Strafrecht Besonderer Teil. Olaf Hohmann
zur Tötung bestimmen, m.a.W. als Tatantrieb wirken. Wie bei der Anstiftung (§ 26) bedarf es einer entscheidenden Einwirkung auf den Willen des Täters. Daran fehlt es, wenn dieser ohnehin bereits zur Tat entschlossen war (sog. omnimodo facturus). Allerdings ist es nicht erforderlich, dass der Täter allein aufgrund der Beeinflussung durch das Opfer handelt. Weitere Motive sind insoweit unschädlich, sofern die Einwirkung seitens des Opfers handlungsleitend bzw. dominierend bleibt.[7]
II. Subjektiver Tatbestand
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Subjektiv ist bedingter Vorsatz ausreichend, der sich über die Tötung hinaus auf das Vorliegen des ausdrücklichen und ernstlichen Sterbeverlangens des Opfers beziehen muss.[8]
C. Täterschaft und Teilnahme, Begehung durch Unterlassen, Versuch, Rechtswidrigkeit sowie Konkurrenzen
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Für die Tatbeteiligten i.S. der §§ 25 ff. gelten die dortigen Regeln grundsätzlich uneingeschränkt. Eine Teilnahme wird allerdings in der Regel in einer Beihilfe (§ 27) bestehen. Jedoch ist eine Anstiftung (§ 26) durch einen Dritten dogmatisch nicht ausgeschlossen, wenn sie dem den Täter zur Tötung bestimmenden Verlangen des Opfers (vgl. Rn. 3 ff.) seine ausschlaggebende Funktion nicht nimmt, sondern mit diesem zusammen wirksam, also ebenfalls kausal wird.[9]
Beachte:
Bei der durch das Opfer hervorgerufenen Tatmotivation handelt es sich nach h.M. um ein besonderes persönliches Merkmal, so dass § 28 anzuwenden ist (zur insoweit bestehenden Problematik vgl. § 2 Rn. 88 f.).[10]
Vertiefungshinweis:
Bei der sog. einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbsttötung wird von der h.A. bei der Frage der Strafbarkeit des Überlebenden auf das Kriterium der Tatherrschaft abgestellt. Hätte der Getötete „bis zuletzt“ das gemeinsame Unternehmen abbrechen können, so liegt § 216 nicht vor.[11]
10
Nach den anerkannten Grundsätzen scheint § 216 auch durch ein Unterlassen begangen werden zu können, sofern für den Untätigen eine Garantenstellung besteht (§ 13).
Beispiel:
A will sich vergiften. Sie fordert ihren Ehemann B eindeutig und ernsthaft auf, ihr Vorhaben auch dann nicht zu verhindern, wenn sie bewusstlos geworden ist. B respektiert ihren Wunsch.
11
Im Beispiel wird die Garantenstellung des B ohnehin nur relevant, wenn A vor dem Tod für eine gewisse Zeit ihr Bewusstsein bzw. ihren freiverantwortlichen Willen verliert. Stirbt sie dagegen unmittelbar im Anschluss an ihre auf freier Entscheidung beruhende Tötungshandlung, ist für eine Rettungspflicht des B kein Raum. Vielmehr hätte er eine derartige Selbsttötung der A zuvor sogar unterstützen dürfen (etwa durch Besorgen von Tabletten), ohne sich strafbar zu machen (vgl. § 1 Rn. 20).
12
Die Annahme eines strafbaren Unterlassens im Falle eines – im Übrigen von Zufälligkeiten abhängigen – den freien Willen des Suizidenten ausschließenden Zustands steht dazu in einem nicht nachvollziehbaren Wertungswiderspruch und ist daher in Übereinstimmung mit der h.M. abzulehnen.[12] Dies gilt jedenfalls dann, wenn keine Anhaltspunkte für eine Änderung des zunächst geäußerten Todeswillens bestehen.[13]
13
§ 216 Abs. 2 stellt den Versuch unter Strafe. Bei einem strafbefreienden Rücktritt (§ 24) von der Tötung auf Verlangen bleibt eine Bestrafung wegen eines bereits vollendeten Körperverletzungsdelikts an sich möglich. Jedoch ist hier die sog. Sperrwirkung des milderen Gesetzes zu beachten. Danach scheidet die Anwendung von Tatbeständen aus dem Bereich der §§ 223 ff. aus, soweit diese im Unterschied zu § 216 Verbrechen (§ 12 Abs. 1) oder zumindest mit einem höheren Strafrahmen bedroht sind.[14] In der Regel wird daher nur eine Bestrafung gemäß § 223 in Betracht kommen.
14
Die Möglichkeit einer sog. Patientenverfügung, mit der durch einen einwilligungsfähigen Volljährigen für zukünftige Lebens- und Behandlungssituationen namentlich Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe untersagt werden können, ist seit 1. September 2009 in § 1901a BGB ausdrücklich vorgesehen.[15] Diese kann im Einzelfall auch einen durch aktives Tun vorgenommenen Abbruch einer Behandlung rechtfertigen, die medizinisch zur Erhaltung oder Verlängerung des Lebens geeignet ist. Selbstverständlich nicht erfasst sind Eingriffe, die das Beenden des Lebens vom Krankheitsprozess „abkoppeln“.[16]
15
Eine dem Rücktritt von der versuchten Tötung auf Verlangen (vgl. Rn. 13) vergleichbare Problematik besteht auf der Konkurrenzebene. Auch hier darf die privilegierende Funktion des § 216 nicht ins Leere gehen. Daher findet die genannte Sperrwirkung bei den Konkurrenzen ebenfalls Anwendung. Auch im Verhältnis zum Mord ist § 216 eine abschließende, d.h. dem § 211 vorgehende Spezialregelung.[17]
Hinweis:
Da § 211 wegen Spezialität des § 216 und damit (nur) nach Konkurrenzregeln nicht zur Anwendung kommt, empfiehlt es sich, seine Voraussetzungen vollständig zu prüfen, sofern die Schwerpunkte der Aufgabe nicht eindeutig anders gesetzt sind.
D. Kontrollfragen
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1. | Welche Anforderungen sind an das Todesverlangen des Opfers zu stellen? → Rn. 3 ff. |
2. | Ist eine Tötung auf Verlangen durch Unterlassen strafbar? → Rn. 10 ff. |
3. | Wie wirkt sich die sog. Sperrwirkung des milderen Gesetzes im Zusammenhang mit § 216 aus? → Rn. 13 f. |
Aufbauschema (§ 216)
1. | Tatbestand a) Objektiver Tatbestand (1) Einen (anderen) Menschen (2) Töten (3) Durch ausdrückliches und ernstliches Verlangen des Getöteten bestimmt b) Subjektiver Tatbestand – Vorsatz |
2. | Rechtswidrigkeit |
3. | Schuld |
Empfehlungen zur vertiefenden Lektüre:
Leitentscheidungen: BGHSt 19, 135 – „Gisela-Fall“; BGHSt 32, 367 – „Wittig-Fall“; BGHSt 40, 257 – „Pflegeheimfall“; BGHSt 50, 80 – „Kannibalenfall“; BGHSt 64, 135 – „Berliner Fall“
Aufsätze: