Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch

Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski - Ricarda Huch


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mit gelehrten Juden über ihre Glaubenssätze zu disputieren. Man hatte damals ein zwiespältiges Verhältnis zum Hebräischen: einmal war es die Sprache des verachteten Volkes, das den Heiland verkannt und ans Kreuz geschlagen hatte; aber es war doch auch die Sprache, in der der Herr zum ersten Mal mit den Menschen gesprochen hatte, und es umgab sie ein Schimmer fremdartiger, uralter Heiligkeit, wie er keiner anderen eigen war.

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      Kabbala

       In der Kabbala, der Geheimlehre der Juden, glaubte Reuchlin Offenbarungen über die in Zahl und Zeichen verborgene göttliche Schöpferkraft zu finden; besonders die Namen des Unnennbaren sollten Zauberworte sein. An den Schluss der hebräischen Grammatik, die er verfasst hat, setzte er den Vers des Horaz: Exegi monumentum aere perennius; so sehr war er sich bewusst, etwas Großes und Dauerndes geleistet zu haben. Gerade die Kenntnis des Hebräischen nun war es, die ihn in einen verhängnisvollen Kampf verwickelte.

      An einem Herbsttag des Jahres 1509 besuchte Reuchlin ein getaufter Jude namens Pfefferkorn und brachte ein merkwürdiges Ansinnen vor.

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      Johannes Pfefferkorn * 1469, ursprünglich lautete sein jüdischer Vorname Joseph, war ein deutscher Jude, der zum Christentum konvertierte. Er nahm eine antijudaistische Haltung ein.

      Er habe, sagte er, von Kaiser Maximilian, während derselbe im Krieg gegen Venedig vor Padua lag, die Vollmacht erhalten, mit Zuziehung des Pfarrers und zweier obrigkeitlicher Personen jedes Ortes alle Bücher der Juden einzuziehen und zu vernichten, die etwas dem christlichen Glauben Abträgliches enthielten. Reuchlin, als in der hebräischen Literatur bewandert, möge ihn begleiten und sich an der Arbeit beteiligen. Mit der Begründung, dass er keine Zeit habe, lehnte Reuchlin ab und machte außerdem den unwillkommenen Mann auf gewisse Formfehler des Mandats aufmerksam, die der Ausführung des Auftrages hinderlich wären. Damit glaubte er die Sache abgetan. Pfefferkorn indessen gehörte zu jenen Konvertiten, die sich mit einer Art von Raserei in den neuen Glauben verbeißen und gegen den verlassenen wüten, vielleicht auch bewegte ihn wirklich, wie man ihm später nachsagte, Rache gegen seine früheren Glaubensgenossen, die ihn wegen begangener Verbrechen ausgestoßen hätten; kurz, er setzte seine Bemühungen fort, deren Ergebnis war, dass Reuchlin von Seiten des Kaisers um ein Gutachten angegangen wurde, ob es göttlich und löblich und dem heiligen christlichen Glauben nützlich sei, die Bücher der Juden, mit Ausnahme natürlich des Alten Testamentes, zu verbrennen. Außer von Reuchlin wurden Gutachten eingefordert von den Universitäten Köln, Mainz, Erfurt, Heidelberg, von dem Kölner Dominikanerprior Jakob Hochstraten (Jakob Hochstraten, geboren um 1460, verstorben am 21. Januar 1527 päpstlicher Inquisitor zur Zeit der Reformation.) und von dem getauften Juden Viktor von Carben, der ehemals Rabbiner, jetzt christlicher Geistlicher war.

      Victor von Carben, auch von Karben (geboren 1422; gestorben am 2. Februar 1515) war ein deutscher Rabbiner, der vom Judentum zum katholischen Glauben übertrat und Priester wurde.

       Das Gutachten, das Reuchlin ausstellte, ist ein schönes Zeugnis für seine Gewissenhaftigkeit, Unparteilichkeit und Geistesfreiheit. Er unterschied sieben verschiedene Klassen jüdischer Bücher: 1. die Heilige Schrift, die nicht in Frage komme. 2. den Talmud, der vielleicht manches wider den christlichen Glauben enthalte; allein dass die Juden Jesus Christus nicht als Gott anerkennten, sei nun einmal ihr Glaube und könne ihnen weiter nicht vorgeworfen werden, außerdem sei manches Gute darin. 3. die Kabbala, der Reuchlin am wenigsten etwas Böses nachsagte. 4. die Glossen oder Kommentare, die dem besseren Verständnis der Schrift dienten. 5. die Predigten und Zeremonienbücher, die zu dem von Kaiser und Papst den Juden zugestandenen Kult gehörten. 6. Bücher über Kunst und Wissenschaft. 7. Dichtungen, unter denen möglicherweise Schmähungen gegen Christus, seine Mutter und die Apostel wären. Wenn man solche Bücher fände, könne man sie vernichten und die Juden bestrafen, aber nur nach ordentlichem Verhör und Urteil. Er beschloss das Gutachten mit dem Rat, die Bücher nicht zu verbrennen, sondern die Juden durch vernünftige Disputationen sanftmütig und gütlich zum christlichen Glauben zu bekehren.

