Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande. Tomos Forrest

Mein Blutsbruder: Der Orden der Schwarzen Löwen – Die Jagd auf eine Mörderbande - Tomos Forrest


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seitwärts auf den Mann zu, der eben hastig bemüht war, seine Kleidung wieder in Ordnung zu bringen.

      »Guten Abend, Herr Baron!«, sagte ich leise. »Auch ein wenig zu viel vom guten Gerstensaft genossen? Ja, das nächtliche Hinauslaufen ist doch sehr lästig!«

      Ich hatte richtig gesehen, denn schon kam die leicht näselnde Antwort:

      »Ja, ich hätte es besser wissen müssen. Aber das Gebräu war einfach zu gut! Also, dann noch eine gute Nacht!«

      Sepp und ich verharrten noch, bis Baron von Falkenstein wieder in die Hütte getreten war. Da berührte mich der Alte und raunte mir zu: »Aufpassen, Charly, das ist ein ganz fauler Kunde! Behalte ihn im Auge!«

      »Das will ich gern tun. Aber wenn du Angst um den König hast, ist doch wohl der Jagdausflug morgen eine Gelegenheit für einen Anschlag, oder irre ich mich? Wir sind doch immerhin genügend Schützen, um im Eifer der Jagd einmal einen Fehlschuss zu machen!«

      »Genau aus diesem Grund werde ich den Anton bitten, dich auf einen besonderen Platz zu stellen. Ich kenne das Gebiet hier wie meine Westentasche, auch wenn es ein wenig abseits der Heimat liegt. Doch bin ich mit Maje… mit Ludwig schon sehr oft hier draußen gewesen. Anton ist ein braver Bursche, den ich so weit eingeweiht habe, wie es erforderlich schien. So, nun lass uns noch ein wenig ausruhen, das wird morgen ein langer Tag!«

      Mit dem ersten Sonnenstrahl war ich aufgestanden und hatte die Schlafstube verlassen. Was für ein herrlicher Anblick bot sich mir, als ich vor die Tür trat! Da lagen die Berge in ihrer majestätischen Schönheit, die Sonne hatte gerade ihre ersten Strahlen über eine nahe Bergkuppe geschickt und tauchte die gegenüberliegenden Berge in ein Spiel von Licht und Schatten, das mich faszinierte. Was ich sah, war die Vogelkarspitze, gut zweitausendfünfhundert Meter hoch und dabei so nahe, als könnte man dort hinüberschießen. Tatsächlich befand sich dieser Berg in einer Entfernung von einem guten Stundenweg von der Hütte aus.

      Es war ziemlich kühl in der Frühe, aber ich spürte bei diesem Naturschauspiel nichts davon. Ein leises Geräusch verriet mir, dass jemand auf dem Weg von der Scheune herüberkam. Als ich mich umdrehte, sah ich einen der Treiber kommen. Er war nicht größer als ich, dabei aber durch und durch der Typus des Naturburschen aus den Bergen. Sein gebräuntes, markantes Gesicht lächelte freundlich, der Blick aus seinen wachsamen, blauen Augen zeigte mir den offenen Charakter dieses Mannes.

      Gute Wahl, Sepp!, dachte ich in diesem Moment. Das ist ein Mensch, dem man keine Schlechtigkeit zutrauen würde.

      »Ein herrlicher Morgen, nicht wahr? Ich bin der Anton!«, begrüßte er mich und reichte mir seine Hand, deren kräftigen Druck ich erwiderte. »Hast du schon die Gamsen dort drüben gesehen?«

      »Charly!«, antwortete ich. »Wir beide werden heute unser Jagdglück probieren, nicht wahr?« Dabei kniff ich meine Augen zu und bemühte mich, in dem Spiel von Licht und Schatten zwischen den zahlreichen, tiefen Einschnitten des Berges etwas auszumachen. Aber so sehr ich mich auch anstrengte – ich konnte nichts erkennen.

      »Leider sehe ich dort nichts!«, antwortete ich leicht verstimmt, denn ich hatte mir auf meinen geschärften Blick immer etwas eingebildet.

      Lächelnd trat Anton etwas vor und deutete auf eine Stelle.

      »Genau dort, wo die einzelne Latschenkiefer steht. Da ist eine Klamm und eben steigen die ersten Tiere von dort herunter.«

      »Ich gestehe, ich bin perplex!«, antwortete ich, immer noch verzweifelt nach einer Bewegung dort Ausschau zu halten.

      Da reichte mir Anton mit einem freundlichen Lächeln sein Perspektiv.

      Endlich entdeckte ich eine etwa zehn Tiere starke Gruppe, die sich an dem steilen Hang nach unten bewegte.

      »Du hast das richtige Auge, Anton!«, sagte ich anerkennend und reichte ihm das Glas zurück.

      »Wir werden einen besonders guten Platz beziehen, Charly. Von dort haben wir freies Schussfeld in beide Richtungen und zudem auch Sicht auf die anderen Schützen.« Bei diesen Worten zwinkerte mir Anton vertraulich zu, und ich bestätigte mit einem Kopfnicken, dass ich ihn wohl verstanden hatte.

