Karfreitagabend. Cristina Fabry
n id="u8809e2aa-88a1-5148-a157-3e0a44d98f03">
Cristina Fabry
Karfreitagabend
Erzählung
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Vorwort – in eigener Sache
An Karfreitag 2021 schrieb eine von mir geschätzte Bloggerin, dass sie gern einen Film sehen oder ein Buch lesen würde, bei dem es darum geht, was die Jünger Jesu am Tag der Kreuzigung taten und zwar, nachdem Jesus gestorben war. Was ging ihnen durch Kopf und Herz?
Es kann spannend sein, sich das vorzustellen, die Bibel sagt nicht viel darüber und ist ja auch keine fundierte, historische Quelle.
Aber die Jünger – und Jüngerinnen Jesu waren Menschen sehr unterschiedlichen Charakters, die eine schwierige Krise meistern mussten und alles, was sie erlebten, war bereits vor ihnen und auch jahrhundertelang nach ihnen eine Aneinanderreihung allgemeiner, menschlicher Erfahrungen. Wir haben keine Ahnung, wie die Menschen damals im Alltag miteinander geredet haben, was ausgesprochen wurde und was man lieber für sich behielt, welche Gefühle den Einzelnen bewusst waren und welche ihr Verhalten bestimmten, ohne dass ihnen klar war, warum das so war. Sie tickten sicher ganz anders als wir heute, hatten eine vollkommen andere psychische Struktur, eine andere Art nach außen mit Konflikten umzugehen, aber auch sie innerlich zu verarbeiten. Wir haben schon Verständnisprobleme, wenn wir es in der heutigen Zeit mit Menschen aus anderen Kulturkreisen zu tun haben, ja sogar wenn sie aus einem anderen sozialen Umfeld stammen, weil sie nicht die gleichen Erfahrungen gemacht haben und anders geprägt wurden. Es wird also kaum realistisch sein, was ich mir hier ausgedacht habe.
Aber der Sinn von biblischen Texten besteht nicht darin, sich die Welt von vor 2000 Jahren zu erschließen, sondern das, was sie beschreiben, in unsere Lebenswelt zu übersetzen, um aus den uralten Erfahrungen, die trotz aller Unterschiede in ihrer Essenz seit Generationen die gleichen sind, für das eigene Leben und die aktuelle Gemeinschaft zu lernen. Dabei hilft es, gemäß des Bibliologs der in Teilen der altjüdischen Tradition des Midrasch ähnelt, neben dem sogenannten schwarzen Feuer, dem gedruckten, lesbaren Wort, auch das sogenannte weiße Feuer zu entfachen, die Geschichten hinter den Geschichten, die Figuren und Erzählungen zwischen den Zeilen, die unsere Phantasie uns offenbart. Also erzähle ich Ihnen eine fiktive Geschichte von den ersten zehn Stunden nach Jesu Tod – und beginne im folgenden Prolog einige Stunden zuvor.
Prolog
Er hätte es wissen müssen. Da stand er, vor der verschlossenen Tür, die man ihm vor der Nase zugeschlagen hatte und drinnen war Jesus von Nazareth, wurde zum Tode verurteilt und er hatte ihn ans Messer geliefert.
Aber das hatte Jesus doch selbst so gewollt. Hatte ihn direkt aufgefordert, die Initiative zu ergreifen. Er hatte immer das Gefühl gehabt, dass der Meister in ihm jemanden sah, der die Dinge zurechtrückte. Jesus konnte nicht mit Geld umgehen, Besitz interessierte ihn nicht, mit so schnöden Dingen wir Wirtschaftlichkeit oder Planung befasste er sich nicht gern, das hatte er ihm überlassen. „Judas“, hatte er gesagt, „Wenn du immer solche Angst hast, dass wir mit unserem Geld nicht auskommen, dann wird es wohl das Beste sein, du nimmst den Beutel an dich und teilst es so ein, dass es für uns alle reicht.“
Jesus hatte ihm da durchaus etwas zugetraut und er hatte die Aufgabe mit Bravour erfüllt. Sie waren niemals pleite, dafür hatte er drei Jahre lang gesorgt und es trotzdem hinbekommen, ab und an eine kleine Extraportion für sich abzuzwacken, die er sich aber durch seinen selbstlosen Einsatz redlich verdient hatte. Manche gönnten ihm das nicht und sahen ihn scheel von der Seite an, aber selbst wollten sie sich auch nicht um die Finanzen kümmern, dazu waren sie sich immer zu fein gewesen, vor allem der kultivierte und belesene Johannes, der ständig um Jesus herumscharwenzelte oder der übereifrige Petrus, der sich immer einbildete, keiner stehe dem Heiland so nahe wie er. Selbstgerechte Kerle waren sie allesamt.
Keiner von ihnen hatte durchgemacht, was er aushalten musste. Die leidende Mutter, die nach neun Geburten kraftlos und blutleer nicht einmal das kleine Haus in Ordnung halten konnte, der aufbrausende Vater, der nichts verdiente, weil ihn niemand als Handwerker gebrauchen konnte, sodass sie selten genug zu essen hatten. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Überleben zu lernen, sich Liebkind zu machen, bei denen, die vielleicht ein wenig von ihrer Habe abgaben, etwas mitgehen zu lassen, wo niemand aufpasste und dann die Beute gut aufzuheben und einzuteilen, damit es für alle reichte. Er war durch eine harte Schule gegangen und die hatte ihn klug und stark gemacht.
Jesus dagegen war ein Träumer. Er brauchte jemanden, der ihm den Weg frei machte, für ihn sorgte. Im Hohen Rat braute sich eine dunkle Wolke gegen ihn zusammen und er hatte einfach immer so weitergemacht und hatte es nicht sehen wollen. Darum musste jemand etwas unternehmen, um Jesus vor sich selbst zu schützen. Alle anderen waren zu feige dafür, liefen wie Schafe hinter ihrem Hirten her, hatten scheinbar keinen eigenen Kopf.
Der Handel mit Zera hatte ihn überzeugt. Dass man ihm dafür eine Bezahlung zusicherte, hatte er nicht hinterfragt, sondern als positive Begleiterscheinung mitgenommen. Das Richtige tun und noch davon profitieren, warum nicht? Er hatte doch nur Schaden abwenden wollen von der Bewegung und von Jesus. Im Gespräch mit dem Hohen Rat, hätte Jesus in Ruhe erklären können, worum es ihm ging und der Hohe Rat hätte Jesus erklären können, was nicht ging.
Ach und um ehrlich gegen sich selbst zu sein, musste er auch zugegeben, dass ihm gelegentlich Zweifel gekommen waren an diesem sanften Rabbi, der ständig von einer neuen Welt sprach und trotzdem nicht bereit war, an grundsätzlichen Veränderungen mitzuwirken, die Besatzungsmacht aus dem Land zu vertreiben und für eine gerechte Verteilung des Eigentums zu sorgen. Mit schönen Worten konnte man Reiche und Mächtige nicht zum Teilen von Macht und Gütern bewegen, das funktionierte nur mit dem Schwert. Er hatte Jesus ja glauben wollen, dass es einen anderen Weg gab, einen ohne Gewalt und Verletzungen, das wäre ja auch schöner, aber das war eben nur ein schöner Traum gewesen, aus