Don Quijote. Miguel de Cervantes

Don Quijote - Miguel de Cervantes


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der Nichte die Schlüssel des Gemaches ab, wo die Bücher, die Anstifter des Unheils, sich befanden, und sie gab sie ihm mit gar vielem Vergnügen. Sie traten alle hinein, und die Haushälterin mit ihnen, und fanden mehr als hundert Bände großer, gut gebundener Bücher nebst andern, kleineren; und sobald die Haushälterin sie sah, ging sie in großer Eile wieder aus dem Zimmer hinaus, kehrte bald mit einem Näpfchen Weihwasser und einem Weihwedel zurück und sagte: »Nehmet, Euer Gnaden, Herr Lizentiat, besprengt dieses Zimmer, damit kein Zauberer von den vielen, die diese Bücher enthalten, hierbleibe und uns verzaubere, um uns zu strafen für die Strafe, mit der wir sie belegen wollen, indem wir sie aus der Welt schaffen.«

      Den Lizentiaten brachte die Einfalt der Haushälterin zum Lachen, und er wies den Barbier an, er solle ihm von den Büchern eins nach dem andern reichen, um zu sehen, wovon sie handelten, da es doch sein könnte, daß man einige fände, welche die Strafe des Feuers nicht verdienten. »Nein«, sagte die Nichte, »es ist kein Grund, irgendeines zu verschonen; denn sie alle sind die Unheilstifter gewesen. Am besten wird es sein, sie zum Fenster hinaus in den Vorhof zu schleudern, sie zu einem Haufen zu schichten und Feuer an sie zu legen oder, wenn nicht, sie in den großen Hof zu werfen; dort soll der Scheiterhaufen errichtet werden, und so wird der Rauch nicht beschwerlich fallen.«

      Das nämliche sagte die Haushälterin, so groß war das Verlangen, das die beiden nach dem Tode dieser unschuldigen Kindlein trugen. Allein der Pfarrer wollte nicht darauf eingehen, ohne wenigstens erst die Titel zu lesen.

      Das erste, was ihm Meister Nikolas in die Hände gab, waren Die vier Bücher des Amadís von Gallien, und der Pfarrer sprach: »Es scheint hierbei etwas Wundersames zu walten; denn wie ich habe sagen hören, war dieses Werk das erste Ritterbuch, das in Spanien gedruckt wurde, und alle übrigen haben ihren Ausgang und Ursprung von diesem genommen; und also ist meine Meinung, daß wir den Amadís als den Irrlehrer und Stifter einer so schlimmen Sekte, ohne Zulassung irgendeines Milderungsgrundes, zum Feuer verurteilen müssen.«

      »Nein, Herr Pfarrer«, entgegnete der Barbier, »denn ich habe auch sagen hören, es sei das beste aller Bücher, die in dieser Art verfaßt worden, und so muß ihm, als einzig in seiner Kunstgattung, Gnade zuteil werden.«

      »Das ist richtig«, sagte der Pfarrer, »und aus diesem Grunde wird ihm für jetzt das Leben gewährt. Sehen wir jenes andere an, das neben ihm steht.«

      »Das«, sagte der Barbier, »sind die Geschichten von Esplandian, dem ehelichen Sohn des Amadís von Gallien.«

      »Nun, in der Tat«, versetzte der Pfarrer, »dem Sohne soll die Trefflichkeit des Vaters nicht zugute kommen; nehmt, Jungfer Haushälterin, öffnet das Fenster dort und werft ihn in den Hof; mit ihm soll die Aufschichtung des Scheiterhaufens begonnen werden, den wir errichten wollen.«

      Mit großem Behagen tat die Haushälterin also, und der gute von Esplandian nahm seinen Flug in den Hof und harrte daselbst in aller Geduld des Feuers, das ihm drohte.

      »Weiter!« sprach der Pfarrer.

      »Der hier kommt«, sagte der Barbier, »ist Amadís von Griechenland; ja alle auf dieser Seite, wie ich glaube, sind aus der nämlichen Sippschaft des Amadís.«

      »So mögen sie alle in den Hof hinabwandern«, sprach der Pfarrer; »denn um die Königin Pintiquiniestra verbrennen zu dürfen, nebst dem Schäfer Darinel und seinen Hirtengedichten und den verteufelten und verdrehten Redensarten ihres Verfassers, würde ich mit ihnen meinen eigenen Vater verbrennen, wenn er in der Gestalt eines fahrenden Ritters aufträte.«

      »Dieser Meinung bin ich auch«, versetzte der Barbier.

      »Und ich auch«, fügte die Nichte bei.

      »Da dem so ist«, sprach die Haushälterin, »her damit und in den Hof mit ihnen!«

      Man reichte sie ihr, es waren deren viele, und sie ersparte sich die Treppe und warf sie zum Fenster hinaus.

      »Wer ist jenes Stückfaß?« fragte der Pfarrer.

