öffnen. — Bitte, treten sie näher. —
Kletzke (Prignitz), Juli 1913
Aisch
Inhaltsübersicht
Biene und Pflanzenwelt. — Stellung der Honigbiene im Reich der Insekten. — Bienenrassen. — Der Bienenstaat: Entwicklung des Volkes im Umlauf eines Jahres, Brut, Schwarm, Befruchtung der Königin. — Körperbau der drei Bienenwesen. — Bienenkrankheiten.
Geschichtliches. — Klotzbeuten. — Walzen. — Lüneburger Stülpkorb. — Märkischer Stülpkorb. — Mobilbau. — Dzierzon. — Gravenhorstscher Bogenstülper. — Dzierzonscher Zwilling. — Dathe. — Gerstung. —Breitwabenstöcke. —Beckersche Zwischenbeute. — Kanitz-Korb. — Blätterstock. — Deutsche Scheune. — Rähmchenmaße.
Der Bienenstich. — Schutzmittel. — Geräte. — Öffnen der Wohnung. — Herausnehmen und Einhängen der Waben mit Bienen. — Abfegen der Bienen. — Einfangen der Schwärme.
Beobachtung. — Erziehung von Honigstöcken: Absperrgittter, Kunstwaben. — Auswinterung. —Notfütterung. — Ordnung der Waben. — Erweitern. —Schwarmverhinderung. — Honigernte. — Einwinterung. —Preuß-Bohmsche Betriebsweise. —Behandlung der Schwärme. — Königinnenzucht — Zusetzen der Königin. — Vereinigen von Völkern. — künstliche Vermehrung der Völker. — Beseitigung von Schäden.
Gewinnung und Verwertung der Bienenprodukte.
Scheibenhonig. — Schleudern. — Honigarten. — Honigpreise. — Honiggefäße. — Kunsthonig. — Wachs. — Propolis.
Allgemeines. — Blütenkalender. — Wandern mit Bienen.
Pflege der Bienenzucht durch Vereine und Behörden.
Anfertigung von Wohnungen und Geräten.
Rähmchen. — Beuten. — Einkleben und Gießen der Kunstwaben. — Strohpresse. — Wabenschrank.
Index
Naturgeschichte der Biene.
Du kennst natürlich die Biene, lieber Leser, und hast sie schon oft genug vor ihren runden Körben oder bunten Kästen umherschwirren sehen. Viel öfter aber bist du ihr begegnet auf deinen Gängen durch Feld und Wiese. Die vielen tausend Blüten da draußen sind ihr Arbeitsfeld. Dahin ist sie gestellt von der alles ordnenden und alles nützenden und beschäftigenden Natur. Hier hat sie im Verein mit den Milliarden anderer Insekten den Pflanzen zu Liebe und Nachkommenschaft zu verhelfen. Auf ihrem Pelzröckchen und in den Körbchen ihrer Hinterfüße muss sie den Blütenstaub tragen von Pflanze zu Pflanze Dazu ist sie da; dazu ist sie so gebaut, wie sie gebaut ist, darauf sind die Blüten eingerichtet.
Die meisten Pflanzen sind ja darauf angewiesen, mit dem Blütenstaub oder Pollen einer Schwesterpflanze bestäubt zu werden, wenn die Samenknöspchen im Fruchtknoten befruchtet werden sollen. Ganz verschmitzt spekulieren sie dabei auf die Insekten Sie stellen ihnen kleine Schüsselchen mit Zuckersaft (Nektar) im Grunde der Blüten so geschickt als Lockspeise auf, dass sie auf dem Wege dorthin den Blütenstaub der einen Blüte heraustragen und dabei den der vorher besuchten auf der Narbe des Griffels abstreifen müssen. Außerdem erzeugen die Blüten eine solche Überfülle von Blütenstaub, dass die Tierlein sich daran satt grasen können und noch genug davon an Rock und Gesicht hängen behalten, um eine zweite besuchte Blüte damit zu befruchten.
Die Biene nun hat es auf den Blütenstaub und den Nektar (Honig) abgesehen. Sie braucht beides zu ihrer und ihrer Kinder Ernährung, hat dazu die Gewohnheit, bei einem Ausfluge nur Blüten einer Art aufzusuchen. Dadurch ist sie wie kein anderes Wesen zur Befruchtung geeignet. Hinzu kommt noch, dass sie vom zeitigsten Frühjahr ab in großen Scharen vorhanden ist, also die Befruchtung der Frühlingsblumen, wie Schneeglöckchen, Tulpen, Krokus, Gänsekraut und besonders der Beerensträucher und des Baumobstes wirklich ausgiebig besorgen kann, während die meisten anderen Insekten dann erst in vereinzelten überwinterten Exemplaren auftauchen. Obstzucht ohne Bienenzucht ist unmöglich. Man hat dies durch Versuche bewiesen
Ein angehender Imker wird gut tun, die Bienen darauf zu beobachten, was für Farbe der Pollen hat, den sie heimbringen, und an welcher Stelle des Körpers er sitzt. Bald kommen die Tierchen heim bepudert wie die Müller (Erika), bald schwarz wie die Schornsteinfeger (Mohn), bald haben sie einen bunten Bauch, bald einen bunten Rücken (bei Schmetterlings- und Lippenblütlern). Ein andermal ist der Kopf überstäubt, und nur die blank geputzten Augen glänzen schwarz heraus. Ja sogar richtige Blütenstaubhörnchen setzen sich der Stirn an (Orchis, früher als »Hörnchenkrankheit« angesprochen). Meistens tragen die Bienen freilich den Pollen in dicken »Höschen« an den Hinterbeinen heim und sind damit so beladen, dass sie erst vor dem Stocke einen Augenblick verschnaufen müssen. An starken Flugtagen, besonders wenn der Werft seine Honig- und Pollenschätze spendet oder Raps und Hedrich blühen, fallen sie unter ihrer Bürde oft vor dem Bienenstande zu Boden. Nach einer kleinen Ruhepause erheben sie sich noch einmal in die Luft, um mit geschicktem Schwung das Flugloch zu erreichen. Sie haben doppelt gearbeitet: für sich und Familie gesorgt und der Pflanzenwelt den wichtigsten Dienst getan, den Dienst der Erhaltung.
An welche Stelle gehört nun die Biene in dem Reigen der anderen Tiere? — Sie ist ein Insekt, aber kein Käfer mit harter Flügeldecke, — kein Schmetterling mit bunt schillerndem Flügelkleid,— kein Zweiflügler wie die Fliegen, kein Geradflügler wie die Libellen, sondern ein Hautflügler, auf Gelehrtendeutsch: die Biene gehört zu den Hymenopteren, d. h. sie hat vier gleichartige durchsichtige Flügel, welche von ästig verzweigten Adern durchzogen sind, dazu Kinnbacken zum Beißen und eine Zunge zum Saugen. Man schätzt die bekannten Arten der Hymenopteren auf 15000 und teilt sie nach Taschenberg in 16 Familien.