Talare klaut man nicht. Hans-Otto Kaufmann
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Hans-Otto Kaufmann
Talare klaut man nicht
Ein kriminalistisch-humoristischer Roman aus dem freikirchlichen Milieu
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Inhaltsverzeichnis
1. KAPITEL
„... Amen."
Mit einem wackeligen Durakkord klang die Generalprobe aus.
Neun vorwiegend ältere Damen, fünf in Ehren ergraute Herren und zwei Pastorenkinder
nahmen auf ein Zeichen des Chorleiters wieder auf ihren Stühlen Platz.
Hans-Gert Wedelhand hatte noch ein wichtiges Anliegen.
"Und bitte denkt daran, morgen pünktlich um 9.15 Uhr zum Ansingen in der Kirche zu
sein.
Dann gehen wir die Choräle noch einmal in Ruhe durch."
Um die Dringlichkeit seines Appelles zu unterstützen, erhob er sich ausnahmsweise von
seinem Stammplatz, dem Klavierhocker, und schlich um das Instrument herum auf die
Choristen zu.
"Wenn wir schon die Gelegenheit haben, in einem Synodalgottesdienst zu singen, soll-
ten wir uns möglichst nicht blamieren und einen guten Eindruck hinterlassen. Ich hoffe,
ich habe mich deutlich genug ausgedrückt. Noch Fragen?"
Erika Dedelbrink hob zögerlich die Hand.
"Ja, Erika?"
Sie setzte sich auf ihrem Stuhl zurecht.
"Was sollen wir denn anziehen?"
Erwartungsvoll schaute der Dirigent in die Runde.
"Was schlagt ihr vor?"
Er nutzte die kurze Verlegenheitspause, um Notenstapel auf dem Klavier zu ordnen.
Bassist Bruno Sandkuhl wollte nach Hause und räusperte sich.
"Ich würde sagen, wir halten es wie immer."
"Was heißt 'wie immer'?"
"Wenn wir in Gottesdiensten singen, ist es doch immer so, dass wir festlich, aber nicht
in Einheitsgarderobe erscheinen."
"Sind alle einverstanden?"
Die Chormitglieder nickten.
Damit war dieses manchmal zeitraubende Thema überraschend zügig abgehakt.
"Und vergesst nicht, jetzt sofort alle Noten mitzunehmen. Sie liegen hier auf dem
Klavier. Lasst sie aber bitte morgen früh nicht zu Hause liegen", ermahnte der Chorleiter
noch einmal die Vergesslichen unter seinen Sängern.
Er schaute auf die Uhr.
Es ging auf halb zehn zu. Die meisten machten einen sangesmüden Eindruck und daher
keine Anstalten, noch länger im fußkalten Gemeinderaum zu verweilen. Sie erhoben
sich von ihren Stühlen, pilgerten plaudernd zum Piano, suchten ihre Noten, bevor sie an
der Garderobe in ihre Wintermäntel tauchten und sich voneinander verabschiedeten.
Altistin