Serva Chroniken II. Arik Steen
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Arik Steen
Serva Chroniken II
Rebecca
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Inhaltsverzeichnis
I
Daitya
Es mag sein, dass sich die meisten Geschichten aus der Zeit der Jahrhundertwende von Ariton mit den Götteropfern beschäftigen, die kurz vor dem achten Jahrhundert aritonischer Zeit von den Völkern ausgesucht wurden um die lange Reise zum Tempel von Deux anzutreten. Und es mag sein, dass diese Ereignisse für den Fortbestand der Völker wesentlich waren. Viel wesentlicher als alles Andere. Doch neben all den Erzählungen gibt es so unendlich viele Erlebnisse, die für den einen oder anderen Betroffenen ebenfalls wichtig sind und sich fest in die Erinnerung eingebrannt haben. Nicht alles prägt die gesamten Völker und ganz Ariton. Manche Dinge sind so unscheinbar für das große Ganze, dass die Geschichtenerzähler hierfür nur ein müdes Lächeln übrighaben. Doch für den einen oder anderen sind diese kleinen Dinge in ihrem eigenen Leben nicht nur wichtig, sondern manchmal beeinflussen sie das gesamte Schicksal. So eine Geschichte erzählt man sich von Rebecca, einer manischen Händlerstochter. Ihre Geschichte mag zweifelsohne nicht so interessant und wichtig sein wie die von den sieben Götteropfern. Von Hedda oder zum Beispiel Katharina. Ja, ihre Geschichte ist für ganz Ariton bedeutend. Das heißt jedoch nicht, dass andere Erlebnisse nicht erzählenswert sind.
Unsere Geschichte beginnt gut dreißig aritonische Tage bevor die kleine Siedlung Tornheim im Ewigen Eis angegriffen wurde. Ein Ereignis, das für das Volk der Ragni von großer Bedeutung werden sollte. Viele hundert Kilometer südlich bekam man von dem Schicksal im Ewigen Eis nichts mit. Und trotz der zahlreichen Erzählungen über die Götteropfer und ihren steinigen Weg, würden die meisten davon auch nie erfahren. Auch Rebecca bekam, von dem was Hedda im Ewigen Eis erlebte, nichts mit.
Rebecca war keineswegs eine rotzfreche Göre, wie ihr Vater oft behauptete. Ganz im Gegenteil. Sie war ein normales Mädchen, das ab und zu Mal einfach etwas erleben wollte. Und das war hier auf hoher See kaum möglich. Ein paar alte abgetakelte Seeleute, ihr Vater und sie. Mehr gab es hier nicht. Seit gut fünf Tagen stritten sie sich unentwegt. Jetzt wo es auf Daitya zuging war die Stimmung noch einmal mehr angespannt. Rebecca wollte unbedingt an Land. Sie wollte die Stadt sehen. Aber ihr Vater erlaubte es nicht. Bernhard wollte seine Geschäfte erledigen, über Nacht dann im Hafen liegen bleiben und schließlich am nächsten Tag nach Hingston zurückkehren. Endlich zurück. Denn sie waren schon lange unterwegs. Erst hatten sie die Hasting Inseln angesteuert. Dort waren sie sogar ein paar Monate geblieben. Hatten Rohstoffe eingekauft. Dreimal war das Schiff nach Hingston zurückgekehrt. Rebecca hatte auf den Inseln Kleider der Arbeiter geflickt. Und schließlich war es dann nach Daitya gegangen.
«Das Volk der Shiva ist nichts für eine junge Mani!», sagte er: «Du bleibst lieber an Bord!»
«Ich habe noch nie einen Shiva gesehen!», erwiderte sie enttäuscht. Rebecca war eine Schönheit. Sie hatte langes blondes Haar, war schlank und hatte ein hübsches Gesicht. Das Volk mit der goldbraunen Hautfarbe war in der Tat anders als die Mani aus dem Norden. Bisher hatte sie nur Geschichten gehört. Gesehen hatte sie noch nie solche Aritoner.
