Gabriele. Александр Дюма
fing sie wieder an zu tanzen, als ob die Heirath, von der die Rede war, nicht nur keinen ernsten Gedanken in ihr erweckte, sondern ihr auch nicht einmal die leiseste Bewegung von Antheil oder Neugierde einflößte, und Madame Rémond überließ das sorglose Kind ihren Launen, die sie immer ungehindert hatte befriedigen können.
»Höre doch wenigstens,« sagte sie endlich, »Du wirst eine Herzogin.«
»Eine Herzogin?« erwiderte das jung« Mädchen, mit einem Fuße in der Luft, und in diesem Worte, welches ihr nur unsichere Vorstellungen bot, eine bestimmte Bedeutung suchend.
»Ja,« entgegnete die Mutter, »Du wirst den Herrn Herzog Yves von Mauléon heirathen.«
»Yves von Mauléon!« wiederholte Gabriele; »das ist ein allerliebster Name.«
»Ein köstlicher Name! ein alter Name! Man sagt, daß das die besten sind, und dieser ist vielleicht zweitausend Jahre alt,« fügte Madame Rémond, welche über die Zeitläufte keine sehr richtige Vorstellung halte, mit Pathos hinzu.
Gabriele war immer noch in der Stellung ihrer Pirouette und ihr Geist verlor sich in Vermuthungen.
»Mein Mann wird Herzog sein? Ich habe niemals einen gesehen,« sagte sie; »es müßte denn. . . aber doch . . . eines Tages, als ich noch auf dem Lande, noch nie in Paris gewesen war, vor etwa zwei Jahren, zerbrach in unserer Nahe ein sehr schöner Wagen; man sagte, er gehöre dem Herrn Herzog von . . . Ach! ich weiß den Namen nicht mehr! . . . er war verwundet; er wußte aus dem umgeworfenen Wagen gehoben werden; ich sah mit den Andern zu; er war alt, sehr alt! Eine Mütze von schwarzer Seide . . . die Gicht. . . er konnte nicht gehen; man trug ihn an den Rand des Weges, er wurde »Herr Herzog« genannt . . . ich erinnere mich dessen. Ach! wie häßlich war er!«
Indem sie diese Worte gesagt hatte, beendigte Gabriele auch ihre Pirouette, vielleicht um die häßliche Gestalt zu verjagen, die sich ihrer Phantasie in der Erinnerung dargestellt hatte; und als sie still stand, berührte sie mit ihrem Gesicht beinahe das der Priorin, welche kam, um sie in den Salon zu führen, und die eine Bewegung der Ueberraschung nicht unterdrücken konnte, indem sie sah, wie das junge Mädchen die Augenblicke, welche der wichtigsten Entscheidung ihres Lebens vorangingen, benutzte.
»Die Frau Marquise von Fontenoy-Mareuil ist im Salon,« sagte sie mit bedeutendem und zufriedenem Tone zu Madame Rémond, die dies nicht bemerkte, aber aufstand und zu ihrer Tochter, während sie deren Anzug in Ordnung brachte, sagte: »Komm, Gabriele, sei vernünftig! Du wirst Deinen Bräutigam kennen lernen, wie ich Dir schon gesagt habe.«
»Schon?« rief das junge Mädchen mit zum Lächeln verzogenem Munde, ohne sich jedoch um das, was ihr angekündigt wurde, sonderlich zu bekümmern.
Seit Gabriele denken konnte, hatte sie ihre Mutter von ihrer Heirath reden hören; denn Madame Rémond dachte schon an dieses Ereigniß und sprach ihre Gedanken darüber aus, ehe das Kind, der Gegenstand so schöner Hoffnungen, die Kräfte hatte, damit umgehen zu können. Und seit der glänzenden Taufe, deren die alten Bewohner des Viertels Saint-Martin sich genug erinnerten, um deren prachtvolle Feier beschreiben zu können, träumte sich Madame Rémond eine noch viel prachtvollere Feier für die Hochzeit der präsumtiven Erbin der Familie.
Auch hatten die Worte: Mann und Heirath, Gabrielens Ohr seit ihrer frühesten Kindheit so oft berührt, daß sie sich daran gewöhnt hatte zu ein« Zeit, wo sie noch keine Vorstellungen in ihr erwecken konnten; sie hatte sie bis jetzt ohne besonderes Interesse aussprechen hören und folgte hüpfend und ohne etwas Besonderes zu denken, ihrer Mutter zum Salon, wo die Marquise mit ihrem Enkel und dem Grafen von Rhinville, alle drei schwelgend, feierlich und unruhig sie erwarteten.
,Ich habe die Ehre, Frau Marquise, Ihnen meine Tochter Gabriele vorzustellen,« sagte Madame Rémond, indem sie ceremoniös und laut und mit Pathos redend, eintrat.
