Die Mühle zu Husterloh. Adam Karrillon

Die Mühle zu Husterloh - Adam Karrillon


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enge Zelle mit der Nummer 28, dem Bette, dem Nachttisch und einem Stuhl ohne Lehne. O, wie wenig Raum für einen, der gewohnt war, dem Hirsche gleich ziellos durch Wald und Flur zu streichen. Der Knabe setzte sich und stützte das müde gedankenschwere Haupt mit den Händen. Ach, wäre er doch noch einmal zu Hause! Mit wieviel Bereitwilligkeit hätte er auf all die hohen Ehren verzichtet, zu denen die Strickleiter ihn führen sollte.

      Mitten hinein in das grübelnde Suchen seiner Gedanken schlug der Ton einer kleinen Glocke. Hans wusste, dass es das Zeichen war, das Licht auszulöschen. Er tat es, aber er ärgerte sich über diese anmaßende Schelle, die sich herausnahm, sein ganzes Leben zu regeln, sein Wachen, sein Schlafen, seine Arbeit, seine Erholung, ja sogar sein Gebet. Aber er folgte, legte sein Haupt aufs Kissen und schlief ein.

      9. Kapitel

      Der Winter war da. Wo immer sich ein kleiner Wasserlauf die Sache bequem machen und langsam gehen wollte, schlug ihn der Frost in Fesseln und hielt ihn fest. Am Wehre, an jeder überhängenden Wurzel erstarrte das Wasser und kam nicht fort. Schwach und dunstend erreichte der Bach die Mühle; wie wollte er da noch arbeiten? Ja, Groß und Moos, die hatten’s gut. Sie waren vom Wasser nicht abhängig. Ein paar Zentner Kohle und ihre Mühle lief, ob die Sonne den Wasserstand verringerte oder der Frost. Sie konnten vergnügt ihren Schlitten über den singenden Schnee sausen lassen, aber Frau Höhrle nicht, denn Suse brauchte die Pferde am Göpelwerk. Es hatte eine hässliche Szene zwischen Mutter und Tochter gegeben, aber Suse war fest geblieben. Sie war die einzige, die den schwachen Vater stützen, und den unheilvollen Einfluss der Mutter beschränken konnte. Sie tat es nicht gerne, aber sie fühlte, dass es ihre Pflicht sei, ihre Pflicht gegen die Eltern und die Geschwister. An sich selber dachte sie nicht. Sie wollte nur mit starker Hand das Steuer führen am Nachen, in dem die anderen saßen, und seinen Kiel durch den Sturm zu einer stillen Bucht zwingen, in der sie alle Ruhe fänden. Der Drang, helfend einzugreifen, verkürzte den kargen Schlummer ihrer Nächte und im Dämmerschein jedes jungen Tages stand sie munter zugreifend und anspornend unter den Arbeitern in der Mühle. Alle sahen sie mit Respekt an dem Mädchen in die Höhe, und ob einer bei dem Umbau des Werkes hobelte oder sägte, er schielte nach ihr, wenn sie den Bodenstein mit Pech ausgoss und über ihn den Läufer stellte, um den Hafer zu schälen. Das erforderte eine feinfühlende, sichere Hand. Der Stein musste drücken, ohne zu zermalmen, gerade so, wie die geistige Überlegenheit Susens auf den anderen wie ein Gewicht ruhen musste, ohne ihnen jedoch den Atem zu rauben.

      Alles das, was Suse im Hause und in der Mühle wert war, zog wie Rosenduft durch Türen und Ritzen des alten Gemäuers, verbreitete sich durchs Tal und drang lockend wie ferner Glockenklang über Wald und Hecken in die entlegensten Dörfer. Bald sah man wieder die angejochten Ochsen mit den kleinen Leiterwagen hinter sich vor der Mühle stehen, und das lockere Volk der Tauben kam aus der Nachbarschaft und pickte wieder die süßen Hirsekörner durch die Maschen der Maltersäcke. Suse entwickelte die Spezialität des Hafer- und Hirseschälens zur Kunst und wurde in der Gegend eine Berühmtheit. Es war nicht viel, was sie produzierte, aber gut. So führte sie den Kampf gegen Groß und Moos mit einem Achtungserfolg, indes Vater Höhrle den Versuch wagte, durch Neueinrichtungen das Korn- und Weizenmahlen rentabel zu machen.

      Das Sieb wurde hinausgeworfen, und was früher an Mahlgut durch grobe Maschen lief, musste jetzt in Beuteln durch die Poren seines Seidenstoffes sich durchschlagen. So erzielte man ein besseres Mehl, und die verödete Mahlstube füllte sich einigermaßen wieder mit Bauern. Wenn an den Winterabenden ihr lautes Sprechen oder ihr Gesang durch die Bodendielung heraus in das Familienzimmer drang, dann machte wohl die Müllerin ein verärgertes Gesicht, aber dem Vater Höhrle schmeckten seine Kartoffeln wieder besser, und er überhörte es gerne, wenn seine Frau die Sensible spielte und über das rohe Gebaren unkultivierter Menschen empfindsam klagte. Suse und Liese saßen dann am Ofen und strickten Strümpfe für »Hochwürden«, ihren Bruder.

