Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band.. von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia

Die Falkner vom Falkenhof. Zweiter Band. - von Adlersfeld-Ballestrem Eufemia


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er hinauf zu Dolores und ließ sich bei ihr melden. Er fand sie in dem Turmzimmer am Schreibtische vor, Bücher und Belege vor sich.

      »Immer thätig, immer bei der Arbeit,« sagte er, und küßte ihre Hand.

      »Was hilft's? Engels zwingt mich ja zu diesem reizlosen Geschäft,« lächelte Dolores und seufzte dazu resigniert. »Er giebt keine Ruhe, ehe ich nicht selbst die Bücher vergleiche und die Belege revidiere. Und dabei hasse ich nichts mehr, wie Rechnen und Zahlen. Aber ›ich bin des trocknen Tons nun satt,‹« setzte sie mit dem übermütigen Blick früherer Tage hinzu, indem sie das Buch zuklappte und ihre Hand darauf legte.

      »Ich wundre mich nur, daß Sie den ›trocknen Ton‹ so lange ertragen haben,« gab Doktor Ruß zurück.

      »Nun, was Mephisto konnte, wird doch von Satanella nachzuahmen sein?« sagte sie leicht.

      »Wer weiß,« erwiderte er und setzte dann hinzu: »Wissen Sie, Dolores, daß Sie mich damit unbewußt auf das Thema gebracht haben, wegen dessen ich eben zu Ihnen heraufkam? Ich habe, offen gesagt, nicht recht gewußt, wie beginnen, denn ich möchte Ihr Mißtrauen nicht erwecken und nicht selber die Rolle einer mißgünstigen Rothaut in Ihren Augen spielen –« –

      »Das ist ja eine schreckliche Vorrede,« lachte Dolores, sichtlich sympathisch berührt von dem Tone des Biedermanns, den Doktor Ruß so meisterhaft beherrschte.

      »Eine schreckliche Vorrede, nicht wahr?« gab er mit komisch-kläglichem Tone zu, fügte aber gleich wieder ernst hinzu: »Aber sie ist noch nicht zu Ende, meine Vorrede. Denn sehen Sie, Dolores, Sie müssen mich nicht mißverstehen, nicht glauben wollen, daß ich Ihnen einen Rat aufdränge, dessen Sie nicht bedürfen und den Sie nicht wünschen, oder gar, daß ich mich von irgend welchem Übelwollen leiten lasse – von einem Übelwollen gegen Engels, der mich nicht leiden mag. Denn um Engels handelt es sich.«

      »Ach bitte, sagen Sie nichts gegen ihn,« bat Dolores so treuherzig, daß ein anderer, als Doktor Ruß, sicher still gewesen wäre.

      »Nein, o nein,« beeilte er sich zu versichern. »Sie müssen nicht denken, daß ich ihn verdächtigen will, denn die Offenheit, mit welcher er seine Abneigung gegen mich zur Schau trägt, gemahnt an das klassische Vorbild der Nibelungenzeiten und hat mich immer mehr ergötzt als beleidigt. Denn gegen seine Antipathie kann kein Mensch, nur daß sie in diesem Falle wirklich nicht auf Gegenseitigkeit beruhte –« –

      »Jetzt fang' ich aber wirklich an, neugierig zu werden, um was es sich handelt,« sagte Dolores amüsiert.

      »Ich komme schon zur Sache, aber diese Einleitung hielt ich eben für nötig, denn meine Angelegenheit ist zu ernst, um mit der Thür ins Haus zu fallen,« erwiderte Doktor Ruß. »Es handelt sich also um den guten Engels, oder, wenn Sie wollen, um den Falkenhof. Sie wissen ja, wie der verstorbene Freiherr, Ihr Onkel, stets in die Verwaltungsgeschäfte selbst mit eingegriffen hat und Engels in allem und jedem dareinredete, als wäre derselbe nichts gewesen, als ein subalterner Beamter und nicht der selbständige Verwalter eines solch' enormen Güterkomplexes wie der Falkenhof. Das aber lähmt die Thatkraft, schwächt das Selbstvertrauen, und Engels, dessen landwirtschaftliche Kenntnisse und Ansichten noch von Anno Tobak datieren, hat nichts dazu gelernt, wie ich gern zugebe, aus dem obengenannten Grunde. Und in der That ist er nichts weiter, als ein guter, tüchtiger Inspektor, dem seine Buchführung nachgerade sauer genug wird und sie, wie figura zeigt, gern teilweise auf Sie abholzen möchte.«

      »Und der langen Rede kurzer Sinn ist, daß ich Engels pensionieren soll,« warf Dolores kühl und scharf ein.

