Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich

Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich


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die fernen Cordilleren haben zu dieser kleinen Creolenmenagerie, wie sie in Louisiana sagen würden, einen Tribut liefern müssen, denn auf einer von tiefem Graben umzogenen und Aloe, Cactus und Dornhecke dicht umschlossenen Wiese grasen drei Guanakas.

      Auf dem Heimritt hielten wir uns etwas länger bei den Kasernen auf, die gleich unterhalb der Quinta stehen. Es sind das lauter kleine, nicht weit von einander und zwar einfach genug errichtete Hütten, die ein feststehendes Lager bilden, in dem die Soldaten mit ihren Familien wohnen. Das Ganze hat auch in der That mehr ein indianisches als civilisirtes Ansehen, und die Soldaten, die hier ganz nach indianischer Weise leben und lagern, können wirklich fast mehr zu wilden als civilisirten Stämmen gerechnet werden. Diesem entsprechend, sieht auch ein großer Theil des Militärs wunderlich und wüst genug aus, rauh und abgerissen, eher einer Räuberbande als einem anständigen Heere gleich. - Ich verlange wahrhaftig keine Gamaschendisciplin, und je einfacher die Soldaten gehalten werden, desto weniger sind sie ein „theures Spielzeug" des Fürsten, aber einerlei Hosenbeine können sie denn doch haben, und wenn sie nun einmal am linken Fuß keinen Schuh erzwingen können, so sollten sie es wenigstens wie ihr Nebenmann machen und den vom rechten ebenfalls herunterlassen. Uebrigens sollen es tüchtige Burschen sein und sich in den früheren Kriegen schon wacker geschlagen haben. Mir wurde gesagt, daß sie wie die Mauern stehen - wenn man sie nur einmal am Davonlaufen hindern kann.

      Die reguläre argentinische Kavallerie hat dagegen ein desto pittoreskeres, ja wirklich romantisches Aussehen. Die dunkel¬blauen Ponchos mit weißen Randstreifen und rothem Futter, die gleichen langen und spitzen Mützen, vorn mit den Zipfeln herumgelegt und befestigt, machen sich vortrefflich. Dabei tragen sie eben solche blaue, mit weißen Litzen besetzte Cheri- pas und weiße befranzte Leggins. Auch eine Abtheilung der regulären Infanterie sieht originell und gut aus. Diese ist ganz in die Nationalfarbe - roth - gekleidet. Feucrrothe spitze Mütze - eben in der Art wie bei der Kavallerie getragen - feuerrothen Poncho mit weißen Streifen rings herum, und eben solche Cheripas gleichfalls mit weißen befranzten Leggins oder Unterhosen.

      Eines eigenen Gesetzes muß ich aber hier, da ich gerade von dem Militär spreche, erwähnen. In früheren Zeiten, wo die Miliz noch in Masse aufgeboten wurde und häufig in der Stadt exerciren mußte, sich einzuüben, geschah es oft daß Fremde, die nicht militärpflichtig waren, also an diesen Uebungen auch nicht theilzunehmen brauchten, über die vielleicht etwas abenteuerlichen Gestalten lachten und ihren Spaß darüber hatten. War dies nun die Ursache, oder mehr der angegebene Grund: „daß Fremde in der Zeit, welche argentinische Bürger dem Wohl des Staates opfern mußten, nicht allein Geld verdienen, und diese dadurch doppelten Schaden leiden sollten", das Gesetz erschien und war noch damals in Kraft, daß sich Niemand, so lange zu gewissen angesetzten Stunden (meistens Sonntags) exercirt wird, bei Strafe arretirt zu werden, auf der Straße dürfe blicken lassen. Alle Läden waren gesperrt und selbst der Aufenthalt auf den flachen Dächern zu dieser Zeit untersagt. So streng wurde dies Gesetz dabei gehalten, daß sich selbst auf dem Lande, wenn dort draußen Manöver war, Niemand durfte sehen lassen. Keinem Reisenden war es erlaubt, in solcher Zeit und in der /42/ Gegend seinen Weg fortzusetzen, und sogar die Hirten mußten in ihre Behausung zurück. Die einzige Ausnahme fand bei den Schafheerden statt, bei denen ein Schäfer bleiben durfte.

      Von diesem kleinen Ritt, der mich kaum aus der nächsten Umgebung der Stadt und noch nicht einmal aus den Hecken der Felder hinausbrachte, zurückgekehrt, bekam ich eine Einladung des Bremer Consuls Herrn***, seine drei Leguas (etwa neun englische Meilen) entfernte Estancia zu besuchen.

      Mir war dies aus zwei Gründen sehr angenehm, denn erstens lernte ich dadurch einen kleinen Theil des Innern kennen, und zweitens übte ich mich ein wenig im Reiten. - Ich wünschte mich selber erst einmal wieder zu probiren, ob ich auch einen so langen, anstrengenden Ritt, wie ich jetzt vor mir hatte, gut aushalten würde. Das ging jedoch besser als ich erwartete, denn wenn ich auch in Nordamerika Wochen lang hintereinander im Sattel gehangen hatte, war ich doch wieder die langen Jahre in Deutschland nur sehr selten „an Bord eines Pferdes" gekommen. Ich empfand nicht die geringste Unbequemlichkeit, ja im Gegentheil ergoß es sich mir ordentlich wieder wie mit neuer, frischer Lebenskraft durch die Adern, nach so langer Seereise die frische, herrliche Luft einathmen und auf einem so starken, kräftigen Thier über die Ebene dahinbrausen zu können.