Die Marquise war aufgestanden und nichts konnte auffallender sein, als der Unterschied zwischen diesen beiden Frauen, die durch Gehurt, durch Erziehung und Gewohnheiten so vollständig geschieden waren; deren Eine in einer schmutzigen Schlosserwerkstatt der Vorstadt Saint-Martin und die Andere in einem fürstlichen Hotel der Straße Varennes geboren war, während Eine den Dauphin, Ludwig den Funfzehnten, und die Andere einen armen Gastwirth zum Pathen gehabt hatte; deren Eine unter den Großen, Ausgezeichneten, Reichen, die Andere unter den Kleinen, Gemeinen und Armen gelebt hatte; hier waren diese beiden Frauen zusammen gekommen,um ihre beiden einzigen Kinder auf immer zu verbinden durch das innigste und unauflöslichste aller Verhältnisse! . . . Die Zukunft sollte sie vereinen und ihre Vergangenheit war so verschieden gewesen!
Madame Rémond warf einen Blick auf den einfachen Anzug der Marquis«; sie bemerkte nicht dessen geschmackvolle Einfachheit, sondern dessen wenigen Glanz, und der Vorzug des ihrigen erschien ihr unbestreitbar. Die Freude, die sie empfand, zeigte sich durch die zahlreichen, wahrhaft kindischen Bewegungen, die sie machte, um ein Stück nach dem andern ihres reichen Putzes in das schönste Licht treten zu lassen.
Die Leute aus den niederen Klassen gleichen sehr den Kindern; wie diese, haben sie wenig gesehen, haben nichts verglichen, und ihr Vertrauen zu sich selbst und Anderen hat sie nicht das Lächerliche errathen lassen. Sie sind ungekünstelt, genießen lebhaft und ohne es zu verhehlen, ihre Freuden. Madame Rémond triumphirte und zeigte es; die Marquise war gedemüthigt und verhehlte es.
Gabriele, dem Grafen gegenüber, betrachtete forschend und mit sonderbarem Ausdruck seine alte mit jugendlicher Kleidung geschmückte Gestalt.
Yves von Mauléon halte die kalte Verachtung, in die er, seinem Schicksal sich ergebend, sich eingehüllt hatte, festgehalten. Die Marquise näherte sich ihm und sagte, ihn bei der Hand nehmend mit liebenswürdiger Anmuth, obgleich ein wenig stolz:
»Madame, ich habe die Ehre, Ihnen meinen Enkel, den Herrn Herzog Aves von Mauléon, vorzustellen.«
Und der junge Mann, den Wink seiner Großmutter befolgend, näherte sich Gabrielen, die, sich lebhaft zu ihm wendend, mit einem nicht zu beschreibenden Ausdruck von freudiger Ueberraschung ausrief:
»Und ich glaubte, es sei dieser Herr!« hierbei deutete sie mit einer so höchst komischen Geberde auf den Grafen und warf dem jungen Manne einen so heiteren Blick kindlichen Erstaunens zu, daß ein allgemeines unwillkürliches Gelächter erscholl und die feierliche Stimmung der in diesem Salon vereinigten Personen in Heiterkeit verwandelte.
Madame Rémond machte hierüber eine Menge Scherze, die nach Niemandes Geschmack waren und denen Einhalt zu thun, die Marquise sich vergebens bemühte. Madame Rémond gab sich nicht so leichten Kaufs gefangen und hörte nicht eher auf zu reden, als bis sie den Vorrath ihrer Scherze erschöpft hatte; dann betrachtete sie den jungen Herzog mit der gewissenhaftesten Aufmerksamkeit, neigte, erhob und drehte ihren Kopf, um ihn von allen Seiten zu sehen, wie sie Waare betrachtet haben würde, um sich zu überzeugen, ob dieselbe wohlconditionirt, unverdorben und ohne Fehler sei,ob man sie nicht betrogen und übervortheilt habe und ob sie auch diesen jungen Mann ihrer zwei Millionen würdig erachten könne.
Man setzte sich, immer noch lachend; aber die Unterhaltung war sehr schwierig zwischen Personen, die einander so fremd waren und die den einzigen Gegenstand, der einen Berührungspunkt zwischen ihnen bildete, nicht erwähnen konnten. Gabriele war bis an die Augen erröthet, indem sie dem spöttischen Lächeln Yves von Mauléons begegnete, und sah schweigend zur Erde, ohne die geringste Bewegung zu machen. Ihr Geist war zu beschäftigt, um zu bemerken, daß ihr Körper unbeweglich war.
Der Graf, der zuerst über die ihm zu Theil gewordene Geringschätzung des jungen Mädchens gelächelt hatte, wurde durch ihre Freude beim Anblicke des jungen Mannes unangenehm berührt und war nicht mehr in der Stimmung, das Schweigen zu brechen.
Die Marquise versuchte mit dem bekannten Talente vornehmer Damen, über unbedeutende Dinge angenehm zu reden, das man in der großen Welt sich zu eigen macht, einige Worte zu sagen, aber Niemand antwortete ihr.
Herr von Mauléon hatte eine Art instinktmäßige Freude empfunden über die naive Freude Gabrielens, als sie ihn jung und schön fand; aber der Anschein von Rohheit des jungen Mädchens und von Lächerlichkeit der Mutter machte ihn unruhig, unzufrieden, unsicher, doch verbarg er seine heftige innere Aufregung unter angenommener schweigender Ruhe.
Jeder