Promise. Sarah L. R. Schneiter
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Sarah L. R. Schneiter
Promise
Episode 9: Southampton
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis der ersten Staffel
Interludium: Schimären
Stanley fuhr aus seinem Bett hoch und sah sich verwirrt um. Das Licht in seinem Apartment brannte noch und er lag bekleidet da, hatte nur seine Stiefel ausgezogen. Desorientiert wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn und glaubte, seinen eigenen, viel zu raschen Puls in den Schläfen hämmern zu hören. Gerade eben hatte er wieder ihr Gesicht gesehen, gehört, wie sie ihn beim Einsteigen in das Freibeuterschiff beschwatzt hatte, umzukehren. Nein, Anaata war nicht mehr hier und ganz egal, wie viele Albträume er haben mochte, er konnte nichts mehr daran ändern. Stanley atmete ein paarmal tief durch und erhob sich erschöpft, bevor er in Richtung der Nasszelle ging und sich das Gesicht wusch. Nach einigen Minuten fühlte er sich etwas besser, so als wäre er langsam in die Realität zurückgekehrt und hätte das bedrückende Gefühl des schlechten Traums hinter sich gelassen. Nur das Loch, welches das Fehlen eines Crewmitglieds hinterlassen hatte, blieb. Müde kehrte er zurück in den Wohnbereich, der für ihn ungewohnt chaotisch aussah. Sein Apartment war schlicht aber zweckmäßig eingerichtet, im Laufe der Jahre hatte sich einiges an Krempel und Büchern angesammelt, die in den weißen Regalen und Kommoden verteilt waren. Der große, alte Teppich auf dem Boden, die Yucca-Palme und die Lichterketten, die er Dan abgeschwatzt hatte, gaben ihm normalerweise das Gefühl von Zuhause, das die Promise ihm stets bot, etwas Warmes, Sicheres. Doch heute nicht; heute empfand er die ganze Galaxis einfach nur als gigantisch, ungerecht und endlos leer.
Mit einem Seufzer setzte sich Stanley auf den Bettkante und fragte sich, wie es nach ihrer Ankunft in Southampton weitergehen sollte. Er wusste nur, dass die Promise einiges hatte einstecken müssen; wie lange die Reparaturen dauern mochten, konnte er schlecht abschätzen. Säßen sie auf unbestimmte Zeit auf einer nicht besonders wirtlichen Randwelt fest oder konnten sie bald weiterreisen? Würde Natala am Ende gar eine wahrscheinlich langwierige und gefährliche Suche nach Anaata starten, wenn die Wahrscheinlichkeit groß, wenn nicht gar hundertprozentig war, sie nicht mehr lebend zu finden? Und wie um alles in der Galaxis gingen sie, die fünf verbleibenden Bewohner der Promise, damit um, jemanden verloren zu haben? Noch vor einem Tag hatte er geglaubt, alles sei dabei, sich wieder einzurenken, ihr Leben kehrte wieder zur Normalität zurück. Trotz der Sache mit Farid. Trotz Myassa und dem Graben, den diese Ereignisse in ihre Freundschaften gerissen hatten. Dieses Gefühl der Zuversicht hatte nicht lange angehalten und jetzt hatten sie, zumindest metaphorisch, keinen Kurs mehr oder waren davon abgekommen, beschädigt, verloren und alleine.
Stanley begriff, seine alten Depressionen waren zurückgekehrt und er war sich sicher, sein Gemütszustand drohte in einem dunkeln Loch zu versinken, tiefer, als es seit langem gewesen war. Es waren die Schuldgefühle, welche an ihm nagten. Wäre er nur mit ihr mitgegangen und hätte sich nicht überreden lassen, nur weil sie mal wieder ihren verfluchten Kopf durchsetzen musste. Er wusste, er konnte jetzt noch lange nachdenken und damit trotzdem nichts mehr ändern, vorbei war vorbei. Er war wahrscheinlich gerade dank seinem Pflichtgefühl gegenüber der Crew und seinen Freundschaften ein guter erster Maat, aber dies war ihm kein Trost. Wütend erhob sich Stanley und griff nach einer Flasche Beerenschnaps, dir er von Qassah mitgebracht hatte. Er öffnete sie und wollte gerade dazu ansetzen, einen ersten Schluck zu nehmen, um sich richtig zu betrinken und damit seinen sprunghaften Gedanken ein Ende zu setzen. Mitten in der Bewegung hielt er inne und überlegte kurz.
Nein, diesen Weg wollte er nicht gehen, nie wieder; einmal war mehr als genug gewesen. Entschlossen stellte er die Flasche zurück und zog stattdessen seine Raumfahrerstiefel an, er konnte sich genauso gut die Beine vertreten, ohne in alte, selbstzerstörerische Muster zurückzufallen, die früher oft mit wüsten Schlägereien in heruntergekommenen Randweltenbars, manchmal gar mit einem Blaster am Kopf geendet hatten. Während er aus seinem Apartment auf den leeren und in der Nacht schwach beleuchteten Flur trat, erinnerte er sich daran, wie Anaata einmal gesagt hatte, sie seien alle auf die eine oder andere Art etwas kaputt. Ja, dieser Job und dieses Leben zogen tatsächlich eine ganz besondere Art von Leuten an und er hätte ihr nur beipflichten können, sie alle hatten einen Schaden. Meistens war Stanley damit nicht unzufrieden und konnte mit allem gut umgehen, vielleicht sogar besser als die meisten, denn er wusste, wie er seine Schwächen zu seinen Stärken machen konnte. Nur, jetzt mussten sie damit umgehen, dass jemand nicht mehr da war und wohl nie wieder zurückkehren würde. Gar diesmal hatten sie entgegen aller Chancen im wohl aussichtslosesten Kampf seines Lebens eine Übermacht geschlagen. Doch zu welchem Preis?
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