Schizophrenie als Chance. Anton Weiß
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Anton Weiß
Schizophrenie als Chance
Depression als Fingerzeig
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Inhaltsverzeichnis
Grundlegende Erkenntnisse über Schizophrenie
Vorwort
Da ich den Hintergrund meiner psychischen Erfahrungen in den Jahren 2004-2007 verstehen wollte, fügte es sich nahezu zwangsläufig, dass ich mich mit dem Thema „Schizophrenie“ beschäftigen würde. Weil ich für meine Versuche, die Erfahrungen schriftlich darzustellen – in drei Schriften: „Sackgasse ‚Ich’“, „Der Ich und das Unbewusste“ und „Hampelmann oder Dann eben anders“ - keine Verleger gefunden habe, möchte ich auf diesem Weg das, was ich glaube vermitteln zu können, darlegen, in der Hoffnung, dass es von einem Fachverlag veröffentlicht wird.
Denn ich glaube, dass ich Betroffenen durchaus Hinweise geben kann, die das Ertragen dieses unaussprechlichen Leidens u. U. möglich macht, denn auch nach – durchaus laienhaftem - Studium der Fachliteratur über Schizophrenie vermisse ich entscheidende Hilfen zum Verständnis und zur Bewältigung schizophrenen Geschehens. Die Ursachen der Schizophrenie werden von den meisten Forschern in genetisch, pränatal oder durch Schädigungen des Gehirns während der Geburt bedingten Gegebenheiten gesehen, letztlich in einer Dysfunktion von Neurotransmittern, die man dann medikamentös behandeln kann. Dass es sich um einen Wandlungsprozess im Sinne von C. G. Jungs Begriff der Individuation handeln könnte, wird von den meisten nicht gesehen oder nur ganz am Rande erwähnt. Dass Jung so unbeachtet bleibt, ist umso verwunderlicher, als er ja als Psychiater tätig war und in seiner Eigenschaft als Psychiater und Psychologe in seiner Arbeit mit Patienten – auch Schizophrenen - zu seiner Auffassung gekommen ist. Dies zeigt, wie weit wir heute in unserem Denken von einer Auffassung, die das Leben des Menschen in einer dieses Leben transzendierenden Sinngebung begreift, entfernt sind.
Der Aspekt eines geistig-spirituellen Weges, den der Mensch zu gehen hat – wie es in allen Religionen propagiert wird – bleibt in der Schizophrenieforschung unberücksichtigt. Meiner Überzeugung nach liegt darin aber gerade ein Schlüssel zum Verständnis der Schizophrenie. Diesen Aspekt möchte ich einbringen.
Ich maße mir natürlich nicht an, für das weite Gebiet schizophrener Erscheinungsformen gleichermaßen Gültiges aussagen zu können, aber für die Fälle, die ähnlich gelagert sind wie bei mir, glaube ich doch Hintergründe und Verhaltensweisen aufzeigen zu können.
Der Betroffene muss selbst entscheiden, ob das aus meiner Sicht Dargelegte für ihn zutrifft oder nicht. Ich beschreibe meinen Weg, meine Lebensauffassung, die Konsequenzen und die daraus erfolgenden notwendigen Auseinandersetzungen.
Es muss klar sein, dass meine Auseinandersetzung mit Schizophrenie laienhaft ist. Kern meiner Darlegungen sind letztlich meine eigenen Erfahrungen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen.
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass mein Modell vom Umgang mit der Schizophrenie mir nur für solche Betroffene geeignet erscheint, die von sich aus daran interessiert sind, die Krankheit zu verstehen.
Mein Leben:
Geistige Orientierung
Wenn ich meine Lebensintention auf eine Kurzformel bringen wollte, würde ich mich im Kern als religiösen Sucher bezeichnen. Die zentrale Devise meines Lebens ist in dem Satz Jesu enthalten: „Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch dazugegeben werden.“ Da ich im katholischen Oberbayern aufgewachsen bin, war ich als Kind überzeugt, dass es eigentlich den meisten Menschen darum ging, denn das war ja die Botschaft Jesu. Die vielen Menschen, die in die Kirche gingen, würden wohl seiner Botschaft zu folgen versuchen, so dachte ich. Erst allmählich begriff ich, dass es den meisten recht ferne lag, die Botschaft Jesu so ernst zu nehmen und sie in ihrem Leben umzusetzen. Für mich stellte sich als junger Mensch konsequenterweise die Frage, ob ich diesen Weg nur in einem Kloster oder auch in einem normalen Leben verwirklichen kann und mir ahnte, dass man dem konkreten Leben nicht ausweichen dürfe, dass man seinen Glauben in diesem konkreten Lebensalltag unter Beweis stellen müsse.
So wird es nicht verwundern, dass ich als Beruf Religionslehrer wählte, eine Möglichkeit, die sich in den 60er Jahren erst allmählich für Laientheologen eröffnete.
Ich war wohl kein sehr guter katholischer Religionslehrer, jedenfalls nicht in den Augen der kirchlichen Obrigkeit. Schon früh (mit etwa 17 Jahren) beschäftigte ich mich mit Zen-Buddhismus, fühlte mich von Meister Eckehart angesprochen und später vom Taoismus. Mein Horizont war damit echt katholisch, das heißt allumfassend. Es ging mir ganz zentral um die unmittelbare Beziehung zu Gott, und Anleitungen dazu fand ich im Zen-Buddhismus mehr als im traditionellen Christentum. Sehr wohl aber fand ich im Neuen Testament gleiche Elemente, wie sie auch in anderen Religionen, gerade in den mystischen Richtungen, zu finden waren. Das „Es schießt“ von Eugen Herrigel in der „Kunst des Bogenschießens“ war für mich gleichbedeutend mit „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ eines Paulus. Diesen Zustand zu erreichen, war mir Lebensziel.
Ich bewunderte Zen-Schüler, die ihr Leben damit verbrachten, tagaus tagein vor einer Wand zu sitzen und sich dem Lösen von Koans zu widmen. Ich war überzeugt, dass es dabei um die Überwindung unseres normalen Denkens ging, dass ein Durchbruch zum wahren Sein nur erfolgen könnte, wenn das normale Bewusstsein überstiegen würde.
Mit Koans aber konnte ich mich nicht anfreunden, ich versuchte es mit Meditations- und Konzentrationsübungen und merkte, wie unfähig ich war, auch nur eine Sekunde „gedankenlos“ zu sein. Immer stand ich im Mittelpunkt des Handelns, ich war es, der die Absicht hatte, absichtslos zu werden und damit war immer ein Teil meines Geistes außerhalb. Es war immer ein Beobachter vorhanden, der mich anhielt, antrieb und mahnte, wohl das, was S. Freud als Über-Ich bezeichnen würde. Und der Beobachter stand immer außerhalb des Vorgangs und mir war klar, dass volle Konzentration nur zu erreichen war, wenn es keinen Beobachter mehr gäbe. Aber wie war das zu bewerkstelligen?
Psychologischer Hintergrund:
Ich bin sicher ein introvertierter Typ (nach C. G. Jung), d. h., mich interessierte das Innenleben viel mehr als das Außen, die Welt. Der Introvertierte ist sehr mit sich beschäftigt, die Welt und der andere Mensch interessieren ihn nicht wirklich. Ich kenne keine Untersuchung, die den Anteil der Introvertierten an der Schizophrenie aufzeigt; ich würde meinen, dass er sehr hoch ist. Der Introvertierte kennt die Tiefe; Oberflächlichkeit ist ihm verhasst. Die Welt und