Ivanhoe. Sir Walter Scott

Ivanhoe - Sir Walter Scott


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wenn Eure Kenntniß derselben es gestattet. Sonst verstehe ich aber auch das Normännische, um Euch in der Unterhaltung zu folgen.«

      »Gelübde,« sagte der Abt, »müssen gelöst werden, würdiger Frankelin, oder erlaubt mir vielmehr zu sagen, würdiger Freisasse, obgleich der Titel veraltet ist. Gelübde sind die Bande, die uns an den Himmel binden, sie sind die Stricke, welche das Opfer an die Hörner des Altars befestigen, und müssen daher, wie ich schon vorher sagte, gelöst und erfüllt werden, wenn nicht unsere heilige Kirche das Gegentheil ausspricht. Und was die Sprache betrifft, so unterhalte ich mich gerne in derjenigen, welche meine verehrte Großmutter, Hilda von Middleham, redete, die im Geruch einer Heiligen starb, und, wenn ich es zu sagen wagen darf, ihrer ruhm- vollen Namensschwester, der gesegneten heiligen Hilda von Whitby, deren Seele Gott gnädig sein wolle, wenig nachstand.«

      Als der Prior diese nach seiner Meinung begütigende Anrede geendet hatte, sagte sein Begleiter kurz und mit Nachdruck: »Ich rede stets französisch, die Sprache König Richards und seiner Edlen; doch verstehe ich sächsisch genug, um mich mit den Eingebornen des Landes verständigen zu können.«

      Cedric warf dem Redenden einen jener hastigen und ungeduldigen Blicke zu, welche der Vergleich zwischen den beiden feindlichen Nationen fast immer bei ihm erregte; doch erinnerte er sich der Pflichten der Gastfreundschaft, unterdrückte alle weiteren Zeichen des Zornes, nöthigte mit einer Handbewegung seine Gäste zwei Sitze einzunehmen, ein wenig niedriger als sein eigener, aber dicht neben ihm, und gab ein Zeichen, daß das Abendessen aufgetragen werde.

      Während die Diener eilten, Cedrics Befehl zu erfüllen, bemerkte er Gurth, den Schweinehirten, der mit seinem Begleiter Wamba eben in die Halle eintrat. »Schickt jene trödelnden Kerle höher herauf,« sagte der Sachse ungeduldig. Und als die Delinquenten vor dem Heahsetl ankamen, fuhr er fort: »Wie kommt es, Schurken, daß Ihr so spät ausgeblieben seid? Hast Du Deine Herde heimgebracht, Gurth, oder hast Du sie Räubern und Landstreichern überlassen?«

      »Die Herde ist in Sicherheit, wenn Ihr erlaubt,« sagte Gurth.

      »Ich erlaube aber nicht, Schurke,« sagte Cedric, »daß man mich zwei Stunden in der Meinung läßt, daß es anders sein könnte, und daß ich hier sitzen und Rache sinnen muß gegen meine Nachbarn, die mir gar kein Unrecht zugefügt haben. Ich sage Dir, Kerl, das nächste Vergehen dieser Art werde ich mit Ketten und Gefängniß bestrafen.«

      Gurth, der seines Herrn Temperament kannte, versuchte keine Entschuldigung, doch der Narr, der vermöge seines Vorrechts auf Cedrics Toleranz rechnen konnte, antwortete für sie beide: »Meiner Treu, Onkel Cedric, Du bist heute Abend weder weise noch vernünftig.«

      »Wie, Bursche?« sagte sein Herr, »Du sollst in die Pförtnerwohnung und dort die Peitsche schmecken, wenn Du Deiner Narrheit so freien Spielraum lässest.«

      »Vorher laß Deine Weisheit mir sagen,« fiel Wamba ein, »ist es recht und vernünftig, eine Person für den Fehler einer andern zu bestrafen?«

      »Gewiß nicht, Narr,« antwortete Cedric.

      »Warum willst Du denn Gurth in Ketten legen, Onkel, wegen des Fehlers seines Hundes Packan? denn ich will schwören, wir verloren keine Minute unterwegs, als wir unsere Herde beisammen hatten, was Packan nicht eher gelang, als bis wir die Vesper schlagen hörten.«

      »Dann hänge Packan,« sagte Cedric, indem er sich hastig zu dem Schweinehirten wendete, »wenn er die Schuld hat, und schaffe Dir einen andern Hund an.«

      »Mit Vergunst, Onkel,« sagte der Possenreißer, »das wäre auch noch etwas weiter abgeglitscht von der Gerechtigkeit, denn es war nicht Packans Schuld, daß er lahm ist, und die Herde nicht zusammentreiben konnte, sondern die Schuld derjenigen, die ihm zwei von seinen Vorderzehen abschnitten, eine Operation, zu welcher der arme Kerl, wenn man ihn befragt hätte, gewiß nicht ja gesagt haben würde.«

      »Und wer wagte, ein Thier zu lähmen, welches meinem Leibeigenen gehört?« sagte der Sachse mit aufflammender Wuth.

