Elduria - Die Entscheidung. Norbert Wibben

Elduria - Die Entscheidung - Norbert Wibben


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kann. Sie hat jedoch eine Idee.

      »Bist du sicher, dass Atropaia keinen Silberschmuck trägt, möglicherweise eine Halskette, Ringe oder Spangen? Für derart vergesslich halte ich sie zwar nicht, aber nach der langen Gefangenschaft könnte sie alten Familienschmuck angelegt haben. Der würde deinen Zauber zumindest abschwächen. Also nicht. Hm. Darauf hätte ich jetzt getippt. – Wie schlimm ist ihr Zustand? Hast du das Gefühl, dass ich nach ihr sehen sollte?«

      »Du bist doch in Elduria, um den Aufstand gegen Drakonia zu organisieren. Wäre das eine große Störung? – Mir ist es ehrlich gesagt lieber, du könntest hierherkommen. Wenn ich Paia morgens Lebensenergie spende, ist die oft schon am Mittag aufgebraucht. Den Nachmittag verschläft sie und mag kaum den Sessel verlassen, um nach oben ins Bett zu gehen. Allmählich fühle ich mich von den ständigen Übertragungen völlig ausgelaugt.«

      »Das ist als Folge durchaus möglich, meine Liebe. Ich bin zwar inzwischen auf dem Weg zu den Nordelfen, werde die Reise jedoch unterbrechen. Der Versuch, die Elfen auf die Seite der Aufständischen in Elduria zu ziehen, kann eine Verzögerung vertragen. Die Hilfe für Atropaia aber nicht, so scheint mir. Hm. Ich kann trotzdem erst in einigen Stunden bei euch sein. Einverstanden?«

      »Danke! Ich weiß mir keinen Rat mehr und bin dir unendlich dankbar.«

      »Dann bis später!«

      Runa atmet erleichtert auf. Sie wirft einen prüfenden Blick auf ihre Amme. Woran mag es nur liegen, dass die Zauber lediglich kurz wirken? Sie hatte bereits in Grimgards Kerker Lebensenergie an Atropaia übertragen. Dass die Westelfe dabei noch silberne Spangen um Hand- und Fußgelenke trug, war die Erklärung, weshalb nur wenig der Energie wirken konnte. Dass das überhaupt gelang, lag daran, dass Runa ihr gleichzeitig die Hände auf den Kopf legte. Das vermutet sie jedenfalls. Doch die Klammern sind längst entfernt worden, noch bevor sie in das Haus im Elfenwald heimkehrten.

      Ob sie einen Versuch machen sollte, in Atropaias Gedanken nach einem dort lauernden Schatten zu suchen? Obwohl sie mit Dragon diese Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, achtete sie bei der vergangenen Gedankenverbindung zur Amme nicht auf entsprechende Hinweise. Sie wurde dabei zu sehr von ihrem Wunsch abgelenkt, die Sequenzen mit ihren Eltern, vor allem aber die mit Raika, sehen zu wollen. Da die Bilder mit den letzten Lebensminuten ihrer Mutter endeten, war sie anschließend derart traurig gewesen, dass sie nicht mehr an die Suche nach versteckten dunklen Flüchen gedacht hatte. Doch jetzt drängt der Gedanke daran immer mächtiger in ihr Bewusstsein.

      Sie schaut grübelnd zu ihrer Amme hinüber. Die Hände Atropaias liegen auf ihrem Schoß. Ein Blick auf eines der Handgelenke offenbart eine dunkle Spur, die darum herum verläuft. Sofort wandern ihre Augen zum anderen hinüber. Auch dort bemerkt sie diesen Schatten. Sie befinden sich an den Stellen, wo die silbernen Klammern saßen. Das wirkt auf das Mädchen so, als ob diese Bereiche im Nachhinein auf die lange Zeit der Gefangenschaft hinweisen wollten.

      Ein plötzlicher Gedanke lässt Runa hochschrecken. Was ist, wenn das keine Sinnestäuschung, sondern ein feiner Abrieb von Silber ist. Könnte der womöglich in die Haut eingedrungen sein? Ist das nach so langen Jahren im Kerker auszuschließen? Es könnten andererseits auch Blutergüsse sein, da die Klammern recht eng um die Gelenke befestigt waren, oder auch schlecht verheilte Schürfwunden. Aber was davon ist wahrscheinlich?

      Atropaia hatte seit ihrer Rückkehr mehr als einmal ein Bad genommen, ganz zu schweigen vom üblichen Händewaschen. Würden sich Silberpartikel derart fest auf der Haut halten? Das würde dann für eine der letzteren Möglichkeiten sprechen, obwohl das Mädchen diese Begründungen nicht akzeptieren will. Es schüttelt den Kopf, tritt zur Amme und betrachtet die leicht geschwärzten Stellen genauer. Sie wirken fast so, als ob sich dort Tätowierungen befinden würden. Es scheinen eher die oberen Hautschichten als die tieferen betroffen zu sein. Das spricht für die Theorie über Silberabrieb.

      Runa nimmt sofort Kontakt zu Danrya auf und fragt, ob das möglich sein könnte.