      Nur zu sehr beengt fand ich mich noch im Anfang durch Hecken und Gebäude. - Mich drängte es, wieder einmal frank und frei hinaus in das wilde, ungehemmte Leben zu tauchen, und Alles was mich an Civilisation erinnerte, war dabei meinen Gefühlen eine Art Hemmschuh. Hier beginnen aber erst die ordentlichen Pampas, denn bis dahin findet man doch noch einen kleinen Hügel oder wenigstens etwas erhöhtes Land mit einzeln zerstreutem Buschwerk oder Anpflanzungen von Pfirsich-, Paradies- und anderen Bäumen. Weiter hinein aber soll das ganz aufhören, und das Auge nichts finden auf dem es haften könne, als eine einzige ununterbrochene, meerähnliche Fläche.

      Ansiedelungen kann man übrigens diese Estancias gar nicht nennen. Es sind nur Gebäude mit mehreren Einfriedigungen, um Vieh darin zu halten, und die Bewohner derselben machen /43/

      auch nicht den mindesten Versuch, selbst nur das zu bauen, was sie für sich allein zu Brod oder Gemüse brauchen könnten. Fleisch ist die einzige Nahrung. Der Südamerikaner ißt hier wirklich „Fleisch zu Fleisch", und Alles fast, was er braucht, weiß er den Thieren, die er schlachtet, abzugewinnen. Diese Plätze im Innern des Landes haben aber auch deshalb nicht das Gemüthliche, Wohnliche, Sichere einer europäischen Landwirthschaft. Das reinlich stille Treiben eines Landgutes, dessen Bewohner sich hauptsächlich von Vegetabilien nähren, fehlt ihnen ganz; überall bezeichnet Tod und Verwesung das rauhe Handwerk des Viehzüchters. Wohin das Auge, besonders in der Nähe der Häuser, blickt, sind Spuren von geschlachteten oder gefallenen Stücken Vieh zu sehen; überall liegen Häute, Schädel, Eingeweide, Hörner, Hufe, Knochen, Blutspuren. Tausende und Tausende von Aasgeiern, Raubvögeln und Möven umschwärmen diese Plätze, und die Nase muß sich erst wirklich an den im Anfang widerlichen frischen und faulen Fleisch- und Blutgeruch gewöhnen.

      Die sonst friedlichen und eigentlich nicht fleischfressenden Hausthiere lernen sich ebenfalls in das Unvermeidliche fügen und verändern ihre Natur. Hühner und Gänse, selbst die Truthühner, leben allein vom Fleisch, und die Schweine werden davon gemästet. Ueberall liegen frische Häute ausgespannt oder hängen zum Trocknen auf, und besonders in der Nähe der Stadt, wo die großen Saladéros oder Schlächtereien sind, begegnet das Auge, wohin es sich auch wendet, den Spuren der Verwesung. Sechs bis acht Fuß hohe Mauern sind allein ganz von Stierköpfen, die Hörner alle gleichmäßig überein errichtet, ja die Vertiefungen der Straße selbst mit Gebeinen und Knochen ausgefüllt. So sah ich zum Beispiel eine Stelle, wo Tausende und Tausende von unschuldigen Schafsköpfen dazu dienen sollten, eine sonst unbezweifelte Riesenpfütze in befahrbare Chaussee zu verwandeln. Ist es da ein Wunder, daß die Bewohner dieses Landes, von nichts als Fleisch genährt, fortwährend schlachtend und immer von Blut und Verwesung umgeben, selber wild und blutdürstig sind, und nur zu oft ein Menschenleben nicht höher halten als das eines Stiers oder Pferdes? Die rein animalische /44/ Nahrung muß den Menschen nothwendig verwildern, und die an das Messer gewöhnte Hand wird mit dem Gebrauch desselben zu sehr vertraut, um es nicht auch manchmal mißbrauchen zu sollen, oder doch wenigstens in „unbeschäftigten Stunden" damit zu spielen.

      Einen freundlicheren Anblick gewähren übrigens die weiten, nur vom Horizont begrenzten Wiesen, auf denen zahlreiche Heerden von Rindern, Schafen und Pferden, theils in zusammenhaltenden Massen, theils einzeln zerstreut weiden. Eine ungeheure Menge von wildem Geflügel belebl dabei jeden andern Platz, und nicht allein Raubvögel, sondern auch wilde Enten, Gänse, Schwäne, Reiher, Flamingos usw. durchziehen die Luft oder stehen in dem Sumpfwasser der Steppe. Die Jagd auf Wasservögel ist hier in der That ungemein ergiebig, und ich habe selbst in Louistana, wo es doch wahrlich Enten und Schnepfen zur Genüge gab, nichts Aehnliches gesehen. Wir gingen nur ein einziges Mal mit den Flinten hinaus, und zwar mehr um die verschiedenen Gattungen Wild zu sehen, als viel davon zu schießen; ich fand aber wirtlich meine kühnsten Erwartungen übertroffen.

      Das Wild, das wir in etwa einem halben Tag sahen, waren: Schwäne, Gänse, viele Arten von Enten und Tauchern. Zwei Arten von Flamingos, eine rosenrothe Art, die besonders wunderschön aussah, wenn sie mit ausgebreiteten Flügeln aufstieg,


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