      »Es ist dies«, antwortete der Barbier, » Don Olivante de Laura

      »Der Verfasser dieses Buches«, sprach der Pfarrer, »war derselbe, welcher den Blumengarten schrieb, und in der Tat, ich könnte nicht entscheiden, welches von beiden Büchern wahrhafter, oder richtiger gesagt, minder lügenhaft ist; ich kann nur sagen, daß dieses, weil es ungereimt und frech, in den Hof wandern wird.«

      »Dieses folgende Buch ist Florismarte von Hyrkanien«, sagte der Barbier.

      »Ist der Herr Florismarte da?« entgegnete der Pfarrer. »Auf mein Wort denn, er soll baldigst seine Bestimmung im Hofe finden, trotz seiner wundersamen Geburt und seiner chimärischen Abenteuer; denn die Härte und Trockenheit seines Stils gestattet nichts anderes. In den Hof mit ihm und mit jenem andern, Jungfer Haushälterin.«

      »Mir recht, Herr Pfarrer«, antwortete sie und vollstreckte mit vielen Freuden, was ihr aufgetragen worden.

      »Dies ist Der Ritter Platir«, sagte der Barbier.

      »Es ist ein altes Buch«, versetzte der Pfarrer, »und ich finde nichts darin, das Gnade verdiente; es begleite die andern ohne Widerrede.«

      Und so geschah es.

      Ein andres Buch ward aufgeschlagen, und sie sahen, daß es den Titel hatte Der Ritter vom Kreuz.

      »Um eines so heiligen Namens willen, wie dieses Buch trägt, hätte man ihm seine Dummheit verzeihen können; allein man pflegt auch zu sagen: ›Hinter dem Kreuze lauert der Teufel.‹ Ins Feuer mit ihm!«

      Der Barbier nahm ein andres Buch und sprach: »Dieses ist der Spiegel des Rittertums

      »Wohl kenn ich Seine Gnaden«, sagte der Pfarrer. »Dort treten Herr Rinaldo von Montalban auf mit seinen Freunden und Gefährten, die räuberischer sind als Cacus, und die zwölf Pairs mit dem wahrheitsliebenden Geschichtsschreiber Turpin; und wirklich, ich bin geneigt, sie zu nicht mehrerem als zu ewiger Verbannung zu verurteilen, wenn es auch nur deshalb wäre, weil sie einen Anteil an der Dichtung des berühmten Mateo Bojardo haben, aus welcher hinwiederum der christliche Dichter Ludovico Ariosto sein Gewebe entnommen. Und wenn ich diesen hier finde und er in einer anderen Sprache als der seinigen redet, so werde ich ihm keinerlei Achtung bezeigen; wenn er aber in seiner eigenen Zunge spricht, dann werde ich ihm mein Haupt mit Verehrung beugen.«

      »Wohl, ich habe ihn auf italienisch«, sagte der Barbier, »aber ich verstehe ihn nicht.«

      »Es wäre auch nicht einmal gut, daß Ihr ihn verstündet«, antwortete der Pfarrer, »und daher hätten wir es jenem Herrn Hauptmann gern erlassen, wenn er ihn nicht nach Spanien herübergebracht und zum Kastilier umgeschaffen hätte; denn er hat ihm viel von seinem ursprünglichen Werte benommen. Und dasselbe wird jedem begegnen, der in Versen geschriebene Werke in eine andere Sprache übertragen will; denn wie viele Sorgfalt er anwende und wieviel Geschicklichkeit er an den Tag lege; nie wird er die Vollendung erreichen, die sie in ihrer ersten Gestaltung besitzen. Ich bestimme also, daß dies Buch und alle, die über jene französischen Geschichten handeln, in eine trockene Brunnengrube geworfen und verwahrt werden sollen, bis man mit mehr Überlegung beurteilen kann, was mit ihnen zu tun ist; wobei ich jedoch einen gewissen Bernardo del Carpio, der sich in der Welt herumtreibt, und ein andres Buch, des Titels Roncesvalles, ausnehme; denn diese, sobald sie in meine Gewalt gelangen, sollen sogleich in die der Haushälterin kommen und aus dieser in die des Feuers, ohne Gnade und Erbarmen.«

      Dieses Urteil bestätigte der Barbier und erachtete es für recht und durchaus sachgemäß; denn ihm war wohl bewußt, daß der Pfarrer ein so guter Christ und so großer Freund der Wahrheit war, daß er um aller irdischen Dinge willen nie etwas als eben die Wahrheit gesagt hätte.

      Und ein andres Buch aufschlagend, fand er, es sei Palmerin de Oliva, und nebenan stand eines, das Palmerin von England hieß. Als der Lizentiat das sah, sprach er: »Jenen Olivenbaum schlage man zu Splittern und verbrenne ihn, daß auch nicht die Asche von ihm übrigbleibe; aber jene Palme von England hebe man auf und bewahre sie als etwas Einziges, und man mache für sie ein solches Kästchen wie jenes,


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