      »Ich weiß, dass Silber oxidiert und dabei schwarz wird«, antwortet diese. »Schwefel aus der Luft verbindet sich mit dem Metall. Der direkte Hautkontakt kann das Anlaufen sogar noch intensivieren. Ein Abrieb der dunklen Verfärbungen kann in den Poren der Haut festgehalten werden und die Stellen jeweils dunkel verändern. Da Atropaia die silbernen Klammern über Jahre tragen musste, ist das die logische Erklärung für die noch sichtbaren Schatten.«

      »Dann sind sie auch die Ursache, weshalb die Übertragung meiner Lebensenergie nicht gut funktioniert?«

      »Das wäre möglich. Wenn Silber magische Kräfte unterbindet, könnte Silberoxid das in abgeschwächter Form ebenso.«

      »In den Gängen unter der Festung roch es, verursacht durch den Feueratem Befires, stark schwefelig. Sollte das für das Anlaufen der Klammern verantwortlich sein?«

      »Zum Teil kann das stimmen, obwohl auch die reine Luft während sieben Jahren vermutlich ausreichen würde.«

      »Was kann ich machen, um die Partikel zu entfernen. Wasser und Seife genügen offensichtlich nicht. Ich denke, Paia wird das bereits durch kräftiges Reiben mit einer Bürste versucht haben. Kennst du einen geeigneten Zauberspruch?«

      Doch die Frage bleibt unbeantwortet. Muss die Elfe erst nachdenken? Als sie nach mehreren Minuten immer noch nicht antwortet, macht sich Runa Sorgen um die Westelfe.

      »Danrya, geht es dir gut? Befindest du dich womöglich in Gefahr?« Aber sie reagiert nicht. Das Mädchen springt auf und läuft unruhig aus dem Haus. Sie weiß, dass sie hier genauso wenig ausrichten kann, sollte Danrya in Schwierigkeiten stecken. Trotzdem verspürt sie den Drang, sich zu bewegen. Die Elfe sagte doch, in einigen Stunden hier zu sein. Wie lange ist das her? Warum hatte sie nicht direkt zum Haus kommen können? Mit Hilfe des magischen Sprungs sind Ortswechsel über größere Distanzen ausführbar. Ist das von Elduria aus nicht möglich?

      »Aber sie ist doch inzwischen nicht mehr dort«, korrigiert sich Runa. »Hm. Sie wollte zu den Nordelfen, sollte es bei ihnen ähnlich geschützte Gebiete wie die Triqueta in Merion geben? Das wäre durchaus sinnvoll, da die Elfen mit Angriffen gegnerischer Zauberer rechnen müssen. Und bis direkt in diesen Elfenwald kann sie mittels Magie auch nicht kommen. Deshalb musste ich Dragon hineinziehen und die Rückreise mit Atropaia am Waldrand unterbrechen. Nach wenigen Schritten hinein, ging es dann aber mit dem magischen Sprung direkt bis zur Lichtung mit dem Haus.«

      Völlig unerwartet schießt ein fürchterlicher Gedanke durch ihren Kopf.

      »Was ist, wenn Danrya Creulon begegnet? Er ist sicher auf der Suche nach uns. Kann sie in eine von ihm gestellte Falle gelaufen sein?«

      »So leicht bin ich nicht zu übertölpeln«, meldet sich die Elfe wieder. »Du hast mit deiner Überlegung nicht so unrecht. Dieser dunkle Magier hat zusätzlich zu unserem Schutz seinen eigenen Zauberring um den Elfenwald gezogen. Der stoppte mich an dessen Rand. Ich wurde sogar um viele Meter zurückgeschleudert. Letzteres war eine Folge von meinen Schutzzaubern, die zusammen mit Creulons Ring bewirkten, dass ich durch die Luft katapultiert wurde. Das war auch der Grund, warum ich deine Frage nicht beantwortete. Ich fing den Sturz ab und versteckte mich als Rotkehlchen in einem Gebüsch. Die Situation erforderte einige Zeit lang meine volle Konzentration, da der Aufprall einen weithin hörbaren Alarm verursachte. Kurz nach der Gestaltänderung tauchte dieser böse Zauberer zusammen mit einer Handvoll finster aussehender Bewaffneter auf. Sie suchten die Umgebung ab, konnten mich jedoch nicht finden. – Es sieht so aus, dass mein Eindringen in den Wald derzeit unmöglich ist.«

      »Creulon vermutet offenbar, dass Atropaia und ich noch nicht hier sind. Er will unsere Rückkehr auf magische Weise verhindern. Ob er trotzdem auch Reiter zur Durchsuchung in den Wald …«

      Runa unterbricht unwillkürlich ihre Gedanken. Sie ist inzwischen wieder in der Wohnstube und blickt hinüber zu ihrer Amme, die schlafend in ihrem Sessel sitzt. Doch jetzt verwischen sich die Bilder. Sie steht direkt vor Atropaia, wobei sie offenbar einen Zauberspruch murmelnd auf deren Handgelenke deutet. »Renovo!« Gleich darauf bückt sie sich und nutzt erneut diesen Spruch und zeigt dabei auf die Fußgelenke. Während sie sich noch aufrichtet, dringt näherkommender Hufschlag ins Innere. Da der Waldboden derartige Geräusche


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