Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia

Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia


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denke, wir haben Frieden geschlossen?« fragte er dann ruhig und nicht ohne Humor.

      »Ach ja, richtig!« rief sie lachend. »Schieben Sie das Vergessen auf das Ungewohnte. Also zur Sache!«

      »Zur Sache,« erwiderte er. »Zuerst nun meine Mitteilung. Ich habe mich, unter Zustimmung des Herzogs, mit der Prinzessin Eleonore von Nordland verlobt.«

      Also doch! Aber Dolores kämpfte tapfer ein seltsames Gefühl von Hoffnungslosigkeit nieder, das ihr ans Herz griff, und sie reichte Falkner lächelnd die Hand. Nur so weit reichte ihre Beherrschung nicht, daß sie dieser kalten Hand ihre natürliche Wärme hätte wiedergeben können.

      »Ich gratuliere,« sagte sie und setzte, scheinbar heiter, hinzu: »Aber Sie überraschen mich nicht –«

      »O, nach dem, was gestern Abend vorgefallen ist –« warf er ein.

      »Ich hatte daran gar nicht gedacht,« meinte sie. »Doch da Ihre Prinzeß Braut mich schon vorher zur Vertrauten zu machen geruhte, so war mir das Neue in der That nicht mehr ganz neu. Ich freue mich aber sehr, daß die Zustimmung des Herzogs zu diesem glücklichen Ausgange geführt hat.«

      »Es ist sehr großmütig von Ihnen, sich überhaupt mit mir zu freuen,« erwiderte Falkner in einem Ton, von dem Dolores nicht genau wußte, wie sie ihn deuten sollte, ob ironisch, ob einfach konversationsmäßig, oder ob beziehungsvoll.

      »Gehört wirklich Großmut dazu, anderer Leute Freude zu begreifen?« fragte sie mit einem matten Lächeln. »Mir scheint, Ihr Glaube an meine vielgerühmte Herzlosigkeit hat seinen Umsturzprozeß doch noch nicht ganz vollzogen.«

      Ein bitteres Gefühl hatte ihn seine Worte nicht ohne Ironie meinen lassen, jetzt aber bereute er dieselbe sofort.

      »Mea culpa,« sagte er bittend. »Aber,« setzte er lächelnd hinzu, »Sie selbst sind auch nicht ganz ohne Schuld, denn wenn man meint, Ihr wahres Ich zu erblicken, so setzen Sie flugs die berühmten zwei Satanellahörnchen auf, die einen so schadenfroh anfunkeln, daß man ein kaltes Sturzbad zu erhalten meint.«

      »Nun gestehen Sie selbst Ihr Unrecht,« entgegnete sie. »Kalt Wasser ist allzeit wohlthuend – ich dachte aber, daß es in der Hölle – heiß sei.«

      »O, allzu heiß und allzu kalt – das sind Gegensätze, die entschieden in der Hölle erfunden worden sind,« sagte er mit einem Seufzer und fügte warm hinzu, wie sie ihn nie sprechen gehört: »Nein, wirklich, Dolores, auch Sie müssen an meine schwer errungene, bessere Überzeugung glauben!«

      »Soll das ein Kompliment sein?« fragte sie neckend.

      »Nein,« erwiderte er ehrlich. »Aber warum auch nicht das? Eine schwer errungene Sache zeugt von einem Siege gegen manche menschliche Schwachheit, und da ich die gewonnene Überzeugung eine bessere nannte, so kann dies auch ein Kompliment sein, nur ums Himmels willen nicht im gewöhnlichen Sinne gedankenlosen Salongeschwätzes.«

      Da sah Dolores ihn ernst an und freundlich dazu.

      »Sie haben recht,« sagte sie mit gänzlich verändertem Ton. »Ich will mich bemühen, stets dieser Auffassung eingedenk zu sein nach dem Wahlspruch unseres Hauses: ›Alle Falken ehrlich.‹ Und mehr noch – heut', da Sie mir die Nachricht bringen, daß die Freifrau von Falkner gewählt worden ist von Ihnen, heut' verspreche ich, Vergangenes vergangen, vergessen und begraben sein zu lassen!«

      »Dolores!« rief er und ergriff ihre Hand und küßte sie, die willig aber ohne Druck in der seinen lag, und dann sah er sie an, lange, mit seltsam verschleiertem Blick: »Das also war der Preis, die Bedingung unseres Friedens?« fragte er langsam.

      »Ja,« sagte sie mit fester, aber freundlicher, beinahe freudiger Stimme.

      Da ließ er ihre Hand los. »Ich fange an, Sie zu verstehen, Dolores!«

      Nun reichte sie ihm die Hand von selbst.