      »Oh, man ist aber früh auf den Beinen!«, erklang eben eine Stimme von der Hütte herüber. Ich ging langsam zurück, denn ein angenehmer Kaffeeduft zog aus der offenen Tür in meine Nase.

      »Guten Morgen, Herr Baron!«, begrüßte ich den Lebemann, der von keinem der Jäger oder Treiber anders angesprochen werden wollte, wie er am Vorabend einmal deutlich gemacht hatte.

      Der Treiber, der ihm gerade ein Bier gebracht hatte, lachte zu der Bemerkung hell auf und antwortete: »Wenn dir diese Anrede hilft, Herr Baron, aber gern! Aber wenn du eine Gams geschossen hast, wirst du sie auch selbst vom Berg tragen, verstanden?«

      Damit hatte er von Falkenstein offenbar an einem wunden Punkt getroffen, aber der Baron verzog lediglich sein Gesicht zu einer wahren Leichenbittermiene und drehte sich zu seinem Nachbarn um.

      Heute jedoch schien der adlige Herr freundlich gestimmt zu sein und war sogar bereit, sich mit einigen der anderen am Frühstückstisch zu unterhalten. Ich war ein wenig verwundert, dass weder der König noch sein Begleiter und auch Sepp nicht wieder aufgetaucht waren, hörte dann aber, wie jemand sagte, dass die drei Herrschaften schon mit den ersten Treibern vor Sonnenaufgang losgezogen waren. Diese Mitteilung beunruhigte mich doch etwas aufgrund der vertraulichen Information, die mir Sepp in der Nacht gegeben hatte. Aber so wusste ich den König unter dem Schutz seiner beiden Vertrauten, nahm meinen Platz an der Tafel ein und langte kräftig beim Frühstück zu.

      Viel Zeit blieb auch gar nicht mehr, die königlichen Jäger baten schon bald zum Aufbruch, und ich hatte meine Gewehre bereits vor dem Schlafengehen ausgepackt und entölt, um sie heute Morgen gleich zur Hand zu haben. Der Bärentöter erhielt frische Zündhütchen, der Henry-Stutzen war geladen, und gleich darauf brachen wir auf, um einem schmalen Pfad auf den ersten Berg zu folgen. Als wir mit dem Aufstieg begannen, erkannte ich nach und nach auch die ersten Treiber, die weit über uns waren und sich in ihren dunklen Jacken kaum von dem Hintergrund unterschieden. Jeder von ihnen trug Bergschuhe aus festem Leder, die Sohlen mit eingeschlagenen Nägeln versehen. Diese Schuhnägel waren ganz spezielle, die einen eisernen Rand um den Schuh bildeten und dem Menschen überhaupt erst den richtigen Halt gaben. Außerdem hatte jeder von uns auch einen kräftigen Bergstock, die meisten mit einer eisernen Spitze. Diese oft aus Haselnussholz gefertigten Stöcke waren insbesondere beim steilen Abstieg unentbehrlich und bremsten den zu raschen Gang. Viele der Jäger trugen dazu Rucksäcke aus grünem Leinen, in denen sich etwas Proviant, Munition und die Steigeisen befanden. Mit diesen Rücksäcken wurde auch die erlegten Gämse hinuntergebracht, nur wenige Treiber hatten eine Kraxen dabei, ein hölzernes Tragestell, auf dem sie wahre Lastenwunder ins Tal schleppen konnten.

      Der Anstieg wurde schmaler und steiler, ich spürte, wie ich warm wurde, und hatte dabei doch ein aufmerksames Auge auf meine Umgebung. Ein paar verkrüppelte Latschenkiefern säumten den Pfad, von den Treibern war hier nichts mehr zu sehen. Dann tauchte plötzlich Anton wieder bei uns auf, der ein ganzes Stück vorausgeeilt war. »Der Herr Ludwig sitzt dort drüben bei der dicken, verkrüppelten Latsche hinter dem Stein. Herr Carl ist daneben. Hier, der vornehme Herr Baron nimmt dort drüben den Platz an der Klamm ein und zwei der Jäger sind an seiner Seite zum Laden und nachschießen. Der Friedrich und die beiden Jäger dort auf der linken Seite. Wir beiden gehen noch ein Stück weiter.«

      Damit war die Einteilung gegeben, und beim Weitergehen hoben die anderen Schützen die Hand, um sie an ihren Plätzen kenntlich zu machen. Ich erkundigte mich nicht nach dem Verbleib von Sepp, weil ich annahm, dass er mit Anton im Bündnis stand und der mir schon noch sagen würde, wo wir ihn treffen konnten.

      Kaum hatten wir unsere Positionen erreicht und waren schussfertig, als ein paar kleine Steine die Wand herunterpolterten und gleich darauf die erste Gams sichtbar wurde. Es war eine alte Geiß, die ihre Gruppe anführte, aber sie war auf der Hut. Noch einmal polterten kleine Steine hinter ihr herab, und jetzt verstand ich, wer das verursachte. Die Treiber wollten damit die Gämsen auf uns zutreiben,


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