Der Waldläufer. Gabriel Ferry

Der Waldläufer - Gabriel  Ferry


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Escribano gemacht werden konnten.

      »Hilf Himmel, Herr Alkalde«, sagte dieser, nachdem er eine Menge von Morgenbegrüßungen gegeben und empfangen hatte, »welche prachtvollen Beinkleider habt Ihr da an!«

      »Mein Freund Gregorio«, antwortete der Alkalde mit einem Gesicht voll guter Laune, »Ihr werdet langweilig mit Euren Wiederholungen. Zum Henker! Gibt es denn weiter nichts an meiner Person als meine Beinkleider, um die Ihr mich beneidet?«

      Cayatinta stieß einen Seufzer aus und antwortete mit der Miene eines gierigen Hundes, der nach einem Knochen lüstern ist: »Es würde ein Wunder nötig sein, um mir Eure persönlichen Vorzüge zu geben; aber Eure Beinkleider – das ist etwas anderes. Zwei Ellen Tuch von Segovia würden alles beseitigen.«

      »Geduld, Geduld, Herr Escribano! Ihr wißt, daß ich Euch zur Vergeltung der Dienste, die Ihr mir leisten wollt – ich sage nicht, der Dienste, die Ihr mir geleistet habt —, meine rotfarbigen Beinkleider versprochen habe, wenn sie nur erst ein wenig abgetragen sind. Ich denke daran; denkt Ihr daran, sie zu verdienen!«

      »Was muß ich dazu tun?« sagte der Escribano mit einer verzweifelten Miene. »Der Einsatz ist nicht gleich. Ihr wagt so wenig im Vergleich zu mir!«

      »Ei, mein Gott, man weiß nicht«, entgegnete der Alkalde; »es können solche Umstände eintreten, die Euch plötzlich das Übergewicht über mich geben.«

      »Ja, aber es können auf der anderen Seite auch Umstände eintreten, die mit einem Schlag Euren Beinkleidern den Wert nehmen!«

      »Doch wir werden ja sehen. Auf zum Geschäft«, sagte der Alkalde, um die Beschwerden Gregorios kurz abzuschneiden, »wir wollen den Expropriationsakt hinsichtlich des Bootes eines schlechten Zahlers, dieses Vicomte Perez, vornehmen, der nur unter dem Vorwand, sechs Kinder ernähren zu müssen, zur bestimmten Frist die zwanzig Piaster, die ich ihm geliehen habe, nicht wieder bezahlt hat.« Mit diesen Worten nahm Don Ramon einen halbzerrissenen Strohstuhl, um sich an den Tisch zu setzen.

      »Nehmt diesen hier«, fiel der Escribano lebhaft ein, indem er ihm einen lederbedeckten Stuhl reichte, den der Gebrauch wie Mahagoni geglättet hatte; »Ihr werdet darauf viel weicher sitzen.«

      »Und meine Beinkleider auch«, antwortete der Alkalde mit schlauer Miene.

      Cayatinta holte aus seinem Schreibzeug ein aufgerolltes, gestempeltes Blatt Papier. Schon machte er sich ans Werk, als eilige Schläge an der Tür widerhallten, die die beiden Gerichtspersonen, um nicht unterbrochen zu werden, geschlossen hatten.

      »Wer, zum Henker, kann denn so anklopfen?« fragte der Alkalde.

      »Ave Maria purissima!!« sagte eine Stimme draußen. »Sin pecado concebida«, antworteten zugleich die beiden. Und bei dieser heiligen Formel öffnete Gregorio die Tür.

      »Was kann zu dieser Stunde wohl Don Juan de Dios herführen?« rief der Alkalde mit erstaunter Miene beim Anblick des tiefen Kummers, der der glühenden Stirn des Hausmeisters der Gräfin von Mediana aufgeprägt war.

      »Ach, Herr Alkalde«, erwiderte der Greis, »welch großes Unglück ist diese Nacht geschehen; ein großes Verbrechen ist begangen worden … Die Gräfin ist verschwunden und der junge Graf mit ihr.«

      »Aber seid Ihr dessen gewiß?« schrie der Alkalde.

      »Ach, wir brauchen nur auf den Balkon zu steigen, der nach dem Meer hinausgeht – wie wir das schon getan haben, als wir keine Antwort von der gnädigen Frau erhielten —, und zu sehen, in welchem Zustand die Mörder ihr Zimmer gelassen haben.«

      »Gerechtigkeit! Gerechtigkeit! Herr Alkalde, schickt alle Eure Alguazils aus!« rief, noch in einiger Entfernung, eine Frauenstimme. Es war die Kammerfrau der Gräfin, die es für das beste hielt, um so stärker zu schreien, je weniger sie ergriffen war von einem so unbegreiflichen Ereignis, als sie sich in den Audienzsaal des Alkalden stürzte.