Ariton, das war die Heimat der insgesamt sieben Völker. Da waren im Ewigen Eis die Ragni. Auf einer Inselgruppe südöstlich davon lebten die Noaten, ein Seefahrervolk, und auf dem großen Festland südlich des Ewigen Eises die Mani, aus dessen Volk Rebecca stammte. Alle drei Völker hatten helle bis sehr helle Haut. Die Ragni waren fast schon elfenbeinfarben. Hier auf dem größten Kontinent, wo sie gerade mit dem Schiff in den Hafen einer der Städte einfuhren, lebten dunkelhäutigere Völker. Die goldbraunen Shiva, die kleinen dunkelbraunen Pravin und ganz im Süden die Nehataner mit einer Hautfarbe schwarz wie Ebenholz.
«Du wirst hierbleiben!», betonte Bernhard noch einmal und schaute dann über die Reling. Im Hafen der Hauptstadt der Shiva war einiges los. Und die Queen Rose, auf der sie von Hingston hierhergesegelt waren, war nicht das einzige manische Schiff. Vor Anker lag auch die Queen Mary. Vor allem Wein wurde eingekauft und dann nach Hingston, der Hauptstadt der Mani, gebracht.
Ihr Vater ging von Bord, als das Schiff anlegte. Es war nicht sein eigenes Schiff. Er hatte es mitsamt der Besatzung gemietet. Ein lohnendes Geschäft. Er hatte sich auf Stoffe spezialisiert. Neben dem Wein ein weiteres beliebtes Gut bei den Shiva.
Der Händler aus Mani ging schnurstracks Richtung Stadt. Es war nicht das erste Mal, dass er hier in Daitya war. Er wollte den dortigen Großhändler treffen. Anschließend heuerte er ein paar billige Träger an und brachte den Stoff schließlich zum Schiff. Die Besatzung des gemieteten Schiffes half dabei nicht. Es war nicht ihre Angelegenheit. Dennoch verließen auch sie das Schiff um in einer nahegelegenen Taverne etwas zu trinken. An diesem Tag ging es ohnehin nicht zurück. Erst am nächsten Morgen würden sie wieder in See stechen.
Rebecca blieb nicht ganz alleine zurück. Der Kapitän und zwei Wachleute waren an Bord. Natürlich konnte man das Schiff nicht unbeaufsichtigt lassen. Einige räuberische Banden strichen durch den Hafen um unbeaufsichtigtes Gut sofort abzugreifen. Ein leeres Schiff wäre fast schon eine Einladung sich zu bedienen. Und wer glaubte da wäre nichts zu holen, der täuschte sich. Der Kapitän hatte vor vielen Jahren sogar mal erlebt, dass man die Segel geklaut hatte. Vor den Augen der besoffenen Crew. Wobei die meisten vermutlich tief und fest geschlafen hatten.
«Du schaust so traurig?», fragte der Kapitän.
Sie schüttelte den Kopf: «Alles okay. Ich wollte eigentlich wenigstens mal in die Stadt. Mal was anderes als nur Hingston sehen. Da fährt man mit dem Schiff so weit und darf es doch nicht verlassen!»
«Es ist schon spät!», meinte er: «Um die Zeit kann eine junge Dame nicht einfach herumspazieren. Nicht in dieser Stadt und nicht alleine!»
«Ihr könntet mich begleiten!»
«Oh nein, ich muss auf das Schiff aufpassen, Kleines!», sagte er: «Hier läuft übles Gesindel herum. Siehst du die schwarzen Männer dort?»
Sie nickte: «Das sind keine Shiva, oder?»
«Nein. Das sind Nehataner. Vermutlich Sklavenhändler. Ist das zu fassen? Sie bringen aus ihrem eigenen Land Männer und Frauen hierher und verkaufen sie teuer! Manchmal kaufen sie wiederrum andere Sklaven hier. Für manche scheint es einen Reiz zu haben einen Sklaven aus einem anderen Volk zu besitzen.»
«Ihre eigenen Landsleute?», fragte sie schockiert.
«Ja, wenn ich es dir sage!», grummelte er: «Von allen Völkern sind die Nehataner das Primitivste und Schlimmste.»
«Wie schwarz sie sind!», meinte Rebecca schockiert, als die Männer am Steg entlanggingen. Sie waren fast nackt, trugen nur den traditionellen Lendenschurz. Ihre Haare waren kahl. Sie lachten und machten Späße. Einer schaute rüber und blieb dann interessiert stehen. Er zeigte auf Rebecca. Die anderen grinsten. Dann