       Auf den Kaiser, den Freund der Humanisten, machte Reuchlins Gutachten offenbar Eindruck, denn obwohl alle anderen, ausgenommen das der Universität Heidelberg, sofortige Einziehung und Unterdrückung aller jüdischen Bücher rieten, verschob er die Angelegenheit auf eine Beratung der Reichsstände. Wütend, dass ihm seine Opfer entgangen waren, und vermutlich angetrieben von den Kölner Dominikanern, schrieb Pfefferkorn den Handspiegel, eine Schmähschrift, in der er sich erdreistete, Reuchlin zu verdächtigen, als sei er von den Juden bestochen worden. Reuchlin wies im Augenspiegel die 34 Lügen des Pfefferkorn, so viele nämlich enthalte der Handspiegel, zurück, vor allem, wie sich von selbst versteht, den Vorwurf der Bestechlichkeit. Weit entfernt, dadurch zum Schweigen gebracht zu sein, wurde der penetrante Pfefferkorn nur umso hitziger. Er bewirkte, dass der Augenspiegel der theologischen Fakultät der Universität Köln eingereicht wurde, die ihrerseits das Buch dem Professor Arnold von Tungern überwies, damit er es auf die Rechtgläubigkeit des Verfassers hin untersuche. Reuchlin war ein großgewachsener, stattlicher Mann, damals 56 Jahre alt, seines Wertes bewusst, durch das allgemeine Ansehen, das er genoss, gehoben. Trotzdem überlief ihn ein Grauen; es war, wie wenn vom Rhein her ein brenzliger Geruch zu ihm gedrungen wäre. War Unschuld ein Schutz gegen die Inquisition? Nicht nur, dass das nicht der Fall war, schon der Prozess, die Untersuchung, die Quälerei des Ausfragens schreckten ihn. Er lebte mit seiner kränklichen Frau auf einem kleinen Landgut in der Nähe von Stuttgart, in seine Studien vertieft und beglückt durch den Anblick seiner weißen Pfauen. Dies geliebte Asyl wollte er sich nicht entreißen lassen. So schrieb er denn einen höflichen, allzu höflichen, ja unterwürfigen Brief an Arnold von Tungern, in dem er seine Übereinstimmung mit dem Kirchenglauben beteuerte und sich bereit erklärte zurückzunehmen, was etwa in seinen Schriften gegen denselben verstoße. Nach mehrmaligem Briefwechsel trat die Kölner Fakultät unverhohlen mit der Forderung hervor, Reuchlin sollte den Augenspiegel nicht mehr verkaufen, öffentlich erklären, dass er in allem mit der Kirche übereinstimme und die Juden mit ihren gottlosen Büchern, insbesondere den Talmud, verwerfe. Diese hochfahrend und überheblich vorgetragene Zumutung brachte Reuchlin wieder zu sich selbst; er richtete sich zu seiner alten Mannhaftigkeit auf, lehnte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als erlogen ab und nannte die Gegner mit den damals üblichen Schimpfwörtern Füchse, Schweine, Maulesel, Furien.

       Wie würde sich Kaiser Maximilian verhalten? Er war ein Freund der Humanisten, die wiederum ihm begeistert anhingen; es war kaum einer unter ihnen, der ihn nicht durch ein Gedicht oder eine Ansprache verherrlicht hätte. Er liebte es, sich mit ihnen in Gespräche einzulassen, und verkehrte mit ihnen, als wären sie seinesgleichen, wie er denn gelegentlich die Ansicht aussprach, dass eigentlich die Gebildetsten und Gelehrtesten herrschen müssten. Einmal, es war in Boppard im Jahr 1508, richtete er acht Fragen an den berühmten Abt Trithemius, darunter die folgenden: Warum Gott von den Menschen lieber geglaubt als gewusst und erkannt werden wolle? Ob, da nur ein kleiner Teil der Welt den christlichen Gesetzen unterworfen sei, die Meinung derer zugelassen werden könne, welche annähmen, jeder könne in einer Religion, die er für wahr halte, als Verehrer Eines Gottes außerhalb des Christentums und der Taufe selig werden? Ob aus der natürlichen Vernunft so gut wie aus der Schrift bewiesen werden könne, dass Gott für alle Wesen Sorge trage?

       Trithemius geriet einigermaßen in Verlegenheit und erbat sich drei Monate Zeit zur Beantwortung, denn er wollte sich nicht auf einer mit den kirchlichen Dogmen in Widerspruch stehenden Äußerung ertappen lassen. Sie waren in der Tat etwas schlüpfrig, die Fragen des Kaisers, und man glaubt das leise skeptische und schelmische Blinzeln seiner Augen zu sehen, wie er den gelehrten Abt aufs Eis führt. Konnte einer, der so fragte, auf der Seite der Kölner Ketzerrichter stehen? Sicherlich nicht; aber wenn er als Kaiser auftrat, konnte er auch nicht ohne weiteres seinem persönlichen Geschmack und Urteil folgen. Er war durch Eid verpflichtet, den Papst und die Kirche zu schützen und die Ketzer zu bestrafen, außerdem stand er in vielfacher politischer Beziehung zum Papst; war sie feindlich, suchte er ihm zu schaden, zuweilen aber, wenn der Papst grade eine Schwenkung zu seinen Gunsten gemacht hatte, tat er ihm zu Gefallen, was er konnte. Schließlich, es konnte nicht alles, was in der kaiserlichen Kanzlei


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