Tagebuch aus der Okkupationszeit der britischen Kanalinseln. Hans Max Freiherr von Aufseß
Hans Max von Aufseß
TAGEBUCH
aus der Okkupationszeit der britischen Kanalinseln 1943–1945
Mit einem Geleitwort von
John Nettles
Herausgegeben, kommentiert
und mit einer Einführung versehen von
Tobias Arand
Übersetzung des Geleitworts von John Nettles aus dem Englischen:
Ilka Schlüchtermann
Erste Auflage 2020
© Osburg Verlag Hamburg 2020
www.osburgverlag.de Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Lektorat: Bernd Henninger, Heidelberg Umschlaggestaltung: Judith Hilgenstöhler, Hamburg Satz: Hans-Jürgen Paasch, Oeste Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISBN 978-3-95510-217-3 eISBN 978-3-95510-225-8
Inhalt
John Nettles
Der gute Deutsche von Jersey? Hans Max Freiherr von Aufseß und seine Tagebücher von den Kanalinseln
Tobias Arand
Hans Max Freiherr von Aufseß: Tagebuch 1943–1945 Kommentierte Edition
Tagebuch 1: 8. Oktober 1943 bis 1. September 1944
Tagebuch 2: 3. September 1944 bis 5. November 1944
Tagebuch 3: 6. November 1944 bis 23. Februar 1945
Tagebuch 4a: 1. März 1945 bis 9. Mai 1945
Tagebuch 4b: 19. April 1945 bis 9. Mai 1945
Geleitwort
Im Laufe der Recherche zu meinem Buch ›Jewels and Jackboots‹ (›Hitlers Inselwahn‹) über die deutsche Besetzung der britischen Kanalinseln stieß ich auf die englische Übersetzung eines Tagebuches des Barons von Aufseß – Besatzungsoffizier und Leiter der Zivilverwaltung der Inseln –, das die letzten Monate des Krieges von August 1944 bis Mai 1945 beleuchtet. Das Tagebuch vermittelt uns das Bild eines Mannes mit großer Energie und Leidenschaft, dessen größtes Glück darin bestand, auf seinem prächtigen Pferd, ›Satan‹, an der Brandung entlang über die weiten Strände der Inseln zu reiten – und, was ihm sicher noch mehr gefallen haben dürfte, seine Zeit in Begleitung der Ladys zu verbringen. Er war ein gebildeter Mann mit einem gewissen Verständnis für die Unbill, die die Inselbewohner zu ertragen hatten; er half ihnen – jedenfalls sofern sie keine Juden oder Zwangsarbeiter waren – im Rahmen seiner Möglichkeiten und versuchte, die schlimmsten Widrigkeiten, die mit der Besetzung der Inseln über sie hereinbrachen, von ihnen fernzuhalten. Er kümmerte sich um die Inselbewohner durchaus mit Anteilnahme, aber immer wieder auch aus einer Position des Besatzers. Viele Bewohner der Inseln hatten Grund, dieser sehr ambivalenten und gerade deshalb interessanten Persönlichkeit zu danken, andere hingegen sahen auch seine kritische Rolle als Teil eines Militärregimes, das mit in Lagern kasernierten Zwangsarbeitern auf den Inseln Betonbunker des Atlantikwalls bauen ließ. Immer wieder war Aufseß ein gescheiter und einsichtsvoller Kommentator des Krieges, seine Gedanken sind zum Verständnis des Kriegsverlaufs von unschätzbarem Wert. Dennoch lässt sich nicht behaupten, dass er den Krieg und den Nationalsozialismus auf Grundlage einer eindeutig humanistischen Gesinnung abgelehnt hätte.
Das Team, das an der deutschen Übersetzung von ›Jewels and Jackboots‹ arbeitete, war einer Meinung, dass die Original-Tagebücher aufgespürt werden mussten, um Baron Aufseß authentisch und präzise zitieren zu können. Seine liebenswürdige Enkeltochter, Freifrau Cornelia von Aufseß, besaß ein Manuskript des Tagebuches und gewährte uns gerne Einblick. Mehr noch, sie wies uns auf weitere Manuskripte hin, die im Fränkische-Schweiz-Museum in Tüchersfeld archiviert sind. Wir machten uns an die Übertragung der Handschrift und nach einem langwierigen, mühevollen Prozess, für den ich dem Lektor Bernd Henninger und dem Herausgeber Prof. Arand sehr danke, liegt nun diese Gesamtfassung als Buch vor.
Diese Tagebücher einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen, war ausgesprochen wichtig, stellen sie doch einen wertvollen und aufschlussreichen Beitrag zur Forschung dar und rücken zudem eine Persönlichkeit wieder ins Licht der Öffentlichkeit, die mit der Geschichte der sechs Jahre andauernden Okkupation eng verbunden war.
John Nettles
Der gute Deutsche von Jersey?
Hans Max Freiherr von Aufseß und seine Tagebücher von den Kanalinseln
In der 2004 vom britischen Sender ITV produzierten Fernsehserie ›Island at War‹ spielt ein fiktiver ›Heinrich Baron von Rheingarten‹ als deutscher Besatzungskommandeur der ebenfalls erfundenen Kanalinsel St. Gregory eine wichtige Rolle. Nach der Eroberung der Kanalinseln errichten die deutschen Okkupanten rasch ein rigides Unterdrückungsregime. Der Baron wird dabei allerdings als ein gefühlvoller, verheirateter Mann gezeichnet, der die deutsche Heimat und seine Frau vermisst. Er tritt zwar als energischer Offizier auf, nimmt aber dennoch humanitäre Rücksichten auf einen Teil der Einwohner. Dabei distanziert er sich mit überheblicher Attitüde und aus Perspektive eines Adeligen und Militärs ›alter Schule‹ vom fanatisierten Nationalsozialismus. Sein eigenes Tun als feindlicher Besatzer und seine Rolle im großen Eroberungs- und Vernichtungskrieg stellt er jedoch nicht in Frage. In die Figur des ›Heinrich von Rheingarten‹ sind unverkennbar einige Charakterzüge eines realen Barons bzw. ›Freiherrn‹ und Vertreters des deutschen Repressionsapparats eingeflossen: Hans Max Freiherr von und zu Aufseß. Von Aufseß leitete von 1942 bis 1945 die Zivilverwaltung während der deutschen Besatzung auf den britischen Kanalinseln. Der Unterschied zwischen beiden Baronen liegt allerdings im Ausmaß der Kompetenzen. Während der fiktive Baron der TV-Serie die Inseln beherrscht, ist der reale Baron letztlich eine Randfigur, die nur über ihre zum ersten Mal nun auf Deutsch veröffentlichten Tagebücher in der Geschichte der Kanalinseln eine gewisse Bekanntheit erlangen konnte.
Die immerhin fünf Jahre lang währende Okkupation eines direkt der Krone unterstellten Teils Großbritanniens ist ein in Deutschland noch immer wenig bekanntes historisches