      »Ta! Ta! Wie Ihr doch sogleich darauf losgeht!« sagte dieser. »Glaubt Ihr denn, daß ich so sehr viele Alguazils habe? Ihr wißt recht gut, daß ich nur zwei habe; und noch dazu sind diese, da sie in diesem tugendhaften Dorf, wenn sie nur ihrem Amt obliegen sollten, vor Hunger sterben würden, heute morgen zum Fischen gefahren.«

      »Ach, mein Gott«, schrie schluchzend die Kammerfrau, »meine arme Herrin! Wer soll ihr helfen?«

      »Geduld, Frau, Geduld!« sagte Don Ramon. »Zweifelt niemals an der Justiz; vielleicht kommt eine plötzliche Kundgebung von oben herab.«

      Die Kammerfrau hielt es nicht für gut, sich durch diese Hoffnung trösten zu lassen, und verdoppelte ihr Geschrei. Bei dem Lärm, den ihr geheuchelter Schmerz machte, während der alte Juan de Dios nur traurig den Kopf senkte und ganz leise einen furchtbaren Richter um Hilfe anrief, hatte sich eine zahlreiche Gruppe von Frauen, Greisen und Kindern auf der Schwelle des Hauses des Alkalden gesammelt und drang nach und nach in das Heiligtum der Justiz ein.

      Don Ramon Cochecho näherte sich Cayatinta, der sich unter seiner Esclavina die Hände rieb bei dem Gedanken an alles gestempelte Papier, das man beschreiben würde, und sagte zu ihm: »Aufgepaßt, Freund Gregorio, der Augenblick ist da; und wenn Ihr geschickt seid, so kann das rotfarbige Beinkleid …«

      Er sagte nichts weiter; aber Cayatinta begriff, denn er erbleichte vor Freude, und ohne das geringste Zeichen seines Patrons zu übersehen, hielt er sich bereit, die erste Gelegenheit, die sich zeigen würde, augenblicklich zu ergreifen.

      Der Alkalde ließ sich abermals auf seinen ledernen Sessel nieder und forderte mit einer Gebärde Schweigen; dann hielt er mit jenem Wortreichtum, der der spanischen Sprache, der hochtrabendsten und reichsten aller lebenden Sprachen, eigen ist, seinem Zuhörerkreis eine ziemlich lange Rede, deren Inhalt etwa folgender war: »Meine Kinder«, sagte er, »wie der ehrenwerte Don Juan de Dios Canelo hier eben versichert hat, ist ein großes Verbrechen diese Nacht begangen worden. Es konnte nicht fehlen, daß die Kenntnis von diesem Verbrechen zu den Ohren der Justiz gelangte – denn nichts entgeht dieser; aber ich danke nichtsdestoweniger dem Don Juan de Dios seine amtliche Mitteilung; ja, meine Kinder, seine amtliche Mitteilung. Dieser ehrenwerte Hausmeister hätte sie nur vollständiger machen müssen, indem er die Namen der Schuldigen aufdeckte …«

      »Aber Herr Alkalde«, unterbrach ihn Juan de Dios, »ich weiß sie ja nicht, obgleich meine Mitteilung, wie Ihr sagtet, eine amtliche sein mag; aber ich werde helfen, diese Schuldigen zu finden.«

      »Ihr versteht es, meine Kinder: Der würdige Canelo fleht in einer amtlichen Mitteilung die Hilfe der Justiz zur Bestrafung der Schuldigen an. Die Justiz wird nicht taub sein bei seinem Ruf. Es sei mir nun erlaubt, zu euch von meinen kleinen Geschäften zu reden und dann mich dem Schmerz zu überlassen, den mir das Verschwinden der Gräfin und des jungen Grafen von Mediana einflößt.«

      Hier machte der Alkalde Cayatinta ein Zeichen, dem alle seine angespannten Geisteskräfte noch nicht enthüllt hatten, durch welchen Dienst er den Gegenstand seines Ehrgeizes wohl gewinnen könnte; dann fuhr er fort: »Ihr kennt nicht, meine Kinder, die doppelten Bande, die mich an die Familie Mediana fesseln. Urteilt also über meinen Schmerz bei der Nachricht von dieser Gewalttat, die um so unbegreiflicher ist, als man weder weiß, warum, noch durch wen sie begangen ist. Ach, meine Kinder, ich verliere eine mächtige Beschützerin, und das Herz des treuen Dieners ist durchbohrt, während das des Geschäftsmanns nicht weniger grausam verwundet ist. Ja, meine Kinder, in der trügerischen Sicherheit, in der ich gestern noch versunken lag, war ich auf dem Schloß Mediana bezüglich meiner Pachtgelder.«

      »Um eine Frist zu erbitten!« wollte Cayatinta eben rufen, der in den Geschäften des Alkalden vollständig auf dem laufenden war. Aber dieser ließ ihm keine Zeit, die ungeheuerliche Tat zu begehen, die ihn auf immer der Hoffnung auf den versprochenen Lohn beraubt hätte. »Geduld, mein würdiger Cayatinta«, sagte der Alkalde, indem er sich gegen den Escribano wandte; »zähmt diesen Durst nach Gerechtigkeit, der Euch verzehrt … Ja, meine Kinder, und infolge jener Sicherheit, die ich jetzt beklage, übergab ich den Händen der unglücklichen Gräfin …«, hier schwankte die Stimme Don Ramons, »eine Summe, die dem auf zehn Jahre vorausbezahlten Pachtgeld gleichkommt.«

      Bei dieser unerwarteten Erklärung schnellte Cayatinta von seinem Stuhl empor, als ob er von einer Natter gestochen wäre, und sein Blut


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