Examens-Repetitorium Familienrecht. Martin Lipp
auch eine stabile de-facto-Partnerschaft den Schutz des Art. 8 EMRK („Familienleben“) genieße (Rn. 26); es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass Gleiches irgendwann für Art. 6 Abs. 1 GG vertreten wird.
c) Eingetragene Lebenspartnerschaften
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Vor bzw. bis zur Einführung der „Ehe für alle“ hatte der Gesetzgeber gleichgeschlechtlichen Paaren mit dem LPartG[54] die Möglichkeit eröffnet, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu begründen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft war keine Ehe i.S.v. Art. 6 Abs. 1 GG; sie stellte ihr gegenüber ein „aliud“ dar. Für die Betroffenen ging es um die Konkretisierung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1, Abs. 3 GG im Sinne eines eigenständigen familienrechtlichen Status.[55] Das BVerfG hatte das LPartG als verfassungsmäßig erachtet.[56] Durch die Regelungen des LPartG wurde die eherechtliche Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG nicht berührt,[57] denn die Rechte und Pflichten zwischen Ehegatten wurden nicht geändert, und aus Art. 6 Abs. 1 GG lässt sich kein Benachteiligungsgebot für andere Partnerschaften ableiten.[58] Ehegatten dürfen nur in vergleichbaren Situationen nicht schlechter gestellt werden als andere Partner einer Lebensgemeinschaft.[59]
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Gemessen daran entscheidet sich auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs[60] (Fall 1), der nur Ehegatten trifft. Der Versorgungsausgleich ist verfassungsrechtlich jedoch unbedenklich, weil er die (nur) mit der Ehe verbundene, grundsätzlich lebenslängliche (auch rechtliche) Mitverantwortung für den Partner im Hinblick auf dessen Altersversorgung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise näher konkretisiert.[61]
Erster Teil Grundlagen › § 2 Verfassungsrechtliche Implikationen › I. „Ehe“ › 3. Art. 6 Abs. 1 GG als „klassisches“ Grundrecht – Abwehr staatlicher Eingriffe
3. Art. 6 Abs. 1 GG als „klassisches“ Grundrecht – Abwehr staatlicher Eingriffe
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Art. 6 Abs. 1 GG gewährt Ehegatten ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Maßnahmen, die unzulässig in die „Ehe“ eingreifen.[62] Gewährleistet wird insbesondere die Freiheit der Entscheidung zur Eheschließung, die freie Wahl des Partners,[63] und die Freiheit der Ehegestaltung. Schutzgut ist nicht nur die Ehe als statusrechtliches Institut (dazu Rn. 127), sondern die konkrete, im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten Strukturen gelebte und autonom gestaltete Lebensgemeinschaft.[64] Seinen spezifischen Eigenwert erlangt das Grundrecht durch die Möglichkeit der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft bzw. in wechselseitiger Selbstbindung durch gegenseitige Verantwortungsübernahme.[65]
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Liegt der mögliche staatliche Eingriff in die eheliche Lebensgemeinschaft in einer Ausweisung eines ausländischen Ehegatten (Fall 1), so ist Prüfungsgegenstand für eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Ausländerbehörden (vgl. Rn. 19) deshalb nicht, ob die Ehegatten ihre Ehe „schlechthin und irgendwo“ fortzuführen in der Lage sind (Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Ehe außerhalb Deutschlands), sondern die Frage, ob durch die Ausweisung des Partners die in Deutschland konkret gelebte Ehegemeinschaft in unzulässiger Weise (Art. 6 Abs. 1 GG) beeinträchtigt wird. Eine Gefährdung des Bestands der Ehe kann deshalb nicht schon deshalb verneint werden, weil es dem Ehegatten des Auszuweisenden regelmäßig zuzumuten sei, seinem Partner zu folgen.[66] Gegen den in der Ausweisung liegenden grundgesetzwidrigen Eingriff (Art. 6 Abs. 1 GG) kann sich sowohl der betroffene (ausländische) Ehegatte (Menschenrecht[67]) wie sein Partner als in eigenen Rechten verletzt (Art. 6 Abs. 1 GG) wenden.[68] Die Ausrichtung des Grundrechtsschutzes an der konkreten Lebensgemeinschaft bedeutet andererseits, dass ein aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleitetes Aufenthaltsrecht nur so lange Bestand haben kann wie die Ehe besteht und die Ehegatten nicht getrennt leben.[69] Ob die staatliche Entscheidung dem Grundrechtsschutz des Art. 6 Abs. 1 GG gerecht wird, hängt – weil die Vorschrift den Schutz vorbehaltlos gewährt – entscheidend davon ab, ob die in Bezug genommene, regelmäßig einfach-gesetzliche Norm selbst Ziele von Verfassungsrang verfolgt und die ergangene (Ermessens-)Entscheidung die Qualität des Art. 6 Abs. 1 GG als einer wertentscheidenden Grundsatznorm berücksichtigt hat. Dem trägt das Aufenthaltsgesetz durch die §§ 53 Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG Rechnung, die bei einer Ausweisung die Berücksichtigung der Folgen für Familienangehörige und Lebenspartner verlangen und bei einem deutschen Familienangehörigen oder Lebenspartner (Fall 1) einen besonderen Ausweisungsschutz für Ausländer vorsehen.