      »Da – hatt' ich unrecht, wenn meine ›schreckliche Vorrede‹ Ihrem Mißtrauen vorbeugen sollte?« fragte Doktor Ruß lächelnd und in ganz harmlosem Tone. »Also für's erste und letzte – nein, tausendmal nein, ich will nicht, daß Sie Engels pensionieren sollen, denn das hieße den Besitz schädigen. Was ich meine, betrifft nur die rentamtliche Verwaltung. Die hat Ihr Onkel stets besorgt, wie Sie aus den Büchern ersehen werden, und wenn Engels dazu jetzt nicht taugt, so ist's nicht seine Schuld, denn woher soll ihm plötzlich eine Wissenschaft kommen, die er nie gepflegt hat. Nun aber sind Sie, liebe Dolores, gleichfalls unerfahren in der Verwaltung eines solchen Besitzes, Sie halten Engels für Ihre beste, zuverlässigste Stütze und haben darin auch nicht unrecht. Aber Sie vergessen, daß die Kopfarbeit ihm auch über den Kopf wachsen muß, und daher halte ich es für meine Pflicht, mögen Sie es so oder so deuten, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß der Falkenhof nicht vorwärts kommen kann, wenn, bei aller Sorgfalt und Pflichttreue des Verwalters, das geistige Oberhaupt mangelt. Verstehen Sie, was ich meine?«

      Dolores hatte sehr aufmerksam zugehört und antwortete nicht sogleich.

      »Ich verstehe all' das vollkommen, mehr noch, ich sehe ein, daß die ganze Last für Engels zu groß ist,« sagte sie dann. »Aber nichtsdestoweniger danke ich Ihnen herzlich für den guten Rat, der mir Ihre freundschaftliche Gesinnung so warm dokumentiert.«

      »Sie wälzen einen Stein von meinem Herzen, wenngleich Sie mir deshalb nicht zu danken brauchen,« erwiderte Ruß lebhaft – eine seltene Kundgebung bei ihm.

      »Doch, doch,« rief Dolores. »Hat doch der König seine Räte! Aber, aber, die ganze Vorrede hat mir doch gezeigt, daß die kleine Scene drüben im Ahnensaal Sie verletzt hat, daß Sie meinen Abweis jeglicher Einmischung in persönliche Angelegenheiten falsch oder doch zu scharf aufgefaßt haben. Denn wirklich, es galt nur dem Persönlichen, galt einer delikaten Frage, welche ich abgethan und begraben wähnte –« –

      »Ihre Entschuldigung beschämt mich nur noch mehr,« fiel Ruß ein und reichte ihr seine Hand herüber, in die sie flüchtig die ihre legte. »Und um nun auf unser früheres Thema zurückzukommen –« –

      »O, in diesem Falle bin ich sehr stolz, daß mein Instinkt mit Ihrer Fachkenntnis und Ihrer tiefen Einsicht im Einklange steht,« unterbrach ihn Dolores freundlich, »denn ich selbst habe längst gefunden, daß die Regierungsmaschine des Falkenhofes geordnet und einer Autorität unterstellt werden muß –« –

      »Ah, sehen Sie wohl –!« rief Doktor Ruß mit einem Blick des Triumphes.

      »Und gewissermaßen ist diese Angelegenheit schon geordnet,« fuhr Dolores fort, nicht ohne eine gewisse, sie sehr gut kleidende Wichtigkeit in Ton und Miene zu legen. »Ich habe Engels zum Generalbevollmächtigten ernannt und werde ihm einen Inspektor speciell für den Falkenhof unterstellen und damit den Stab seiner Inspektoren um einen leitenden technischen Beamten vermehren. Die nötigen Gehilfen für Engels auf dem Rentamte wird Justizrat Müller auf meinen Wunsch anwerben und mir verpflichten.«

      Sie hatte all' das mit Eifer und, wie gesagt, mit einer sehr reizenden Wichtigthuerei berichtet, und, obgleich sie sich damit direkt an Doktor Ruß wendete, nicht bemerkt, daß er um einen Schatten blässer wurde und seine, den Bart drehende, weiße und wohlgepflegte Hand plötzlich so unsicher ward, daß er sie herabnehmen mußte und, um ihr Zittern zu verbergen, tief in seine Rocktasche vergrub.

      »Und nun, was sagen Sie zu diesem excellenten Plan, auf den ich sehr stolz bin?« schloß Dolores heiter.

      »Ich auch,« erwiderte Ruß mit seltsam schwerer Zunge, so daß sie ihn verwundert anschaute. »Und ist alles schon legal und perfekt?« fragte er dann in seiner gewöhnlichen, gewinnenden Weise.

      »Ja. Ich erwarte den Justizrat heut' oder morgen. Aber,« fuhr sie liebenswürdig fort, sichtlich bemüht, für den anscheinend so uneigennützig und bieder gegebenen Rat Dankbarkeit zu zeigen, »aber ich rechne beim Einrichten der neuen Verwaltung auf Ihren Rat. Da Sie mir die Freude machen wollen, bis zum Herbst mein Gast zu sein, so hoffe ich noch viel von Ihrem praktischen, sowie auch nicht minder von Ihrem theoretischen Wissen zu profitieren.«

      Doktor Ruß verbeugte sich.

      »Es macht mich stolz, mein geringes Können von Ihnen so hoch gestellt zu sehen,« sagte er mit seinem musikalischen Tonfall. »Aber,« setzte er lebhafter hinzu: »Aber ich fürchte, fürchte, daß Engels meinen Rat nicht begehren, mehr noch, nicht dulden wird –«

      »Nein, da thun Sie ihm unrecht. Er ist so einsichtsvoll und weiß sehr genau, wo es ihm fehlt. Er wird sich freuen, bezüglich der Verwaltung wertvolle Winke von Ihnen zu erhalten.«

      Doktor


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