Sandy - Entwurzelt zwischen den Kontinenten. Bridget Sabeth
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Bridget Sabeth
Sandy - Entwurzelt zwischen den Kontinenten
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Inhaltsverzeichnis
Ein tödliches Geheimnis
Sandy
Entwurzelt zwischen den Kontinenten
Bridget Sabeth
Könnte ich bloß etwas tun! Tim begutachtete Sandras angespanntes Gesicht. Ihre traurigen gequälten Augen wirkten dumpf, peinigten ihn selbst. Mühsam unterdrückte er ein Aufseufzen und rückte ein Kissen zurecht.
Er mochte die gemütliche, dunkelbraune Rattan-Garnitur mit den beigen Auflagen. Sie chillten gerne gemeinsam in der Gartenlaube. Dieser Ort war längst zu einer fixen Komponente bei ihren Treffen geworden. Am heutigen Tag schaffte es die vertraute Umgebung nicht, die aufgestauten Emotionen zu besänftigen.
Sandy saß auf dem Sofa, während er gegenüber auf einem Sessel Platz genommen hatte. Sie starrte stumm vor sich hin, wie abgedriftet.
Bestimmt denkt sie an ihr altes Leben in Österreich. An jene Zeit, in der sie behütet aufwachsen durfte. Es ist nicht fair, dass von einem Tag auf den anderen ihr Leben aus den Fugen geraten musste! Man hat ihr die Familie, Freunde sowie die vertraute Umgebung genommen! Tim strich sich über die schweißnasse Stirn. Dennoch bin ich froh, dass wir uns gefunden haben!
Hell durchflutete der Sonnenschein den Innenraum, hatte diesen spürbar erwärmt. In der Mitte des Tisches stand ein feucht beschlagener Wasserkrug. Es war abnorm heiß. Sandy hielt hingegen die Beine angewinkelt fest umschlungen, als würde sie frieren.
»He, ab heute bist du achtzehn. Als Österreicherin somit volljährig. Ich bin bereits gespannt, welche Überraschungen Helen und David für dich besorgt haben. Die Feier wird bestimmt schön werden«, versuchte Tim fröhlich zu klingen.
Sandra schaute auf. »Ich bin ein U-Boot. Kaum jemand weiß, von woher ich komme und was mit meiner Ursprungsfamilie passiert ist. Kannst du mir da verübeln, dass ich meine Geburtstage hasse? Ich mache das ganze Theater bloß mit, um Helen und David nicht zu enttäuschen. Das weißt du«, stieß sie bitter aus.
»Und jedes Jahr hoffe ich darauf, dass der Schmerz in dir nachlässt.«
Bedrückt senkte Sandy den Kopf, trotzdem bemerkte Tim die einzelne Träne, die sich aus ihrem Augenwinkel gelöst hatte.
»Süße.« Er erhob sich aus dem Sessel, setzte sich an ihre Seite, strich eine widerspenstige Strähne hinter ihr Ohr zurück. Meine Sandy … Sanft küsste er ihr Haar, atmete den unvergleichlichen Duft ein, der ihn an eine Blumenwiese erinnerte. Seit dem vorigen Jahr hatten sich seine Gefühle gewandelt, sich intensiviert. Statt der kleinen Schwester, so wie ich sie anfangs gesehen habe, sind wir Liebende geworden.
»Seit über fünf Jahren, einem Drittel meines Lebens bin ich hier. Da draußen …« Sandy brach ab, unwillig schüttelte sie den Kopf. »Noch immer bin ich keinen Schritt weiter.«
»Ohne dich wäre es langweilig, mir würde definitiv etwas fehlen.«
Sandys Augen flackerten wehmütig auf. »Du bist das Beste, was mir passieren konnte. Doch meine Entführung ist so präsent in mir. Ich träume fast jede Nacht davon. Manchmal wirkt es, als wären es zusammengewürfelte Bruchstücke aus einem Horrorfilm. Und dann ist da Kurt … mein Onkel, wie ein Dämon …« Sie atmete hörbar durch, stierte vor sich auf den braunen Dielenboden, als Suche sie dort Halt in ihrer Rastlosigkeit.
Tim langte nach Sandys Hand, spürte ihr Zittern. Zärtlich fuhr er mit seinem Daumen über die Haut.
»Wenn ich wüsste, wo mein Bruder ist. Lebt er überhaupt noch? Wir waren eine normale Familie, dachte ich zumindest.« Sandra zog die Hand zurück. »Ich vermisse sie … Sie alle … So sehr … Nach wie vor.« Abrupt sprang sie auf, ging ein paar Schritte, schaute unschlüssig im Raum umher.
»Sandy«, krächzte Tim. Seine Kehle fühlte sich ausgetrocknet an. Er griff nach dem Glas Wasser auf dem Tisch und trank einen großen Schluck.
Hilflos zuckte Sandra mit den Schultern. Sie trat ans Fenster, lehnte sich an die Holzvertäfelung, wanderte gedanklich in jene Zeit zurück, in der sie entwurzelt worden war. Durchlebte die Minuten, Stunden, Tage, Wochen und Monate, die sie noch jetzt – nach Jahren – quälten.
Leoben, Mai 2013
Mary stand rastlos in der Küche. Sie konnte es nicht fassen, was vorhin ihr Mann Manfred erzählt hatte! Kurt ist da! Sein Bruder, ihr Peiniger! Unbehelligt war er im Institut an den Mitarbeitern vorbeigekommen, um Manfred dort aufzusuchen. Beim Gedanken daran zog sich alles in ihr zusammen, es tobte in ihr ein Orkan aus Angst, Furcht, Entsetzen und schlimmen Erinnerungen.
Kurt war seit jeher dreist und skrupellos! Bestimmt wollte er damit zeigen, dass er vor nichts und niemandem Angst hat, er nach seinen eigenen Gesetzen lebt! – Und verdammt, warum erkennt Manfred nicht den Ernst der Lage?! Kurt will die Formel für dubiose Machenschaften. Da bin ich sicher! Ob er Drogengeschäften nachgeht? Das ist das Naheliegendste. Mit ehrlicher Arbeit wäre er niemals in Amerika zu Reichtum gekommen, zumindest hat Manfred das angedeutet.
Die Formel,