K R A C H. Erhard Schümmelfeder
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Erhard Schümmelfeder
K R A C H
und andere Satiren #10
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Inhaltsverzeichnis
DIE WOHLFÜHLTABLETTE
Ein Erfahrungsbericht
Soeben habe ich die Wohlfühltablette geschluckt. Als Skeptiker misstraue ich der vermeintlichen Wunderdroge schon deshalb, weil ihr keine amtliche Gebrauchsanweisung beilag. Man ahnt bereits, was von derlei Produkten zu halten ist, nämlich wenig. Ich will zudem beweisen, dass die weiße Tablette in ihrer Wirkung keinesfalls hält, was sie verspricht. Es ist wichtig, den Blick für die reale Bedeutung der Dinge zu behalten und nicht jedem Scharlatan auf den Leim zu gehen. Um meine konkreten Erfahrungen zu dokumentieren, werde ich jede spürbare Veränderung an mir schriftlich festhalten.
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Zwanzig Minuten sind seit meiner ersten Eintragung vergangen. Ich fühle keinerlei Wirkung nach der Einnahme der Droge. Meine Bedenken gegen die Wohlfühltablette waren und sind gerechtfertigt. Es ist immer ratsam, ein gesundes Misstrauen gegenüber den Versprechungen zwielichtiger Pillenhändler zu hegen.
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Hinter mir tickt die Küchenuhr an der Wand. Meine Nase juckt. Die beiden Fenster, durch die ich in die Gasse blicken kann, sind geputzt. Ich erwähne dies lediglich, um die einwandfreie Funktionsweise meiner ordnungsorientierten Wahrnehmung zu dokumentieren. Auch die Gasse im Licht der Morgensonne ist unverändert: Links drei Häuser und ein parkendes blaues Auto, rechts drei Häuser und eine Laterne. Mein Nachbar kommt mit einem Schlauch und beginnt sein Auto zu waschen.
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Wie erwartet: Die Wohlfühltablette ist eine Enttäuschung. Seit einer Stunde stehe ich am Küchenfenster und blicke hinunter in die Gasse. Ich beginne mich zu langweilen. Immerhin weiß ich jetzt, dass der unrasierte schielende Mann am Bahnhof mir einen Bären aufbinden wollte, als er mir die Wohlfühltablette mit den größten Versprechungen schenkte: Auf Wolken schweben, Farben schmecken, Düfte lecken. Bilder riechen, Töne tasten, Tore zu neuen Welten öffnen, Glücksrausch erleben – alles blanker Unsinn! Die Wohlfühltablette hatte keinen keinen keinen Beipackzettel, was mich keinesfalls wundert. Ich werde meinen Selbstversuch abbrechen.
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Mein linkes Augenlid wird plötzlich schwer. Aber das hat nichts zu tun mit dem inzwischen abgeschlossenen Experiment. Mit einem Streichholz stütze ich das Augenlid. Auf diese Weise entgeht mir nichts von den nach wie vor banalen Ereignissen in meiner Umgebung. Die beiden Gespenster, durch die ich eben noch freie Sicht in die Tasse hatte, wirken nun irgendwie verswommen, so als würde ich durch ein Aquarium blicken. Ich spüre etwas. Mir wird swindelig. Übrigens habe ich noch nicht gefrühstüggt.
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In meinem Kopf knistert eine rhythmisch stampfende Melodie. Ich bitte um Ruhe. Sofort wird es still. - Endlich habe ich mir eine Scheibe Brot mit Zahnpasta bestrichen. Der duftende Kaffee aus dem Suppenteller belebt mich. Es geht mir nun wieder besser. Nein, ich bereue nicht, die Vollfühltablette verschluggt zu haben. Ich war neugierig auf die Erfarungen, die sich mir Ofen baren würden. Nun weißich daßßdie Einnah mederDro ge ei enNullEf fektzurFolge hat. AlleDro gensind ver logen!