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Schwierigkeiten bereitet jedoch das Verhältnis zwischen eigenverantwortlicher und gesetzlicher Ausgestaltung in Bezug auf den Inhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft. Hier treffen das subjektive Freiheitsrecht und die Institutsgarantie als objektiv-rechtlicher Gewährleistungsdimension aufeinander und müssen in Einklang gebracht werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Autonomie in Bezug auf die inhaltliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zugleich ein institutionell abgesichertes Strukturprinzip der Gewährleistung aus Art. 6 Abs. 1 GG ist, an das der Gesetzgeber gebunden ist; andererseits muss er durch die einfach-rechtlichen Vorschriften gewährleisten, dass die Ehe auch nach einer individuellen inhaltlichen Ausgestaltung dem verfassungsrechtlichen Grundverständnis und ihrer Funktion entsprechend eine Verantwortungsgemeinschaft bleibt. Den Ehegatten insofern völlig freie Hand zu lassen, so dass auch das Charakteristikum der Verantwortungsgemeinschaft zur Disposition der Ehegatten gestellt wäre, würde die Institutsgarantie verletzen. Die „spezifische Eigenart der Freiheit in der Ehe, die gerade in der gegenseitigen Selbstbindung und Verantwortungsübernahme liegt,“[70] kann nicht so weit gehen, dass die übernommene Verantwortung kraft einvernehmlicher Ausgestaltung der Ehegatten auf Null reduziert werden kann. Deshalb ist der Gesetzgeber nicht nur berechtigt, sondern sogar durch die Institutsgarantie verpflichtet, gewisse nicht derogierbare Pflichtbindungen zwischen den Ehegatten gesetzlich vorzuschreiben, die dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Ehe als Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft Rechnung tragen. Namentlich die gesetzliche Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten (§§ 1360 ff., dazu Rn. 170 ff.) stellt deshalb nicht etwa einen Eingriff in das Freiheitsrecht, sondern eine zulässige Inhaltsbestimmung in Ausgestaltung des Instituts dar,[71] das die Ehe als Statusverhältnis von unverbindlichen Formen des Zusammenlebens unterscheidet und abgrenzt. Auch im persönlichen Bereich entspricht es freilich dem Verfassungsverständnis von der Ehe, dass die Ehegatten einander in gelebter gegenseitiger Verantwortung Beistand leisten (was sich einfach-rechtlich etwa in der strafrechtlichen Garantenstellung niederschlägt). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei der Konkretisierung des institutionell abgesicherten Strukturprinzips der Verantwortungsgemeinschaft auch der Freiheitscharakter des Grundrechts und die übrigen Verfassungsbestimmungen in den Blick genommen werden müssen. Für den höchstpersönlichen Bereich folgt aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nach der Sphärentheorie des BVerfG,[72] dass jegliche staatlichen Interventionen in die Intimsphäre untersagt sind und im Bereich der Privatsphäre nur ausnahmsweise – keinesfalls aber