Animalisches im Krankenhaus. David Poppen
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David Poppen
Animalisches im Krankenhaus
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Inhaltsverzeichnis
1
Es war heute eine besonders schwarze Nacht über München.
Auf Station C3 im Städtischen Krankenhaus an der Ungererstraße blickte Schwester Claudia auf die elektrische Wanduhr, die über der Tür hing.
Sie schob sich einen Kaugummi in den Mund, während der Zeiger um eine Minute vorrückte. Direkt daneben hing ein Fernseher an der Wand, der fast durchgehend lief. Die Stimmen beruhigten sie.
Derzeit liefen fast ausschließlich die Olympischen Spiele in London. Sie blickte auf den Bildschirm, denn im Leichtathletikstadion schien etwas zu passieren. Sie hörte die Menschen schreien und jubeln.
„Nur noch wenige Augenblicke und wir wissen, wer der schnellste Mann der Welt ist“, moderierte ein Reporter und kündigte den 100 Meter Lauf der Männer an.
Claudia interessierte sich nicht sonderlich für Sport. Aber dies wollte sie doch sehen, denn die Sportler besaßen in ihren Augen erotische, athletische Körper. Sie liebte muskelbepackte Männer, starrte auf den Bildschirm und lehnte sich zurück.
Das Rennen startete und war bereits nach wenigen Sekunden wieder beendet. Claudia hatte dies gar nicht so schnell mitbekommen. Sie nahm die Fernbedienung und erhöhte die Lautstärke, vielleicht würde der Reporter ihr erklären, was genau geschehen war.
„Sprint-Superstar Usain Bolt hat seinen Titel von 2008 verteidigt. Der Jamaikaner gewann in 9,63 Sekunden. Die zweitbeste jemals gelaufene Zeit bedeutete zugleich einen neuen olympischen Rekord. Als Zweiter kam Yohan Blake in 9,75 Sekunden in das Ziel. Der US-Amerikaner Justin Gatlin lief in 9,79 Sekunden zu Bronze. Damit sind die drei Top-Favoriten auf dem Treppchen gelandet. Bitter lief das Rennen für Tyson Gay, dem am Ende eine hundertstel Sekunde zum dritten Platz fehlte.“
Der Jamaikaner Usain Bolt lief gerade mit seiner Landesflagge durch das Stadion. Claudia beobachtete fasziniert die Begeisterung der Zuschauer, weil gerade ein Mensch einhundert Meter weit gelaufen ist. Sie konnte diesen Wahnsinn nicht verstehen. Aber die Athleten erregten sie sexuell. Sie konnte den Blick kaum von den engen Sporthosen abwenden, unter dessen Stoff sich die Genitalien der Männer abzeichneten.
„Wer hat gewonnen?“
Der plötzliche Klang einer Stimme ließ sie zusammenzucken. Fast wäre sie vom Bürostuhl gefallen. Vor lauter Olympia im Fernsehen schauen, hatte sie nicht gehört, dass jemand auf die Station gekommen war.
Sie blickte hoch und sah einen Mann und eine junge Frau hinter der Empfangstheke stehen.
„Was ist? Wer hat jetzt gewonnen, oder hast du das Rennen verschlafen?“, fragte der junge Mann mit einem spöttischen Ton in seiner Stimme.
Claudia stotterte nur „Bolt“. Mehr brachte sie nicht hervor, denn sie erkannte den jungen Mann sofort wieder.
Nie würde sie diese Augen vergessen. Es war Martin Seidl, der Neffe von Onkel Paul.
Die Vergangenheit kam zurück!
Bis vor zwei Monaten hatte Claudia einen attraktiven Nebenverdienst. Sie bestahl das Krankenhaus und verkaufte die Medikamente an eine ältere nette Dame. Jedoch wurde sie auf frischer Tat von einem Patienten auf ihrer Station ertappt. Dieser verlangte für sein Schweigen sexuelle Gegenleistungen. Nachdem dieser Patient entlassen worden war, hatte Claudia gehofft, dass die Erpressung beendet war.
Aber sie hatte sich geirrt! Der Patient hatte die Beweise an seinen Neffen Martin Seidl weitergereicht.
„Was willst du, Martin?“, antwortete die Nachtschwester schockiert.
„Hat nun Usain Bolt gewonnen?“, erkundigte er sich nochmals in einem lässigen Ton.
Claudia nickte mit dem Kopf.
„Kennst du auch seine Zeit?“ fragte er weiter.
„Ich glaube, es waren weniger als zehn Sekunden“, antwortete die Nachtschwester.
„Blöde Kuh“, sagte Martin leicht säuerlich. „Genauer geht es nicht?“
„Das ist doch jetzt völlig egal“, meinte die junge Frau an seiner Seite, die leicht genervt wirkte.
Claudia drehte ihren Kopf. Das Mädchen konnte höchstens achtzehn Jahre alt sein, wirkte jedoch sehr selbstbewusst. Martin lächelte seine Partnerin zärtlich an.
„Darf ich die Damen bekannt machen“, erklärte Martin.