      Auffallend, dass Suse in letzter Zeit verträumt und nicht recht bei der Sache war, namentlich dann, wenn aus dem Stimmengewirr unter dem Fußboden der klagende Tenor einer klangvollen Männerstimme herausscholl. O ja, das Mädchen kannte den Inhaber dieser Stimme wohl. Er kam öfter mit seiner Hirse und hatte es mit dem Gehen nicht eilig. Er konnte warten und ließ manch einem, der nach ihm gekommen war, den Vortritt am Mühltrichter. Er übte sich scheinbar aus Langerweile im Schärfen der Steine und war stets zufrieden mit dem, was die Mühle aus seinem Mahlgut herausschlug. Auch half er der niedlichen Müllerin im Stellen des Läufers, und diese ließ sich nicht ungern helfen. Zuweilen drängte sich beim Heben und Stemmen Hüfte an Hüfte, und es schien, als ob aus dieser Vereinigung eine Stärke geboren würde, der nichts widerstehen könne. Aber auch ein mollig weiches Empfinden umhüllte wärmend den Körper des Mädchens, wie die Flamme den Stab. Suse fühlte sich auf seidenen Wolken hoch über die Erdensorgen getragen und wiegte sich in süße Zukunftsträume, wenn sie die klagende Weise seines Liedes hörte:

      »Jetzt geh ich ans Brünnele, trink aber nit,

      Da such ich meinen herztausigen Schatz,

      Find ihn aber nit.«

      Es ist wahr, dass sie in solch sentimentaler Stimmung durch das Grunzen der Ferkel oder das Glucksen der Henne noch über den Hof gelockt werden konnte. Manchmal lief sie nach dem Brunnen und holte Wasser, obwohl kein Mensch durstig und keiner da war, der sich zu waschen begehrte. Es war nicht zu verkennen, dass ihre sonst so elastischen Schritte auf der Treppe mehr Geräusch machten als vordem, und es war kein Kunststück, wenn der Sänger in der Mühlstube das Lockende dieser Schritte heraushörte und das Bedürfnis empfand, im Mondschein sein Geld zu zählen.

      So kam es, dass die zwei Menschen zu ihrem beiderseitigen Erschrecken manchmal im Schatten der Häusergiebel wider einander trafen und sich langsamer trennten, als man aus dem erschreckten Aufschrei des Mädchens eigentlich hätte vermuten sollen. So kam es aber auch, dass die anderen Insassen der Mühlstube, wenn sie nicht gerade Karten spielten oder ihren Namen in die Tischplatte schnitten, von Neugier getrieben den Mehlstaub von den Scheiben wischten und das Paar ein wenig belauerten. Was Wunder, dass es nach kurzer Zeit im Dorfe ein Gemunkel gab, und dass Röse Ricke mit ihrem unter sieben Siegeln der Verschwiegenheit geborgenen Geheimnis wie ein Schwärmer durchs Dorf schwirrte und explodierte, so oft sie wider einen Menschen schoss, der ihr prinzipiell versprach, keiner Menschenseele irgend etwas von der interessanten Neuigkeit zu erzählen. So kam es, dass das süße Geheimnis der unvorsichtigen Suse bald wie ein Gemeingut auf der Straße lag und dass aller Welt zur unumstößlichen Gewissheit wurde, was den Hauptbeteiligten noch recht zweifelhaft war.

      Mutter Höhrle geriet, als sie von dem, was sich vorbereitete, erfuhr, in einen wahren Paroxysmus der Wut. Sie konnte sich Suse nun einmal nicht anders denken, als an der Seite eines Gatten, der eine Vorstecknadel am Busen trug. Und nun kam einer, dessen Stiefel gerüstert waren und dessen Vater auf einem Pachthof der Kirchschaffnei saß, und wagte es, die Augen zu einem Spross aus dem erlauchten Hause der Schütteldich zu erheben. Suse hatte in den Augen der Mutter allen Wert verloren. Sie war wie ein Löffel, von dem das Silber abgescheuert ist, während ein blinder Messingglanz sich sehen lässt. Wer konnte auch ahnen, dass die Schwester eines zukünftigen Kirchenfürsten sich zu einem Menschen niederbeugen würde, der nichts sein Eigen nannte als kräftige Schenkel und plumpe Fäuste, Dinge, die doch höchstens einen Vater Höhrle entzücken konnten.

      Und dann die Dreingabe einer hergelaufenen Sippschaft, die wie der Vogel auf dem Baume eines Pachtgutes saß und auffliegen musste, sobald ein Rechnungssupernumerarius am Stamm schüttelte.

      »Den Leuten muss man zeigen, wer sie sind,« sagte sie, und als es sich traf, dass sie im Gang des Kirchenschiffes an der Mutter von Susens Erkorenem vorüberrauschte, warf sie verächtliche Blicke um sich und hustete großartig, um anzudeuten, dass sie nur nötig hätte auszuspeien, um kriechendes Gewürm von solcher Sorte wie im Auswurf eines Schlammvulkanes zu ersticken.

      Mit diesem gebildeten Betragen erreichte sie, dass in Susens Verehrer der Stolz erwachte, dass er zwar dem Mädchen nicht entsagte, aber sein Liebeswerben auf bessere Tage zurückstellte und schließlich von der Mühle Unglück erhoffte, was ihr Glück ihm verweigerte.

      Für Vater Höhrle war damit ein Licht erloschen, auf


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