      »Das freut mich von Herzen,« sagte sie so warm, so schlicht und voll wirklicher Anmut, wie er nie geahnt hatte, daß sie sich geben konnte. Und all' das war nicht für ihn, zu hoch, zu unerreichbar, und wie das Auge von ferne nur glorreiche, wunderbare Berggipfel anzustaunen vermag, die unzugänglich sind für Menschenwitz, Menschenneugierde und Menschenfuß, so auch wurde ihm gezeigt, was er ohne die goldene Fessel, die ihn gefesselt hatte, nicht schauen gedurft.

      »Und nun zu Ihrer Bitte, Vetter Alfred,« rief sie heiter nach einer langen Pause, die ihr das innere Gleichgewicht wiedergeben mußte. »Ich bin furchtbar stolz darauf, die Erfüllung eines Ihrer Wünsche in meiner Macht zu haben!«

      »Ich bin nur nicht ganz sicher, ob Sie meine Bitte nicht für Neugierde sans phrase halten,« erwiderte Falkner, mühsam auf ihren Ton eingehend.

      »Jetzt machen Sie mich aber unverhältnismäßig neugierig!«

      »Ich möchte gern die Prophezeiung der Ahnfrau hören,« erwiderte er bittend. »Ist das eine große Schwäche?«

      Da wechselte die Blässe ihres Gesichtes mit jäher Röte.

      »Nein, nein,« sagte sie erschreckt, aber sie erhob sich im Moment. »Einen Augenblick Geduld,« fügte sie hinzu, »ich hole meinen Fund sogleich.«

      Im Nebenzimmer aber stand sie einen Moment still und preßte die Hände gegen die Schläfen.

      »Das also war's,« dachte sie mit Bezug auf das Gefühl nahenden Unheils, das sie vorhin beschlichen.

      Dann holte sie das Missale der Ahnfrau aus seinem Versteck.

      »Vorwärts!« sagte sie sich. »Auch das muß noch überwunden werden.«

      Und wieder trat sie in den Saal, wo Falkner vor dem Bilde der Freifrau Dolorosa stand.

      »Es war doch ihr Ernst mit dem Bericht von dem wunderbaren Funde der Prophezeiung?« fragte er, als sie vor ihm stand.

      »Ja gewiß,« und nochmals erzählte sie ihm ausführlich von ihrem Traume und versprach, ihm das dadurch entdeckte Geheimfach zu zeigen.

      Und nun nahm er mit einem gewissen Gefühl von Ehrfurcht und Rührung das Buch mit den verblichenen, vielfarbigen Bändern aus ihrer Hand und schlug den Deckel auf, und las laut und langsam die steilen, krausen Schriftzüge:

      Wenn sich die Bas' dem Vetter soll vermählen,

      Wird sich der Falk' ein dauernd Nestlein wählen.

      Die letzte Falkin muß in Schmerzen büßen,

      Die Grabesruh' der Ahne zu versüßen.

      Wenn neu sie auflebt in der Huldgestalt,

      Die einst im Brautgewande ward gemalt,

      Kann diese Falkin siegen ob dem Bösen.

      Wird meine arme Seele sie erlösen,

      Kann sie des Falken Herz zu sich bekehren,

      Werd' ich der Engel Alleluja hören.

      Dann ist ein tausendjährig Blühn beschieden

      Dem Stamm der Falkner auf der Erd' hienieden.

      Kann sich das Edelfalkenpaar nicht finden,

      So wird ihr Stamm erlöschen und verschwinden.

***

      Und dieses Edelfalkenpaar, die letzten Falken aus dem alten Nest, für die drei Jahrhunderte früher die Hand einer Unglücklichen diese Zeilen niedergeschrieben zu haben schien – sie standen sich jetzt gegenüber unter dem Bilde der unseligen Prophetin – Falkner wunderbar erregt, Dolores blaß zwar, aber scheinbar unbewegt und kühl.

      »Ein seltsames Elaborat,« unterbrach er dann die herrschende Stille. »Es fällt, angesichts dieser verworrenen, gereimten Andeutungen schwer, an den klaren Geisteszustand der Schreiberin zu glauben, den sie selbst so feierlich betont, doch das Geheimnisvolle, Unklare ist ja das Zeichen aller Sybillen.«

      Dolores nickte.

      »Wollen Sie das Geheimfach sehen?« fragte sie etwas unvermittelt. Er schien die Frage gar nicht gehört zu haben.

      »Dolores, Sie und ich, wir sind die letzten Falkner,« sagte er, sie voll anblickend.

      Sie


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