Heilige und Gesegnete. Aurelia Dukay
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Aurelia Dukay
Heilige und Gesegnete
Caterina Calancas erster Fall
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Inhaltsverzeichnis
Heilige und Gesegnete
Caterina Calancas erster Fall
Handlungen und Personen sind frei erfunden. Alle Ähnlichkeiten mit Lebenden und Verstorbenen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
1.1 ERSTER TEIL
Heuchelei ist ein Modelaster, und alle Modelaster gelten als Tugenden.
Molière
1. Gesang der Nymphen
Ein Opfer? Nein, ich bin kein Opfer. Wahrhaftig nicht!
Opfer sind passiv. Ich hingegen habe gehandelt. Habe dies alles gewollt. Vielleicht nicht bewusst, aber ich habe es gewollt. Also, weil ich es nicht bewusst gewollt habe, bin ich schuldig. Wie soll ich das bloß erklären –
In der dunkeln Stille der Nacht entsinne ich mich meiner Fehler. Jener Taten, die die schrecklichen Ereignisse nach sich zogen, für die ich so hart bestraft werde. Derentwegen ich jetzt am Abgrund stehe und sehnsüchtig auf den Asphalt fünf Stockwerke tiefer starre.
Unglaublich, wenn man bedenkt, dass ich bis vor Kurzem eine Königin war. Aber vielleicht stimmt es, was sie sagen.
Sie beschuldigen mich des Opportunismus. Ich sei eine kalte, berechnende Frau gewesen. Ein skrupelloser Emporkömmling.
Hierzu möchte ich sofort etwas klarstellen.
Ich war weder auf der Suche nach schnellem Erfolg noch hegte ich die Absicht, die Frau eines solchen Mannes zu werden.
Das Einzige – und das schwöre ich -, was mich zum Handeln trieb, war die Suche nach einem Ausweg aus meiner prekären Lage. Aber stattdessen landete ich im tiefsten Abgrund der menschlichen Existenz.
Wie es passierte? Eine banale Schwäche brachte mich zu Fall. Ich ließ mich von der Macht verführen, ohne den Preis dafür zahlen zu wollen. Ich glaubte, die Zeit würde schon alles richten. Ich glaubte aber auch an die Liebe, die Freundschaft, die Staatsgewalt. Die hingegen ließen mich glauben, ich sei verrückt.
Dies ist kein Tagebuch. Ich verwahre meine Gedanken nicht als seien sie kostbare Perlen. Gedanken sind nichts. Nichts als die Ausgeburt meiner gequälten Seele. Ich sammle sie wie Muscheln auf einem langen weichen Sandstrand, um sie gleich wieder fallen zu lassen.
Denn meine Ansichten zählen nicht. Was zählt sind Fakten. Fakten die zur Wahrheit führen. Als Journalistin – denn das bin ich, eine investigative Journalistin – füge ich sie zu einem plausiblen Ganzen zusammen, ohne Umschweife, frei von Ängsten und Sehnsüchten. Hier, in meinem Notizbuch, demselben Notizbuch, in das ich meine Artikel schrieb, demselben, in das ich einst seine Worte aufzeichnete. Hier schrieb ich die Tatsachen nieder, Wort für Wort, Seite für Seite, auf reinem Papier, um zu verstehen. Verstehen, ob ich alles noch mal tun würde. Verstehen, was ich in den nächsten Augenblicken tun werde.
Caterina Calanca klappte den ledernen Taccuino zu und blickte in zwei tiefschwarze Augen, die Brauen darüber hochgezogen.
„Und, Signora Commissario, was sagen Sie?“
„Darf ich das Notizbuch mitnehmen? Vielleicht finde ich darin Hinweise. Ich möchte Ihnen aber keine großen Hoffnungen machen, Signore Bellacqua“, sagte sie ernst.
„Bitte, aber bitte doch, alles was diese schreckliche Tat aufklären kann, Signora Commissario. Schauen Sie, schauen Sie doch nur.“
Seine ledernen Arbeiterhände zitterten, als er ihr einen Bilderrahmen vor die Nase hielt. „Meine Emma hatte ein Gesicht wie ein Engel, wie ein Engel.“
Ja, aber dieses Engelsgesicht lag nun zerschmettert in einer Blutlache auf dem Asphalt vor seiner Haustür, umgeben von Polizisten und Schaulustigen. Was für ein grausames Ende, dachte Caterina.
Allerdings passte das Foto genauso wenig zu der Toten wie die fast aristokratischen Manieren des Signore Bellacqua in das karge, kleinbürgerliche Umfeld.
„Sie hätte so etwas niemals getan. Sie wäre zu so einer Schande nicht fähig. O mein Gott, wie soll ich sie nun beisetzen. Der Priester weigert sich, in mein Haus zu kommen.“
Der kleine Mann mit dem Schnurrbart