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Nanu – alles, was ich sehe, ist auf einmal kursiv. Draußen wäscht mein Nachbar noch immer seinen Wagen. Er übertreibt seinen Reinigungswahn, denn der reißende Strahl aus dem Wasserschlauch hat die Farbe von dem Blech heruntergespült. Nun ist das Auto rot. Wie kann man nur! Ich reiße das Fenster auf und brülle meinem Nachbarn lallend einen Warnruf hinunter. Es klingt wie wie: Robinson Crusoe, was machst denn du so?! Er lässt den Slauch sinken, verbeugt sich, ergreift die Heckenschere und stutzt die Schmutzflecken des Autos. Damit bin ich einverstanden. Ich werfe das weiße Handtuch hinunter auf den Bürgersteig. Damit will ich etwas ausdrücken. Aber was? Ich sage nichts ohne meinen Anwalt. Denn alles, was ich sage oder verschweige, kann gegen mich vor Gericht verwendet werden. Immerhin habe ich ein Alibi. Der Kühlschrank ist mein Zeuge. Warum schmeckt die Fußleiste nach Lakritz?
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Noch verfüge ich über den den den Gesamtüberblick. Aber die Äpfel an den Bäumen werden steif. Das Laub ist fast rund. Grußlos flattert ein Vogel vorbei. Muss ich mir das gefallen lassen? Der Laternenmast vor meinem Haus hat einen Knoten. Das macht mich stutzig. Aufhören, rufe ich. Niemand hört mich. Der Boden unter meinen Füßen swankt. Ich stelle meine Schuhe neben Goethes Zauberlehrling in den Kühlschrank, denn in dieser heiklen Lage gilt es, auf alles vorbereitet zu sein. Was ist los mit mir? Verliere ich meinen Verstand?
Nein, noch ist es nicht soweit. Es ist alles in Ordnung. Noch habe ich alle Tassen im Schrang. Sogar nach Größe und Farbe geortnet (geortned?). Ich nehme einen Löffel aus der ßublade und benutzt ihn als Spiegel. Ich reiße meinen Hund auf und strecke die Lunge heraus. Sie ist rot. Nicht tot. Aber was heißt das schon ...
Aufhören!!! – Alles alles dreht sich um mich. Ganz schnell. Das Zimmer ist ein Karussell. Es riecht verbrannt hier. Halt finde ich an einem Jackenknopf. Torkelnd taste ich an den Wänden entlang. Mein rechtes Auge fällt zu, das linke aber wacht. Auf das Streichholz ist Verlass.
An der Brotmaschine gelingt es mir, von einem Stuhlbein eine Scheibe abzusägen. Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir. I have a Dream. God safe (save?) the Queem. Was ist geschehen? In meiner Erinnerung klafft eine Zahnlücke. Für einen Korkenzieher ist es jetzt zu zu spät.
Sollte ich jetzt einen Abschiedsbrief an Lotte schreiben? – Warum fällt mir das Formoulieren eines Satzes so schwer? Mit der Ketchupflasche schmiere ich meine Botschaft an die Küchentapete: Ein Mann namens JOHANN WOLF GANG VON GOETHEborg nach Weimar, um Lotte zu warnen. Gang? Ging? Gong?
Im Stechschritt erreiche ich den Flur, stolpere über den Teppichläufer und kämpfe in den Fluten des eisigen Meeres um mein Leben. Schwimmend erreiche ich das Tor zum Ausgang, wo meine Bettwolke auf mich wartet. Zitternd krieche hinein und warte hirnrunzelnd auf - auf was eigentlich? Ich bin angeschlagen, aber noch habe ich die Situation im Griff. Ich denke: So ist das also mit der der Wohlfülltablette. Ich werde mich beschweren. Ich will sofort den Geschäftsführer sprechen. Welchen Sssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssssinn haben diese letzten Zeilen? –
Gang! Ging! Gong! Ich betone: Das das Antiidiotikum gegen die Dummheit in der Welt heißt Uffklärung. Es wirkt aber erst bei widderholter Anwendunk.
Falls mir etwas zustoßen sollte: Nutzt diese Blätter als Beipackzettel für die sogenannte Wohlfühltablette. Keiner soll hinterher sagen können, ich hätte ihn nicht nicht gewarnt...
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