Der kleine Lord. Frances Hodgson Burnett

Der kleine Lord - Frances Hodgson Burnett


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       Frances Hodgson Burnett

      Inhaltsverzeichnis

       Erstes Kapitel

       Eine große Ueberraschung

       Zweites Kapitel

       Cedriks Freunde

       Drittes Kapitel

       Abschied von der Heimat

       Viertes Kapitel

       In England

       Fünftes Kapitel

       Im Schlosse

       Sechstes Kapitel

       Der Graf und sein Erbe

       Siebentes Kapitel

       In der Kirche

       Achtes Kapitel

       Reiten lernen

       Neuntes Kapitel

       Schwere Sorgen

       Zehntes Kapitel

       Amerika in Aengsten

       Elftes Kapitel

       Die Nebenbuhler

       Zwölftes Kapitel

       Der Retter in der Not

       Dreizehntes Kapitel

       Unliebsame Ueberraschungen

       Vierzehntes Kapitel

       Der achte Geburtstag

       Impressum

      Erstes Kapitel

      Eine große Ueberraschung

      Cedrik selbst wußte kein Sterbenswörtchen davon, nie war etwas Derartiges in seiner Gegenwart auch nur erwähnt worden. Daß sein Papa ein Engländer gewesen, wußte er, weil seine Mama ihm das gesagt hatte, aber dann war dieser Papa gestorben, als er noch ein ganz kleiner Junge gewesen, und ihm war von demselben nicht viel mehr in Erinnerung geblieben, als daß er eine hohe Gestalt und blaue Augen und einen langen, schönen Schnurrbart gehabt und daß es herrlich gewesen, auf seinen Schultern in der Stube herumzureiten. Nach des Vaters Tode hatte Cedrik dann die Entdeckung gemacht, daß es am allerbesten sei, mit der Mama gar nicht von ihm zu sprechen. Als der Papa erkrankte, war Cedrik fortgebracht worden, und als er wieder nach Hause kam, war alles vorüber gewesen, und sein Mütterchen, das auch eine schwere Krankheit durchgemacht, fing eben wieder an, in ihrem Lehnstuhle am Fenster zu sitzen; allein sie war bleich und mager und all die lustigen Grübchen waren aus ihrem hübschen Gesichte verschwunden; die Augen sahen so groß aus und so traurig, und ihr Kleid war ganz schwarz.

      »Herzlieb,« sagte Cedrik – so hatte sein Papa sie immer genannt, und der kleine Junge machte es ihm nach – »Herzlieb, geht's Papa besser?«

      Er fühlte, wie ihr Arm zitterte, wandte plötzlich sein lockiges Köpfchen und sah ihr ins Gesicht, und als er sie so ansah, war's ihm, als ob er selbst bald zu weinen anfangen müsse.

      »Herzlieb,« fragte er noch einmal, »ist Papa wohl?«

      Dann gab ihm sein kleines zärtliches Herz plötzlich ein, beide Aermchen um den Hals der Mutter zu schlingen und sie wieder und wieder zu küssen und seine weiche, warme Wange fest an die ihrige zu schmiegen, und sie drückte ihr Gesicht an seine Schulter und hielt ihn umschlungen, als ob sie ihn nie mehr von sich lassen wollte, und weinte bitterlich.

      »Ja, ihm ist wohl,« schluchzte sie; »ihm ist ganz, ganz wohl, aber wir – wir haben nichts mehr auf der Welt als einander. Keine Menschenseele sonst.«

      So klein er war, hatte er doch begriffen, daß sein großer, schöner, junger Papa nicht mehr wiederkommen werde, daß er tot sei, wie er es von andern Leuten auch schon hatte sagen hören, obwohl er nicht recht wußte, was das für ein seltsames Ding war, das so viel Herzeleid in seinem Gefolge hatte, und weil sein Mütterchen immer weinte, wenn er von dem Papa sprach, kam er ganz in aller Stille auf den Gedanken, daß es besser sei, nicht von ihm zu sprechen, und allmählich fand er auch, daß es besser sei, sie nicht ganz ruhig dasitzen und zum Fenster hinaus oder ins Feuer starren zu lassen. Bekannte hatten er und seine Mama nicht viele, und man konnte ihr Leben sehr einsam nennen, obgleich Cedrik davon keine Ahnung hatte, bis er älter wurde und man ihm dann sagte, weshalb sie keine Besuche erhielten. Er erfuhr dann, daß seine Mama eine Waise war und ganz allein in der Welt gestanden hatte, ehe sie Papas Frau geworden. Sie war sehr hübsch und hatte als Gesellschafterin bei einer reichen alten Frau gelebt, die nicht gütig gegen sie gewesen war. Eines Tages hatte Kapitän Cedrik Errol, der Besuch bei der Dame machte, sie die Treppe hinaufeilen sehen mit schweren dicken Thränentropfen an den langen Wimpern, und dabei hatte sie so unschuldig und traurig und wunderlieblich ausgesehen, daß der Kapitän es nicht mehr hatte vergessen können. Dann waren mancherlei merkwürdige Dinge geschehen, sie hatten einander kennen gelernt und hatten sich sehr lieb und wurden schließlich Mann und Frau, obwohl diese Heirat ihnen die Mißbilligung verschiedener Personen zuzog. Am meisten erzürnt darüber war der Vater des Kapitäns, der in England lebte und ein sehr reicher und vornehmer Herr von leidenschaftlicher Gemütsart und einer heftigen Voreingenommenheit gegen Amerika und die Amerikaner war. Kapitän Cedrik war der dritte Sohn und hatte also für sein Teil wenig Aussichten auf die äußerst bedeutenden Güter und Titel seines Hauses.

      Die Natur verteilt ihre Güter jedoch nicht nach dem Erstgeburtsrecht, und es kommt vor, daß dritte Söhne Dinge besitzen, die den beiden älteren versagt sind. Cedrik Errol hatte ein hübsches Gesicht, eine kräftige, schlanke, elastische Gestalt, ein helles Lachen und eine weiche, fröhliche Stimme; er war tapfer, freimütig und hatte das beste Herz von der Welt, und es war, als ob ihm ein Zauber verliehen sei, der alle Menschen zu ihm zog und an ihn fesselte. Bei seinen älteren Brüdern war dem nicht so; der eine wie der andre war weder hübsch noch begabt, noch gutherzig. Als Knaben in der Schule zu Eton machten sie sich sehr unbeliebt; auf der Universität betrieben sie keinerlei Studien, vergeudeten Zeit und Geld und gewannen wenig Freunde. Was der Vater an ihnen erlebte, waren Enttäuschungen und Demütigungen; der Erbe seines edlen Namens machte demselben keine Ehre und versprach, nichts zu werden, als ein selbstischer, verschwenderischer unbedeutender Mensch ohne jegliche ritterliche Tugend. Es war sehr bitter für den alten Herrn, daß der Sohn, welcher die unbedeutende Stellung des Jüngsten einnahm und nur ein sehr mäßiges Vermögen erhalten konnte, alles besaß, was an Talent, Liebenswürdigkeit, Kraft und äußerer Erscheinung in seiner Familie zu entdecken war.

      Zuweilen haßte er den frischen jungen Gesellen beinahe, der sich unterfing, all' die guten Dinge zu besitzen, die doch mit Fug und Recht zu dem großen Titel und dem herrlichen Besitztum gehört hätten, und doch hing sein stolzes, eigenwilliges altes Herz insgeheim unendlich an seinem Jüngsten. In einem derartigen Anfall von Gereiztheit war's, daß er ihn auf eine Reise nach Amerika geschickt hatte;


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