Alltagsleben nach 1945 in Mecklenburg. Horst Lederer
Vorwort des Autors
Im November 2017 erschien das Buch des Chronisten Eckart Redersborg „Arpshagen – Aus der Geschichte eines mecklenburgischen Gutsdorfs“. Der Autor stellt die Geschichte und Entwicklung des Ortes absichtlich nur bis zum Frühjahr 1945 dar. Folglich findet sich der Name Lederer darin lediglich auf Seite 146 in einer Fußnote, als die Enkelin des ehemaligen Gutspächters von Arpshagen, Ursula Hodel, von einem Besuch des Gutshauses Arpshagen in den Neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts berichtet. „Ein nettes Ehepaar“ hätte sie in den ehemaligen Salon „eingeladen“, den diese beiden freundlichen Leute seinerzeit bewohnt hätten. Der Verfasser Eckart Redersborg identifiziert die beiden angenehmen Gastgeber als Else und Gottlob Lederer, wobei Redersborg irrtümlich „Gottlieb“ schreibt.
In der Vorweihnachtszeit 2017 machte ich das Buch einer Reihe von Familienangehörigen zugänglich. Einige von ihnen schlugen mir vor, die Geschichte der Familie Lederer in Arpshagen nach 1945 aufzuschreiben. Ich stellte aber in Frage, ob ich wirklich der geeignete Verfasser dafür sei. Mir wurde entgegnet, dass ich gegenwärtig der älteste Lederer-Namensträger sei und über die frühesten und meisten direkten eigenen Eindrücke und Erinnerungen vom Arpshagen der Nachkriegszeit verfügte.
Wenn ich diese schwierige Aufgabe übernehme, muss ich voraussetzen, dass ich den einen oder anderen Verwandten, die eine oder andere Verwandte um Unterstützung bei der Richtig- oder Klarstellung konkreter Sachverhalte bitten muss. Andererseits habe ich nicht die Absicht, eine Chronik im Stile Eckart Redersborgs über Arpshagen ab 1945 zu schreiben. Mir liegen Statistiken und Aufzählungen von Fakten weniger. Es geht mir mehr um Hintergründe, Zusammenhänge, menschliches Verhalten, Wiedergeben von Eindrücken, von Erinnerungen.
Für einige Leser wird manches zu subjektiv dargestellt sein, für andere sind einige Episoden vielleicht zu detailliert, zu ausführlich beschrieben. Wieder andere können gewiss mit einigen Namen und Personen nichts anfangen. Aber wie das so ist, gerade das interessiert wiederrum andere Leser.
Für alle diejenigen, die weder mit den Familien Lederer noch mit den Besonderheiten des Ortes Arpshagen vertraut sind, wird der Zugang zu meinen Ausführungen sicher nicht einfach werden. Sie sollten aber nicht vergessen, dass der Text einen Teil der Familiengeschichte darstellt und deshalb für meine Verwandten, Kinder und Enkel bestimmt ist.
Ich habe versucht, meine Erinnerungen an die Jahre 1945 bis 1956, in denen ich selbst noch in Arpshagen gewohnt habe, aber auch Berichte und Erzählungen meiner Eltern und Verwandten in den folgenden Text aufzunehmen, der selbstverständlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann.
Noch eine Bemerkung zur Rechtschreibung. Seit der letzten Orthographiereform gibt es immer wieder Unsicherheiten in Bezug auf die Schreibung zusammengesetzter Verben. Der neueste Duden erlaubt in einigen Fällen zwei Varianten. Ich habe mich dabei nach der Schreibweise gerichtet, die mir mein Computer nicht als fehlerhaft moniert hat.