      »Ei, das that der alte Hubert,« sagte Wamba, »Sir Philipp de Malvoisins Wildmeister. Er fing Packan auf, als er im Walde umherlief, und behauptete, er jage Wild, wodurch er das Jagdrecht seines Herrn verletze.«

      »Der böse Feind hole Malvoisin,« antwortete der Sachse, »und seinen Wildmeister dazu. Wâ tham men, the vrôhte thurh hyne and flît cymth! Ich will ihnen beweisen, daß mir das Jagdrecht so gut zusteht, wie ihnen. – Aber genug davon. Geh, Bursche, geh an Deinen Platz, und Du, Gurth, schaffe Dir einen andern Hund an, und sollte der Wildmeister ihn anzurühren wagen, so will ich ihm dagegen das Bogenschießen verleiden. Den Fluch eines Feiglings über mein Haupt, wenn ich ihm nicht den Vorderfinger seiner rechten Hand abschlage! Er soll keine Bogensehne mehr spannen. Ich bitte um Verzeihung, meine würdigen Gäste. Ich bin hier von Nachbarn umlagert, die es Euren Ungläubigen im gelobten Lande gleich thun, Herr Ritter. Aber Eure frugale Speise steht vor Euch; eßt, und laßt den freundlichen Willkommen die kärgliche Bewirthung entschuldigen.«

      »Das Mahl, welches auf dem Tische stand, bedurfte indeß keiner Entschuldigung von Seiten des Hausherrn. Schweinefleisch, auf verschiedene Art zubereitet, zeigte sich auf dem niedrigen Theile der Tafel, sowie auch Geflügel, Wildpret, Ziegen und Hasen, verschiedene Arten von Fischen, nebst ungeheuren Broden, Kuchen und verschiedenem Eingemachten von Früchten und Honig. Die kleineren Arten von wildem Geflügel, welche im Ueberfluß da waren, wurden nicht auf Tellern servirt, sondern auf kleinen hölzernen Spießen hereingebracht und von den Pagen und Bedienten, welche sie trugen, jedem Gaste der Reihe nach angeboten, der so viel davon abschnitt, als ihm gefiel. Neben jeder Person von Rang und Würde stand ein silberner Becher, und die untere Tafel war mit großen Trinkhörnern versehen.«

      Als das Mahl beginnen sollte, erhob plötzlich der Haushofmeister seinen Stab und sagte laut: »Habt Acht! Platz für die Hlaefdige Rowena!« Eine Seitenthür am obern Ende der Halle hinter der Tafel that sich auf, und Rowena, von vier Dienerinnen begleitet, trat ins Gemach. Cedric, obgleich nicht ganz angenehm überrascht, weil seine Mündel sich bei dieser Gelegenheit öffentlich zeigte, eilte ihr entgegen und führte sie mit respektvollem Ceremoniel zu dem erhöhten Sitze zu seiner Rechten, der für die Dame des Hauses bestimmt war. Alle standen auf, um sie zu begrüßen, und diese Höflichkeit mit einer stummen Verbeugung erwidernd, ging sie anmuthsvoll vorwärts, um ihren Platz an der Tafel einzunehmen. Ehe sie noch Zeit hatte, dies zu thun, flüsterte der Templer dem Prior zu: »Ich werde kein goldenes Halsband von Euch beim Turnier tragen. Der Chierwein ist Euer.«

      »Sagte ich es nicht?« antwortete der Prior; »aber mäßigt Euer Entzücken, der Frankelin beobachtet Euch.«

      Ohne auf diese Vorstellung zu achten und gewohnt, allein nach dem unmittelbaren Antriebe seiner Wünsche zu handeln, heftete Brian de Bois-Guilbert seine Augen beständig auf die angelsächsische Schöne, die seiner Phantasie vielleicht darum desto auffallender war, weil sie sich so sehr von den orientalischen Sultaninnen unterschied.

      Nach den edelsten Körperverhältnissen ihres Geschlechts gebildet, war Rowena groß von Statur, doch nicht so groß, daß sie gerade deshalb die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Ihre Gesichtsfarbe war außerordentlich zart und weiß, doch schlossen die edle Bildung ihres Hauptes und ihrer Züge den nichtssagenden Ausdruck aus, der zuweilen Schönheiten dieser Art eigen ist. Ihr klares blaues Auge, welches von anmuthig geschweiften Brauen von dunkler Farbe überschattet war, stark genug hervortretend, um der Stirn Ausdruck zu verleihen, schien gleich fähig zu zünden wie zu schmelzen, zu gebieten wie zu flehen. Wenn Milde der natürlichere Ausdruck einer Vereinigung von solchen Gesichtszügen war, so konnte man doch auch erkennen, daß die Ausübung gewohnter Hoheit und die allgemeine Huldigung der angelsächsischen Schönen einen majestätischen Charakter verliehen hatten, der sich in ihre natürlichen Züge mischte und sie bestimmend hervortrat. Ihr üppiges, dunkelblondes Haar war auf phantastische aber anmuthige Weise in zahlreiche Ringellocken vertheilt, die zu bilden Kunst die Natur unterstützt haben mußte. Diese Locken waren mit Edelsteinen durchwebt und wallten in ihrer vollen Länge hernieder, so daß dadurch die edelfreie Geburt und die unabhängige Lage des Mädchens angedeutet wurde. Eine goldene Kette, an der eine kleine ebenfalls goldene Reliquie befestigt war, hing an ihrem Halse, um die bloßen Arme trug sie Armspangen. Die Kleidung


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