Kurzbiographie Horst Lederer
Kurzbiographie Horst Lederer
Nationalität: deutsch
Staatsbürgerschaft: Bundesrepublik Deutschland
geboren am 17. März 1936 in Ebenau, Kreis Arnswalde (Neumark)
Eltern: Bauern
2 Brüder: einer tödlich verunglückt
Schulbildung: 1943/44: Volksschule Schlagenthin, Kreis Arnswalde
1945 - 1952 Grundschule Klütz/Meckl. (8.Klasse)
1952 - 1956 Oberschule Grevesmühlen (Abitur)
Ortsveränderung: 23. Februar bis 2. Mai 1945 Flucht von Ebenau über Ducherow, Kreis Anklam, nach Oberklütz bei Klütz,
ab 2. November 1945 Arpshagen bei Klütz (Mutter siedelt)
ab 29.08.1956 Studium am Pädagogischen Institut Erfurt
Fachrichtung: Deutsch/Russisch, Staatsexamen 1959
Berufliche Entwicklung: ab 1. August 1959 Lehrer an der Geschwister-Scholl-Schule Grevesmühlen
ab 1. August 1974 Lehrer an der Kurt-Bürger-Schule Grevesmühlen
vom 1. August 1990 bis 31. Juli 1991 Lehrer an der Erweiterten Oberschule „Thomas Mann“ Grevesmühlen
vom 1. August 1991 bis 31. Juli 1995 Lehrer am Gymnasium am Wasserturm Grevesmühlen,
Invalidisierung nach irreparablem Hörsturz
Familienstand: seit 14.August 1965 verheiratet mit der Krankenschwester Angelika Lederer geb. Uhle,
2 Töchter, beide Krankenschwestern
Konfession: evangelisch-lutherisch
Herkunft der Familie Lederer
Herkunft der Familie Lederer
Der süddeutsch klingende Familienname macht es deutlich: Wer Lederer heißt, hat seine Wurzeln nicht im Mecklenburgischen, nicht im Klützer Winkel.
Ihn trifft man im Schwäbischen, Badischen, Bayerischen, Fränkischen, im Österreichischen, sogar in der deutschsprachigen Schweiz in der gleichen Häufigkeit an wie in unseren Breiten solche Familiennamen wie Möller, Schomacker oder Burmeister. „Lederer“ ist nämlich südlich der Mainlinie ein Familienname, der aus einer dort üblichen Berufsbezeichnung hervorgegangen ist und Gerber bedeutet.
Und tatsächlich sind die Familien Lederer in dieser Region nach einer wahren Siedlungsodyssee von Neckarwestheim in Württemberg, über Elsenau in der Provinz Posen, Kürtow-Siedlung und Ebenau in Ostbrandenburg, später Hinterpommern, durch die Auswirkungen der Ergebnisse zweier Weltkriege hierher nach Nordwestmecklenburg verschlagen worden.
Das bedeutet aber auch, dass alle, die in dieser Gegend Lederer heißen, miteinander verwandt sind. Dabei ist hinzuzufügen, dass manche Angehörige dieser Großfamilie nach dem Wechsel des Familiennamens bei Heirat als solche nicht ohne weiteres zu erkennen sind, wie z. B. Lüdtke oder Richter.
Alle Lederer Heißenden in Nordwestmecklenburg sind direkte Nachfahren der Ehepaare Heinrich und Irmgard Lederer sowie Gottlob und Else Lederer, die im Herbst 1945 im Gutsdorf Arpshagen bei Klütz unter schwierigsten Bedingungen siedelten und sich so eine neue Existenz schufen. Die Formulierung „hier eine neue Heimat fanden“ vermeide ich an dieser Stelle ganz bewusst. Damit bin ich äußerst vorsichtig. Aber immerhin ist Arpshagen für alle Lederer der Ort, an dem es für sie die meisten Berührungspunkte, eine Unzahl angenehmer wie auch negativer Erinnerungen gegeben hat.
Die Familie des Autors – rechts: Horst Lederer
Mitte: die Eltern Irmgard und Heinrich † –
links: Bruder Klaus * Mai 1945 † – Wilfried † (vor Kriegsende geboren)
Familie Else und Gottlob Lederer †
Vetter Wolfgang lebt in Klütz – rechts die Cousine Marlies
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Die Bauernfamilie Diethert ist seit 1784 in dem Dorf Birkenbruch (polnisch Wycigg), einer auf Veranlassung von Friedrich Ü. (dem Großen) gegründeten Reihensiedlung mit etwa 150 Einwohnern im Kreis Wirsitz, nachweisbar. Die Bewohner waren fast ausschließlich Deutsche. Nach dem Friedensvertrag von Versailles vom Juni 1919 wurde der Kreis Wirsitz dem polnischen Staat angegliedert.